Warum Lieferheld & Co. nicht nur auf SEO/SEM setzen sollten

von Gastbeitrag

Über den Markt für Essenslieferungsvermittlungen ist in den vergangenen Wochen viel berichtet worden - nicht nur in Fach-, sondern auch in Publikumsmedien. Der "Spiegel" schrieb vor mehreren Monaten über den harten Wettbewerb zwischen zwei Portalbetreibern aus der Branche. Die "FAZ" setzte in der vergangenen Woche nach und beschwor den "Krieg der Pizza-Portale": Dieser werde vor allen Dingen über das Marketing geführt. Kai Loehde von der Berliner Agentur argonauten G2 meint nun in einem Gastbeitrag für ONEtoONE: Wenn sich die Betreiber am Markt behaupten wollen, sollten sie nicht nur auf absatzfokussiertes Performance-Marketing setzen, sondern müssen kreativere Wege beschreiten.

Zwischen einer und vier Milliarden Euro soll die Marktgröße für die Vermittlung von Essenslieferungen liegen. Kein Wunder, dass Lieferheld, Lieferando, Pizza.de etc. vor allem eines liefern: Einen teilweise auch unter die Gürtellinie gehenden Wettbewerb. Hauptaugenmerk der aus der digitalen Denkweise stammenden Delivery Heroes, Take-aways und Lieferandos scheint vor allem auf Suchmaschinen-Optimierung und Marketing zu liegen. So sieht es auch Jitse Groen, Gründer von Takeaway.com, der in einem Interview mit deutsche-startups.de anderen Kanälen den schnellen Return on Invest tendenziell abspricht.

Sicher - wer auf die Web-Analysen und Klickpfade blickt, wird das Erfolgsrezept zunächst bei den Suchmaschinen vermuten. Aber gerade bei Hunger, der sich bei jedem Menschen mit nahezu 100 Prozent Sicherheit einstellt, reden wir zunächst einmal von einem Bedürfnis. Und erst, wer ein Bedürfnis verspürt, beginnt mit der Suche nach dessen Befriedigung. Marketingkonzepte für Lieferservices sollten daher vor der Suchmaschine einsetzen. Um mögliche Ansatzpunkte zu identifizieren, hilft es, auf die Entstehung der Bedürfnisse nach Essenslieferung zu blicken und den dahinter liegenden "Path to Purchase" besser zu verstehen*.

Alles beginnt mit einem Versäumnis

Die Aufgabe einer Bestellung bei einem Lieferservice ist ganz offenbar das Resultat eines Versäumnisses. Nämlich das Versäumnis, Nahrung zur Stillung des Hungers entsprechend geplant, vor- und zubereitet zu haben. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob man vom Bedürfnis überrascht wurde (es ist 20 Uhr, ich sitze noch immer im Büro und verspüre plötzlich Hunger) oder ob man den Lieferservice fest eingeplant, ja gar zum Bestandteil eines soziales Events gemacht hatte (Heute Abend spiele ich mit meinen Freunden ein Computerspiel und wir lassen uns dann Pizza kommen).

Die Bedeutung dieses Versäumnisses liegt in seiner Implikation für den späteren Bestellprozess. Ihm geht nämlich in kaum einem Fall eine lange Planungsphase wie beispielsweise für ein selbstbereitetes Abendessen voraus. Die Besteller investieren vergleichsweise wenig Zeit in den Bestellprozess. Dabei lassen sich zwei basale Bestell-Prädispositionen feststellen:

1) Pizza Fungi - wie immer:
Diese Besteller wissen im Vorfeld sehr genau welches Essen sie ordern werden. Bei ihnen stehen nicht nur das Restaurant, sondern durchaus auch das Gericht schon vorher fest. Für die Pizza Fungis ist es wichtig, dass der Bestellvorgang so unaufwendig und wie möglich ist.

2) Die 43 ohne Zwiebeln, aber mit Koriander und ein wenig Knoblauch:
Diese Besteller haben weder eine spezielle Vorstellung von der Küche, noch vom Gericht welches sie zu wählen gedenken. Die 43er ohne Zwiebeln möchten vor allem inspiriert und geführt werden.

Die Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen ist zwar auf keine festgeschriebene Typologie zurückzuführen, sondern kann situativ für ein und dieselbe Person ganz unterschiedlich ausfallen. In beiden Fällen aber scheint der Wunsch nach Komplexitätsreduzierung ein zentraler Insight zu sein.

Komplexitätsreduzierung auf allen Ebenen

Komplexitätsreduzierung bedeutet hier Einfachheit im Bestellprozess. Und zwar auf der Interface-Ebene ebenso wie auf der inhaltlichen Ebene.

Diejenigen aus der Gruppe "Pizza Fungi", die ihr Restaurant oder sogar ihr Gericht bereits im Vorfeld gewählt haben, dürften bereits ausgetretene Klickpfade im Repertoire haben und nur schwer bzw. teuer auf Abwege zu bringen sein. Wer Besteller aus dieser Gruppe gewinnen will, muss nicht neue Wege, sondern Abkürzungen bieten. Und das funktioniert nun mal nicht über SEO oder SEM. So sind die Macher von Lieferheld beispielsweise auf dem richtigen Weg, wenn sie im Rahmen von Kooperationen zum voreingestellten Lieferservice auf TV-Endgeräten werden. Aber Achtung: Nicht die Technologie, sondern das Interface determiniert erst unser Verhalten! Der VIP Fridge Magnet von RedTomato Dubai, der via Bluetooth die Lieblingspizza bestellt, ist ein gelungenes Beispiel für diesen Gedanken. Aber auch In-Game Advertising, Spielkonsolen u.v.a. bieten die technologische Ebene, Komplexitäten zu reduzieren um so den Shortcut für Essensbestellung zu liefern.

Auf der inhaltlichen Ebene kollidiert Komplexitätsreduzierung indes teilweise mit der digitalen ("Longtail"-)Denkweise der Plattform-Anbieter. So haben die Lieferungsvermittler natürlich ein nachvollziehbares Interesse daran, so viele Restaurants wie möglich über ihre Webseiten anbieten zu können. Je grösser und ausgefallener die Auswahl, desto besser ist es aus ihrer Sicht für den User. Schließlich findet der hungrige Kunde mit Hilfe der Finde-Funktionen alles, was er sucht. Das Problem ist nur, dass er wissen muss, was er sucht. Und genau damit haben die "43er ohne Zwiebeln" ein Problem. Eine Vielzahl unterschiedlichster Küchen, Gerichte und Promotionen konkurrieren um ihre Aufmerksamkeit. Der Auswahl- und Entscheidungsprozess gerät zur Herausforderung. Vermittlungs-Portale, die hier mehr auf Inspiration und Nutzerorientierung setzen, könnten sich positiv von der Konkurrenz abheben. So bietet beispielsweise die stärkere Integration von Empfehlungsmarketing aus dem unmittelbaren Bekannten- und Freundeskreis ein großes Potential.

Natürlich bleiben SEO und SEM ein wichtiges Instrument, um Kunden vom Handzettel auf die Online-Portale zu bewegen. Aber nur wer jetzt auch in smarten und Insight-getriebenen Konzepten denkt, welche dem Besteller das Bestellen auf allen Ebenen erleichtern, wird neue Kunden gewinnen, langfristig an sich binden und sich so am Markt behaupten können. Kreativen Werbeagenturen, die den "Path to Purchase" beherrschen und in neuen Wegen oder gar Abkürzungen denken können, bietet sich hier ein ebenso großes wie spannendes Handlungsfeld.


*Zu diesem Zweck haben wir eine interne, nicht repräsentative, aber doch sehr aufschlussreiche Insight-Befragung bei "Essensbestellern" (Bestelle mindestens 1 x pro Monat; n=42) durchgeführt.

Über den Autor:

Kai Loehde (47) ist Chief Commercial Officer der argonauten G2 mit Sitz in Berlin. Er schreibt regelmäßig in seinem (englischsprachigen) Weblog zum Thema "Shoppermarketing und Kommunikation in einer digitalen Infrastruktur".

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