Klaus Eck: Krisen-PR im Internet. Die Herausforderung "Transparenz" für Unternehmen

von Gastbeitrag

Viele Menschen haben Angst davor, mit ihren eigenen Fehlern konfrontiert zu werden. Aus diesem Grunde vermeiden sie lieber bestimmte Krisensituationen. Nicht anders verhält es sich bei Unternehmen, die lieber wenig bis gar nicht in Social Media aktiv sind, bevor sie etwas falsch machen könnten. Wenn Kommunikation angstgetrieben ist, funktioniert sie nicht. Passivität in der Krise führt erst recht zum Kontrollverlust. Nur wer aktiv im Social Web unterwegs ist, kann die Agenda thematisch bestimmen und Themen in der öffentlichen Debatte mitbestimmen.

Mut zur Offenheit und ein Abschied von vielen Geheimnissen ist eine wichtige Voraussetzung für das Überleben in der Transparenzgesellschaft, in der jeder Kunde, Mitarbeiter und sonstige Stakeholder mit wenigen Klicks, Fotos, Texten und Videos Einfluss auf die Wahrnehmung einer Marke nehmen kann. Mit dieser neuen Transparenz müssen sich Unternehmen intensiv auseinandersetzen, weil sie längst eine Umweltbedingung geworden ist. Es gibt keine dezidierte interne Kommuni­kation mehr. Alles kommt irgendwann ans Licht. Kritik, die früher abseits der Öffentlichkeit in Beschwerdebriefen oder an der Servicehotline stattfand, wird heute von unzufriedenen Kunden offensiv online via Facebook, Twitter oder Blogs verbreitet. Eine einzige Meldung mag noch irrelevant sein. Doch sobald sie von anderen aufgegriffen und weiterverbreitet wird, gewinnt sie an Brisanz. Das musste beispielsweise O2 begreifen, nachdem der Entwickler Matthias Bauer in seinem Blog "Wir sind Einzelfall" die Stimmen von O2-Kunden mit Empfangsproblemen im Telefonnetz gesammelt hat. Innerhalb weniger Wochen kamen mehr als 8.000 Kundenbeschwerden auf diese Weise zusammen. Das Unternehmen hat sehr gut darauf reagiert, indem es den direkten Draht zum Blogger aufgebaut und dort regelmäßig die Kundenbeiträge kommentiert hat. Außerdem ließ sich O2 sogar auf Gastbeiträge ein und konnte auf diese Weise sehr viele Sympathien für sich gewinnen.

In Online-Krisen erfolgreich kommunizieren
In einer Krisensituation ist es immer schwierig, richtig zu reagieren. Wer Krisen vorbeugen und eine Deeskalation aktiv betreiben will, muss sich dazu zunächst auf die neuen Kommunikationsinstrumente Facebook, Twitter, Blogs und vielleicht sogar Google Plus einlassen. Es ist nicht leicht, in der Echtzeitkommunikation die richtigen Entscheidungen unter Zeitdruck zu treffen. PR-Professionals müssen sich dazu von ihren alten Lösungen verabschieden und ihr Kriseninstrumentarium an die neue Wirklichkeit anpassen, sonst scheitern sie an der Schnelligkeit des Social Webs. Denn Schnelligkeit ist ein wesentliches Merkmal guter Krisenkommunikation. Denn auch wenn nicht immer gleich zu Beginn alle Antworten auf Probleme offenbar sind, so braucht es meist zumindest eine Reaktion - auch wenn diese nur lautet: "Wir haben das Problem erkannt und kümmern uns darum." Danach ist es wichtig, transparent über die ­weitere Entwicklung zu berichten, sodass sich verärgerte Kunden und Kritiker ernst genommen fühlen. Die Entscheidung, sich "wegzuducken" und die Situation stillschweigend auszusitzen, führt nicht zu einem Versiegen der Kritik, sondern im Gegenteil zu einer noch schnelleren Verbreitung der Situation, weil die Stakeholder das Empfinden haben, dass etwas faul sein muss. Eine integrierte Strategie ist das Fundament jeglicher Krisen-PR. Diese umfasst zunächst ein umfangreiches Echtzeit-Monitoring, sodass Krisenherde schon sehr früh identifiziert werden können - im besten Fall, bevor sie zum Problem werden. Im zweiten Schritt sollte die Relevanz des Gegenübers beurteilt werden, Gegenmaßnahmen und die dazu passenden Plattformen überlegt werden. Die Hilfe von Social-Media-Experten bei der Entwicklung solcher Strategien ist empfehlenswert. [f1] Als Erstes sollte objektiv überlegt werden, wie relevant die Kritik bzw. der Kritiker ist. Handelt es sich um einen Influencer, einen Multiplikator, dessen Meinung im Netz Gewicht hat? Dann ist eine schnelle Reaktion unbedingt empfehlenswert. Oder handelt es sich um einen so genannten "Troll", der nur provozieren will? Beantworten Sie zunächst diese Fragen und erst dann, ob es sich lohnt, auf die Kritik zu reagieren. Denn Trolle (Provokateure und/oder Saboteure) sollte man nicht mit Feedback füttern. Denn diese Aufmerksamkeit ist kontraproduktiv und verstärkt sogar deren negative Aktivitäten. Ganz wichtig ist es, die richtige Tonalität und Ansprache zu finden. Das heißt, Krisen-PR sollte immer "auf Augenhöhe" passieren, keinesfalls überheblich oder arrogant sein. Auch wenn die Rechtslage eindeutig ist, sollten Argumente und Probleme des Kritikers angehört werden. Im Zweifelsfall lohnt es sich, zum Telefonhörer zu greifen und entsprechende Kritiker direkt anzurufen. Denn im persönlichen Gespräch findet sich oftmals schneller eine Lösung für Probleme. Hiermit war O2 äußerst erfolgreich und konnte die öffentliche Debatte um Netzprobleme in seinem Sinne wieder umdrehen, weil es direkt auf die Probleme seiner Kunden reagiert hat. Reaktionen auf Kritik sollten möglichst sachlich sein, auch wenn Emotionen im Spiel sind. Sachverhalte sollten klar auf den Punkt gebracht werden, ohne die üblichen Floskeln zu bemühen. Plattitüden feuern den Ärger der Stakeholder im Zweifel nur noch mehr an. Guter Kundenservice zahlt sich vor allem auch durch persönliche und individuelle Antworten aus.

Ein aktuelles Positivbeispiel für gelungene Kommunikation in der Krise stellt zudem das Corporate Blog von Schlecker dar. In ihm hat das von einer Insolvenz betroffene Unter­nehmen zuletzt ganz transparent darüber informiert, wann Online-Shopping-Bestände ausgeliefert werden können oder was die Mitarbeiter erwarten können, und dadurch ein wenig an Glaubwürdigkeit gewonnen. Ihre grundsätzlichen Markenprobleme lassen sich jedoch nicht auf diese Weise beheben. Dazu ist sicherlich ein Rebranding angesagt. Die Berater von Bundespräsident Christian Wulff sind falsch mit dem Thema "Transparenz" umgegangen. Wer sich heute öffentlich weigert, Informationen in Krisensituationen offenzu­legen, und bewusst mit Prekärem hinterm Berg hält, erntet im besten Fall Spott und zerstört im schlimmsten Fall die eigene Reputation und Glaubwürdigkeit. Die Stillhalte-Technik, die die ING-Diba Bank zuletzt für ihre Krisenkommunikation auswählte, überließ die komplette Facebook-Fanpage des Unternehmens der Diskussion Dritter. Trolle sowie hitzige Grundsatzdiskussionen über das Vegetariertum beherrschten die Plattform und vermittelten anderen Fans und Neukunden nicht gerade ein attraktives Bild.

Was vielen Unternehmen immer noch unklar ist: Bei Social Media geht es weniger um Tools oder um Plattformen. Es geht um Menschen. Wer sich im Social Web bewegt, der möchte nicht mit anonymen Marken kommunizieren. Vielmehr möchten Onliner - ob das nun Kunden, Lieferanten, Partner oder die eigenen Mitarbeiter sind - Einblicke in das Unternehmen bekommen, mit dem sie agieren. Sie möchten wissen, wer dahintersteckt. Und sie möchten mit ihren Problemen, Anmerkungen und Kommentaren ernst genommen werden. Hierfür möchten sie mit einer echten Person kommunizieren, nicht mit einer anonymen Marke oder einem Konzern. Deswegen ist es so wichtig, dass Unternehmen ganz bewusst Markenbotschafter im Social Web etablieren. Solche Menschen, die mit Leidenschaft und einem Gesicht für ihre Marke einstehen.

[b]Mit Persönlichkeit punkten[/b]
Wenn es an Menschen fehlt, können andere sehr leicht die Agenda bestimmen. Ein Social-Media-Manager mit eigenem Profil kann der Debatte etwas von der bisherigen Schärfe nehmen, sollte aber dennoch möglichst neutral und moderat bleiben.
Um authentisch kommunizieren zu können, müssen Mitarbeiter entsprechend auf diese neue Aufgabe vorbereitet werden. Ein gutes Mittel dafür sind Guidelines für den Social-Media-Auftritt, die man ihnen an die Hand geben kann, um Missverständnissen und Un­erfahrenheit vorzubeugen. Diese Richtlinien zum Umgang mit Social Media werden gebraucht, damit Mitarbeiter nicht aus Unwissenheit oder Gedankenlosigkeit selbst in eins der zahlreichen Fettnäpfchen treten. Diese sollten Mitarbeiter über die Eigenarten des Social Web aufklären und ihnen gleichzeitig Hilfestellungen geben. Begreifen Sie Social Media immer als Chance, ohne jedoch Ihren Mitarbeitern einen Freifahrtschein für alles zu geben. Vielmehr sollten Sie Mitarbeiter für die Gefahren im Netz sensibilisieren, ihnen beispielsweise die Privatsphäre-Einstellungen auf Facebook näher­bringen und ihnen intern Ansprechpartner zur Verfügung stellen, die im Falle eines negativen Kommentars mit Empfehlungen zur Seite stehen. Das ist unbedingt wichtig, da Mitarbeiter durch die Angabe ihrer Arbeitsstelle in den sozialen Netzwerken zu jeder Zeit in direkte Verbindung mit ihrem Arbeitgeber gebracht werden. Nutzer trennen da nicht zwischen der offiziellen Unternehmenskommunikation und privatem Kommentar, sodass unbedachte Statusupdates schnell zum Problem für das Unternehmen werden können. Ein Unternehmen kann nicht über Tage oder gar Wochen nicht kommunizieren, wenn es eine Community pflegen und darüber Kunden an sich binden will. Oftmals wird allerdings der Fehler gemacht, gar nicht oder erst zu spät zu reagieren. Unmoderierte Communitys können ein starkes Eigenleben entwickeln und schaden sogar der Imagepflege. Das kann nicht im Interesse der Betreiber liegen. Schon ein bis drei Postings am Tag auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen und vor allem mehr Kommentare könnten mäßigend auf die Akteure wirken. Außerdem kann so die Informationshoheit wiedergewonnen und Suchmaschinenergebnisse im Sinne des Unternehmens beeinflusst werden.

Ein Nichtreagieren auf der anderen Seite lässt nicht nur vermuten, dass es tatsächlich etwas vom Unternehmen zu verbergen gibt, sondern auch, dass die Vertreter zudem nicht die nötige Professionalität haben, um die Oberhand zu gewinnen. Das Hausrecht auf den Kanälen sollte man sich nicht nehmen lassen. Jeder Social-Media-Kanal-Betreiber ist für die Atmosphäre und Inhalte auf seinem Angebot in jeder Hinsicht verantwortlich und haftet mitunter auch rechtlich dafür. Aus diesem Grunde ist es opportun, auf die eigene Netiquette/Hausordnung/ Kommentarrichtlinien zu verweisen und ggf. die Diskussion zu regulieren. Ob das die Debatte weiter anheizen würde, ist eine andere Frage. Auf der anderen Seite sollten Unternehmen aber auch nicht die Stärke des Goliaths ausspielen und sollten ihre Anwälte zurückhalten. Abmahnungen und harsche Kritik sind sicherlich nichts, was die Online-Reputation positiv beeinflusst - auch wenn man im Recht sein mag. Auf Konfrontation sollte verzichtet werden, wenn es andere Wege gibt, um den Konflikt zu lösen.

[b]Häufige Fehler in der Kommunikation[/b]
Es wird immer negative Kommentare zu ­einer Marke geben. Dazu muss ein Unternehmen gar nicht im Internet oder in Social Media aktiv sein, eine Facebook-Fanpage eröffnen und bloggen. Wenn sich Unternehmen entscheiden, nicht am Online-Dialog über ihre Marke teilzunehmen, überlassen sie die Definition ihres digitalen Rufs anderen. Laut einer Studie der Markenberatung ­Publicis wollen 58 Prozent aller Deutschen nicht Kunde eines Unternehmens sein, wenn über dieses negativ berichtet wird. Aus diesem Grund sollten Unternehmen in der Krisenkommunikation alles tun, um das Vertrauen und die Loyalität ihrer Kunden zu sichern und die Glaubwürdigkeit zu erhalten. Essenziell ist das Verständnis, dass Krisenkommunikation vor der Krise beginnt: Eine relevante Reichweite auf Twitter, Facebook, in Blogs & Co. erreicht man nicht über Nacht. Es ist also definitiv zu spät, erst dann die entsprechenden Kanäle aufzusetzen, wenn die Krise gerade ihren Höhepunkt erreicht. Vielmehr müssen Unternehmen bereits im Vorfeld präventiv Strategien entwickeln, wie in einem solchen Fall reagiert wird.

Unternehmen, die diese Systematik ignorieren oder falsch reagieren, drohen fatale ­Folgen. Im schlimmsten Fall könnten sie dadurch in den Ruin getrieben werden. Schaden entsteht meist dann, wenn andere auf das Thema reagieren, es aufgreifen und über die eigenen Kanäle verbreiten. Durch den Netzwerkeffekt können gewisse Themen innerhalb kürzester Zeit eine große Aufmerksamkeit ­erfahren. Unternehmen und deren Markenbotschafter müssen in der Lage sein, sich auf die etablierten Strukturen verlassen zu können, und die Befugnis haben, schnellstmöglich zu reagieren, um größeren Schaden zu verhindern.
Erfolgreich war man ganz offensichtlich dann, wenn wieder positive Botschaften die sozialen Netzwerke und die Google-Suche dominieren und das Krisenereignis in den Hintergrund und bestenfalls in Vergessenheit gerät.

Ihre Gastbeiträge auf ONEtoONE:

Veröffentlichen auch Sie ihre Gastbeiträge auf ONEtoONE. Einfach PremiumPlus-Mitglied werden und loslegen!

Gastbeiträge veröffentlichen

www.hightext.de

HighText Verlag

Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling

Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de

Kooperationspartner des

Folgen Sie uns:



Besuchen Sie auch:

www.press1.de

www.ibusiness.de

www.neuhandeln.de