Dr. Ludwig Gehrke: Rechtemanagement - notwendiges Übel oder Erfolgsfaktor?

von Gastbeitrag

Lizenzen und ihr Schutz sind ein allgegen­wärtiges Thema in einer Branche, deren Kapital letztlich nur aus der Verwertung geistigen Eigentums besteht. Durch Copy & Paste ist es heute möglich, urheberrechtlich geschützte Werke, wie Texte oder Fotos, für eigene Zwecke einfach zu übernehmen. So manch Internetnutzer kopiert online angebotene Texte oder Fotos und veröffentlicht diese auf der eigenen Website - ohne dafür die erforderlichen Rechte erworben zu haben.

Frank W. staunte, als er eine Rechnung von Anwälten erhielt, die ihn im Auftrag eines Verlages zur Zahlung von mehreren hundert Euro aufforderten. Begründet wurde das mit "unberechtigter Bildnutzung auf seiner Homepage, für die er keine Lizenz vorweisen könne". Gabriele H. wurde per Brief, ebenfalls von Rechtsanwälten im Auftrag eines Medienhauses, dazu aufgefordert, einige Artikel und Texte von ihrer Internetseite zu entfernen und einen Schadensersatz "wegen Urheberrechtsverletzung aufgrund unbefugter Nutzung fremder Texte" in Höhe von über 500 Euro zu zahlen.

Timo A. und Janine O. erhielten eine Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wegen "öffentlich zugänglich gemachter bzw. zum elektronischen Abruf bereitgestellter geschützter Werke" (sog. Filesharing). Das heißt, das Kopieren und Verbreiten von Musikwerken über ihre Internetplattform bzw. Internettauschbörse sollten sie sofort unterlassen.

Bewusste Rechteverletzung oder naive Internetnutzer?
Diese drei Fälle zeigen beispielhaft, dass heute der Diebstahl geistigen Eigentums nicht mehr nur durch Zufall entdeckt wird, sondern dank neuartiger Softwarelösungen gezielt gesucht, gefunden und dokumentiert wird. In der Vergangenheit gab es niemanden, der im großen Stil nach Plagiaten suchte und diese Ergebnisse auch gerichtsfest dokumentieren konnte. In den letzten Jahren wurde das Thema der Urheberrechtsverletzung aufgrund der zunehmenden Digitalisierung immer aktueller und brisanter. Denn die Digitalisierung hat den "Datenklau" einfach gemacht und damit wurde er ein Massenphänomen. Laut einer Studie mehrerer Branchenverbände vom August 2011 laden sich an die 7 Prozent der 51,7 Millionen Internetnutzer in Deutschland illegal Musik, Filme, Bücher ­herunter. Manchmal wird wissentlich das geistige Eigentum Dritter durch unberechtigtes Kopieren missachtet. Vielfach ist den Kopierern aber nicht bewusst, dass sie sich illegal verhalten und (Urheber-)Rechte verletzen.

Es muss also dringend und vor allem allgemein das Bewusstsein bei den Internetnutzern geschaffen werden, dass Bilder, Texte und auch Software im Internet nicht kostenlos sind, nur weil jeder darauf zugreifen kann. Denn das Produzieren und Vorhalten der Inhalte kostet Geld. Oftmals sogar sehr viel Geld. Das ist manchen Verletzern gar nicht klar. Natürlich sehen sich bewusst oder unbewusst Rechteverletzende gerne auch als Opfer, wenn sie identifiziert werden. Zur Erklärung angefügte Ausreden ("Das waren meine Kinder", "Jemand hat meinen WLAN-Anschluss ohne mein Wissen genutzt", "Die IP wurde fälsch­licherweise mir zugeordnet", "Die Abmahnung habe ich nie erhalten") sind für den Grad des Verschuldens unerheblich. Wer eine fremde Leistung nutzt, die für einen Dritten geschützt sein könnte, hat die Pflicht, sich über die eigene Berechtigung zu vergewissern. Auch mündliche oder per E-Mail erfolgte Zusicherungen von Lieferanten einer Leistung oder eines Werkes reichen nicht.

Ein Beispiel hierfür ist die Erstellung der eigenen Homepage durch einen Dienstleister, der dem Auftraggeber nachweisen sollte, wer der Ur­heber der eingesetzten Texte und Bilder ist und ob gegebenenfalls die Nutzung dieser genehmigt wurde. Ein gutgläubiger Erwerb von Nutzungsrechten ist nicht möglich. Im Übrigen kann sich ein Verletzer auch nicht darauf berufen, dass er zu einer Lizenzierung nicht bereit gewesen wäre oder dass er ohne Verletzung nie selbst um eine Lizenz nachgesucht hätte, weil sich eine Nutzung des Werkes mit angemessener Lizenz nicht gerechnet hätte. Oder weil er auch sonst wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen wäre, die angemessene Lizenz zu zahlen. [f1] Ein kleiner Rat für Verletzer:
Was sollte man bei einer Abmahnung unbedingt tun? Was muss man lassen? Nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern selbst aktiv werden! Das Akzeptieren einer Abmahnung in Verbindung mit einer Unterlassungsklage kann zu erheblichen finanziellen Verpflichtungen des Abgemahnten führen. Der Abgemahnte geht mit dem Akzeptieren möglicherweise eine Bindung ein, zu der er so nicht oder nur eingeschränkt verpflichtet gewesen wäre. Daher sollte jede Abmahnung, gerade im gewerblichen Umfeld, mit einem Rechtsanwalt erörtert werden, der sich auf dieses Thema spezialisiert hat.

Die gestiegene Nachfrage nach audiovisuellen Inhalten führt zu einer Veränderung der Ansprüche, die an die Inhalte von Webseiten gestellt werden! Wurden früher - noch von einem charmanten Pioniergeist geprägt - von den Unternehmen selbstprogrammierte Webseiten ins Netz gestellt, kann sich heute kaum noch ein Unternehmen einer professionellen medialen Präsenz entziehen. Die Webseiten sollen heute individuell und interessant gestaltet werden. Und das kostet Geld. Oft wird das gesamte zur Verfügung ­stehende Budget in die Gestaltung gesteckt. Die Inhalte auf diesen Seiten werden jedoch gern im "Low Budget"-Verfahren erstellt. Dieses führt oft genug dazu, dass dafür Texte und Bilder von Dritten übernommen werden, ohne sich hierzu vorab die erforderlichen Nutzungs- oder Leistungsschutzrechte einräumen zu lassen. Das Unrechtsbewusstsein, an dieser Stelle die Urheberrechte Dritter zu verletzen, fehlt teilweise gänzlich - anders ist die Übernahme von Texten, Grafiken oder Fotos auf vielen Webseiten nicht zu erklären.

[b]Das Thema Rechtemanagement wird bisher noch sehr stiefmütterlich behandelt![/b]
Zunächst müssen Firmen für sich die Notwendigkeit erkennen, bei Diebstahl ihres geis­tigen Eigentums konsequent zu handeln. Ein Outsourcing empfiehlt sich immer, selbst dann, wenn die notwendige Fachkompetenz inhouse zur Verfügung steht. Denn die Kosten für die Rechteverfolgung können in der Regel dem Verletzer nur in Rechnung gestellt werden, wenn diese Leistungen durch externe Dienstleister erbracht werden.
Aus Angst, einen Kunden oder einen ehemaligen Kunden anzuschreiben, wird das Thema Rechtemanagement nicht angefasst oder zu lange gewartet. Die Praxis zeigt allerdings das Gegenteil. Es etabliert sich langsam, aber sicher ein Verständnis dafür, dass "Datenklau" kein ­Kavaliersdelikt ist. Selbst wenn ein Kunde einmal irrtümlich angeschrieben werden sollte, löst das eher eine positive Reaktion aus. Der zahlende Kunde merkt, dass gegen Dritte, die ohne zu bezahlen fremdes geistiges Eigentum nutzen, vorgegangen wird. Damit fühlt sich der Kunde letztlich in seinem eigenen Verhalten bestätigt. Der Fehler liegt also darin, nichts zu tun.

Der steigende Wettbewerbsdruck erfordert von den Urheberrechts- und Nutzungsrechtsinhabern auch einen zeitgemäßen Umgang mit den Inhalten und den damit verbundenen Rechten. Das ist wichtig, weil sie teilweise die einzigen Vermögenswerte eines Verlages oder einer Agentur darstellen. Ein Rechtemanagement bedeutet hierbei nicht nur die Erstverwertung der Nutzungsrechte (Lizenzvergaben), sondern stellt auch sicher, dass eigene Lizenzpreise durch unberechtigte Verbreitung der eigenen Texte und Fotos nicht verwässert werden.

[b]Zu einer professionellen Verwertung eigener Werke muss ein eigenständiges Konzept zum Rechtemanagement vorhanden sein![/b]

Weshalb sollte ein Kunde angemessene Lizenzpreise noch bezahlen, wenn Dritte kostenlos die Texte und Bilder nutzen und so wichtigen Traffic von der eigenen Webseite oder der eigenen Kunden auf andere umleiten? Wie können auch zukünftig qualitativ hochwertige Texte in Auftrag gegeben werden, wenn die anschließende Verwertung der Ergebnisse die Honorare der Urheber nicht mehr abdeckt? Warum sollte ein Fotograf sich noch die Mühe machen, hochwertige Fotos zu produzieren, und die Bildagenturen sich anstrengen, mit viel Kosten und Aufwand Bildlizenzen zu vergeben? Rechtemanagement bedeutet daher nicht nur die angemessene Verwertung durch Lizenzierung, sondern auch den Schutz der eigenen Kunden vor Plagiaten und Kopierern.[f2]Wie aber können die immateriellen Vermögenswerte eines Unternehmens effektiv genutzt und verwertet werden, wenn diese unrechtmäßig kopiert wurden? Hier ist die Durchsetzung der eigenen Rechte und die damit einhergehende Geltendmachung der entgangenen Lizenzeinnahmen gegenüber den Verletzern der wichtigste Faktor. Denn damit wird auch ein Beitrag zum wirtschaftlichen Unternehmenserfolg erzielt. Imagewahrend und sicherlich im Interesse von Geschädigten und Verletzern ist trotz Zahlung eines Schadensersatzes als entgangene ­Lizenz eine dauerhafte, gute Beziehung zwischen Rechteinhaber und dem, der die Daten für sich illegal verwendet hat. Schon manch reumütiger Verletzer konnte so zum treuen Kunden erzogen werden, nachdem er zur Zahlung eines Schadensersatzes aufgrund unberechtigter Rechtenutzung herangezogen und nicht durch sofortige Abmahnung verärgert wurde. Ein effektives Rechtemanagement sollte daher in Unternehmen als Chance und Erfolgsfaktor erkannt und genutzt werden. Die hohen Kosten bei Abmahnverfahren sind vielfach für das negative Image von "Abmahnanwälten" verantwortlich. Das bisherige Vorgehen von Rechtsanwälten ist hier die Rechteverfolgung über Abmahnung und eine so genannte strafbewährte Unterlassungserklärung. Der eigentliche Diebstahl geistigen Eigentums und der Schadensersatz treten ­dadurch in den Hintergrund.

[b]Der schlechte Ruf von "Abmahnanwälten" - Imageverlust für die Medienbranche?![/b]

Und es gibt noch die subjektive Wahrnehmungskomponente seitens der Verletzer. Meist unterscheiden diese nicht zwischen einem Mahnschreiben und einer Abmahnung und fühlen sich, mit dem Wort Strafe konfrontiert, hingestellt als Kriminelle - sei dies nun aus rechtlicher Sicht berechtigt oder nicht. Durch einen bewussten Verzicht auf Abmahnungen und Unterlassungsklagen kann das positive Image von Agenturen und Verlagen geschützt werden.

Fazit:
Das Modell Abmahnung in Verbindung mit einer Unterlassungserklärung hat sich überlebt! Der Fokus liegt zukünftig auf dem image­wahrenden Rechteschutz und der Durchsetzung der Schadensersatzforderungen der Rechteinhaber. Durch diese Fokussierung werden Abmahnungen und Unterlassungsforderungen im Regelfall entbehrlich. Die Entwicklung geht dahin, worauf es wirklich ankommt: ein Verständnis dafür zu schaffen, dass im Internet nicht alles umsonst ist und geistiges Eigentum Dritter respektiert werden muss. Geistiges Eigentum, welches genutzt wird, muss auch bezahlt werden. Das positive Image von Verlagen und Agenturen muss zudem erhalten bleiben. Erste Erfahrungen zeigen, dass die Mehrzahl der Verletzer die kopierten Inhalte bereits aus dem Netz nehmen, wenn die Zahlungsaufforderung für die Urheberrechtsverletzung kommt. Wenn Raubkopieren im Internet nicht weiter eingedämmt wird, wird es zukünftig kaum noch werthaltige Inhalte, geschweige denn guten Journalismus geben.

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