Peter Recker: Die Zukunft des Mailings

von Gastbeitrag

2010 war der Wendepunkt der gesamt wirtschaftlichen Entwicklung. Die Wirtschaftskrise scheint überwunden und die Unternehmen investieren wieder zunehmend in Kommunikation. Mit 76,2 Mrd. Euro liegt die Gesamtaufwendung fast auf dem Niveau von 2009. Dabei ist eine Entwicklung besonders auffällig und eine Riesenchance für die Dialogbranche.

Knapp 2/3 diese Aufwendungen fließen in das Dialogmarketing im weiteren Sinne - das heißt in Dialogmarketing-Medien und Medien mit Dialogelementen. (Quelle: Dialog Marketing Monitor 2011) Wie in den Vorjahren setzt sich die Verschiebung der Budgets in Richtung ­Online-Medien fort. Die wachsende Bedeutung von digitalen Kanälen und die großen Chancen, die Social Media bietet, werfen die Fragen auf: Hat das analoge Mailing im digitalen Zeitalter eine Zukunft?

Den gefühlten Abgesang auf das Mailing wird es nicht geben. Dies belegt auch die ­aktuelle TNS Emnid-Studie. Rund 46 Prozent gehen laut Befragung davon aus, dass Internet- und E-Commerce den Stellenwert von Mailings in den kommenden drei Jahren nicht be­einflussen werden, 36 Prozent glauben sogar, dass die Bedeutung des Werbebriefs noch steigt. Egal, was noch kommt. Da kann man sich getrost auf das Riepl´sche Gesetz verlassen, das sagt: "Kein Instrument der Information und des Gedankenaustauschs, das einmal eingeführt wurde und sich bewährte, wird von anderen vollkommen ersetzt oder verdrängt."
Als Klassiker des Dialog? und Direkt­marke­tings wird somit das Printmailing weiter­hin ein wichtiges Instrument bleiben, ob als Stand?alone?Aktion oder im Rahmen einer integrierten Kampagne. Ein intelligentes crossmediales Ansprache­konzept setzt die Nutzung beider Welten - analog und digital - voraus, indem sie auf­einander aufbauen, um Wechselwirkungen und Synergien zu erzeugen.

Noch sind alle online
Wie digital und sozial vernetzt ist unsere Gesellschaft eigentlich im Jahr 2011? Gefühlt
geht alles in Richtung online: keine Kampag­nenentwicklung, kein Launch, keine Kunden­bindungsmaßnahme ohne große digitale Anstrengungen. Aber über 60 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland können mit einer noch so smarten Online-Kampagne nicht erreicht werden. Sie zählen entweder zu den digitalen Außenseitern (28 Prozent), den Gelegenheitsnutzern (28 Prozent) oder den Berufsnutzern (7 Prozent). (Quelle: Digitale ­Gesellschaft TNS Infratest 2010).
Was natürlich nicht heißt, dass sich nichts verändert. Natürlich werden schon jetzt und in Zukunft sicher auch noch mehr Anteile dessen, was früher im physischen Briefkasten landete, in den digitalen umgeleitet.

1. Regelkommunikation
Teile der Regelkommunikation wie Rechnungsversand, Lohnabrechnungen, Kommunikation mit öffentlichen Institutionen, Banken und Versicherungen gelangen künftig noch stärker auf elektronischem Weg zum Verbraucher/Kunden. Diesen Marktanforderungen trägt die Deutsche Post u. a. mit dem E-Postbrief Rechnung.

2. Neukundenakquisition
Im Bereich der Neukundenakquisition gibt es neben den zusätzlichen digitalen Möglichkeiten eine weitere Herausforderung: Unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes hat man im vergangenen Jahr die Bürger entmündigt. Durch die Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes ist die personalisierte Neukundengewinnung per Brief erheblich erschwert worden. Die B-to-C-Studien zur BDSG-Novelle 2009/2010 des Siegfried ­Vögele Instituts liefern Werbetreibenden wichtige Impulse für den richtigen Umgang mit der neuen Gesetzeslage.

Der Paradigmenwechsel, weg von der ­Widerspruchs- hin zu einer Einwilligungs­lösung, bedeutet für die Unternehmen, dass sie ab sofort bereits mit der Adresse das so genannte Opt-in für die Speicherung und Nutzung von persönlichen Daten erheben müssen. Diese neue Herausforderung, gepaart mit der Tatsache, dass die frei verfügbaren Adressen weniger werden, bedeutet für die Unternehmen, dass sie neue Wege gehen müssen.
Statt persönlich werden potenzielle Neukunden künftig wieder verstärkt un- oder teil­adressiert angesprochen. Durch den gezielten Einsatz von Geomarketing werden dabei Streuverluste minimiert. So ermöglicht u. a. MediaMail eine crossmediale Zielgruppenansprache, die idealerweise noch auf die Gesamtkampagne systematisch abgestimmt ist.

3. Kundenbindung
Auch komplexere Teile eines Kundenverhältnisses werden von digitalen Medien übernommen. Wenn man aber genauer hinschaut, dann sind das häufig Elemente, die bisher auch nicht von Mailings oder Kundenbindungsprogrammen abgedeckt wurden.
So findet heute ein Kundenbindungs­programm zu einem großen Teil auf einer Website statt. Dies ist ein Element, das es vorher gar nicht gab. Mailings können keine Orte erschaffen, keine spürbaren Plattformen. Das war noch nie ihre Aufgabe. Bisher war der Kundenclub ein theoretisches Konstrukt, heute ist er ein digitales - und seine wichtigsten Kundeninformationen wie Welcome-Mailings zum Beispiel werden auch in Zukunft besser physisch versandt.

Social Media als zusätzliche Facette
Social Media ist eine wichtige zusätzliche Facette im Kundendialog. Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Deutschen zwar weniger in sozialen Online-Netzwerken aktiv, dennoch nutzen immerhin 35 Prozent der deutschen Onliner täglich Social Media. ­(Quelle: TNS Digital Life 2010) [f1] Social-Media-Marketing stellt daher für die Unternehmen und Agenturen eine neue Chance zum Kundendialog dar. Von den Unternehmen mit externem Online-Marketing entscheidet sich bereits jedes fünfte für Social-Media-Akti­vitäten. Doch Vorsicht: Um erfolgreich zu sein, muss Social-Media-Marketing auf die Zielgruppe abgestimmt sein und erfordert entsprechende interne Kulturänderungen und Organisationsstrategien. (Quelle: TNS ­Digital Life 2010)
Um die Schnittstellen zwischen analoger und digitaler Welt effektiv zu nutzen, sind die Unternehmen mehr denn je gefordert, genau hinzuhören. Es geht darum, über das eigene Kerngeschäft offen, kreativ und fantasievoll ­hinauszudenken. Die reine Akzeptanz der ­neuen Medien und die sinnvolle Integration von Social Web in den Marketingmix reichen nicht aus. Man muss diese auch verstehen und in einem offenen Dialog mit Kunden, Mitarbeitern und Dienstleistern gestalten, um zukunftsweisende Angebote zu entwickeln. Intelligente Multi-Channel-Kommunikation nutzt E-Mail, Print und Social Media parallel und bedient sich der jeweiligen Stärken. Wie stark auch immer das Internet die Kommunikations- und Werbewelt verändert, das Mailing wird immer eine wichtige Funk­tion behalten.

[b]Alleinstellungsmerkmal des Mailings[/b]
Wenn man die Welt der Mailings zwischen zwei Polen anordnet, von denen der eine gehobene inhaltliche Komplexität und eine hohe Wertschätzung ist und der andere die Einfachheit und die niedrige kommunikative Schwelle, dann wird der Punkt, an dem man sich für eine digitale kommunikative Lösung entscheidet, vom Einfachheitspol langsam ein wenig in Richtung Komplexität verschoben, aber nie die gesamte Strecke übernehmen.
Hochwertige Mailings haben eine herausragende Position im Briefkasten der Kunden. Diese liegt beim Printmailing etwa in dessen Haptik. Genau diese Kunden müssen für eine bessere Rückkanalmöglichkeit aber auch digital angesprochen werden. Und emotional: Gerade durch multimedialen Bewegtbildinhalt, wie er via E-Mail transportiert werden kann, wird dies erreicht. Im Gegensatz zum öffentlichen Austausch, wie er in sozialen Netzwerken und Communitys stattfindet, ist die direkte Kommunikations­möglichkeit eines Mailings eine seiner deutlichsten Stärken. Anders formuliert: Das ­Mailing wird sich vermehrt auf den emotio­nalen Teil der Kundenkommunikation konzen­trieren können. Das Mailing wird den Unter­schied machen zwischen standardisiertem ­Kundenkontakt und spürbarer Wertschätzung. Und selbst der Massenversand, von dem manche glauben, dass er als Erster durch digi­tale Kanäle ersetzt wird, hat gar nicht die großen Verluste zu verzeichnen, die man ihm prophezeit hatte.

So mancher Versender, der seinen Katalog­versand eingestellt hatte, weil ja nun alles auf der Website zu sehen ist, hat feststellen müssen, dass der Konsument eben doch den Tausend-Seiten-Schinken auf den Couchtisch wuchten will. Der Katalog ist nicht nur ein Bestellbuch, sondern auch ein emotionales Kundenbindungs­instrument. Der Online-­Katalog ist es eben genau nicht. Das Mailing bleibt das Premiummedium - trotz der bereits erwähnten Hürden. Es ist noch lange nicht ad acta gelegt. Es hat sogar alle Chancen, seine Premiumposition auszubauen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings ein qualitativ hochwertiges Mailing, welches zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Angebot an die richtige Person versendet wird. Ein gelungenes Beispiel ist der diesjährige Cannes-Lions-Direct-Silber-Gewinner "The Sprinter applies for a Job" von Lukas Lindemann Rosinski für Mercedes-Benz (siehe auch Seite 70).
Und die Agenturen? Sie müssen sich wieder verstärkt ernsthaft mit dem Thema Dialog auseinandersetzen. Da wird jetzt allseits in digitales Geschäft investiert. Das Investment (nicht nur finanzieller Art) in den offline Dialog wurde und wird merklich zurückgefahren.

[b]Die Rolle der Agenturen[/b]
Dies dem Irrglauben folgend, dass der Offline-Dialog und damit das Mailing den Weg des Dinosauriers geht. Da glaubt man ernsthaft, dass das Kundenverhältnis an der Anzahl der "Likes" zu messen wäre. Das Internet ist ein idealer Ort, um Konversation zu betreiben. Auch das ist eine Funktion, die in diesem eher unverbindlichen Sinn noch nie von Mailings übernommen wurde. Das Mailing war nie ein Pläuschchen. Das Mailing war schon immer ein Verkaufsgespräch, es hat schon immer den Vertreter ersetzt, den Verkäufer, nicht aber den PR-­Manager oder die Hotline.[f3] In der Konsequenz ersetzt das Internet nur geringe Teile des Offline-Dialogs. Ansonsten ist es eine wunderbare, unschätzbare Ergänzung des Dialogs in Bereichen, in denen das Mailing bisher nicht wirksam sein konnte. Ich schließe mit einem Zitat von Folker Wrage, CCO von McCann Erickson: "Wer jetzt den Offline-Dialog vernachlässigt, wird irgendwann feststellen, dass er seine Kunden nicht mehr binden kann, sondern nur noch ­entweder bedrängen oder bespaßen."

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