Prof. Hansjörg Zimmermann: B-to-B-Kommunikation in Social Media

von Gastbeitrag

Neulich, am Rande eines Kamingesprächs, hat ein werter Kollege moniert, dass laut einer aktuellen Studie über 35 Prozent der Unternehmen sich nicht mit Social Media beschäftigen würden. Das hat mich nachdenklich gestimmt, zumal ich nahezu im Wochentakt Anrufe bekomme, die wie folgt verlaufen:

"Guten Tag, Herr Zimmermann. Mein Name ist Hase von der . Wir sind weltweit Marktführer von Lowbudget-Dingenskirchen, und wir haben gehört, dass Sie vor allem in Social-Media-B-to-B-Kommunikation eine besondere Expertise haben. Könnten Sie für uns ein spannendes oder witziges Youtube-Video entwi-ckeln, das sich möglichst rasch verbreitet und unsere B-to-B-Kunden erreicht? Ein Facebook-Profil haben wir auch schon. Nur an Twitter haben wir uns noch nicht rangetraut. Wir haben bereits Budget zurückgestellt und würden gerne mit Ihnen zusammenarbeiten." Fürwahr ein lukrativer Auftrag ...

35 Prozent der deutschen Unternehmen haben wie oben beschrieben bisher angeblich noch nicht einmal daran gedacht, in Sachen Social Media kommunikativ zu werden. Ein kleines Drama möchte man meinen. Aber sehr viel bedenklicher und bei weitem dramatischer ist sicherlich die Tatsache, dass viele Unternehmen - nicht nur im B-to-B-Bereich - in Sachen Social Media tendenziell eher hyperaktiv handeln. Weil der Wettbewerber bereits ein Profil in Facebook hat oder auf Xing aktiv ist. Meist steckt dahinter auch der Chef, der kürzlich im Golfclub oder beim Segeln von einem Kollegen erfahren hat, welch sagenhafte Dinge sich in und rund um Social Media abspielen. SMHS statt ADHS. SocialMedia-Hyperaktivitätssyndrom statt Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitätssyndrom.

Natürlich tun sich Dienstleister schwer, ein Projekt erst einmal kritisch zu hinterfragen, wenn der Kunde mit Auftrag droht. Und man läuft Gefahr, arrogant oder nicht kompetent genug zu wirken und seine Reputation schneller zu verlieren, als man sie aufgebaut hat.

Interessant bei jeder Diskussion um Budget: Social Media kostet doch nichts. Virale Verbreitung spart Media-Einsatz, und die paar Studenten, die irgendwas mit Medien studieren, haben das Thema doch super authentisch drauf. Schließlich sind diese "Digital Natives" unsere Marketeers von morgen. Da muss ich natürlich die berechtigte Gegenfrage stellen: Haben Sie schon mal Ihre B-to-B-Fachkampagne von Marketingstudenten planen, Ihr B-to-B-Mailing von Druckstudenten produzieren und den Messestand für beispielsweise die Analytica oder die Cebit von Architekturstudenten bauen lassen? Ich bin sicher, diese Frage stellt sich nicht. Kein vernünftig denkender Marketingverantwortlicher würde das zulassen.

Hinsehen, hinhören und eine gemeinsame Strategie entwickeln

Das Patentrezept? Gibt es nicht! Alles, was wir alle tun können ist: hinsehen, hinhören und eine gemeinsame Strategie entwickeln. Social-Media-Konzepte brauchen zunächst mal eine Partitur, ein paar Instrumente und vor allem Musiker, die ihre Instrumente wenigstens in heimischer Umgebung spielen können sollten, und vor allem einen Dirigenten. Das alles zusammen muss ins Konzerthaus der Marke passen oder muss dort entsprechend professionell orchestriert werden.

Erst vor Kurzem wurde ich in Hamburg auf der Konferenz "Die Macht der Marke" angesprochen, wie es denn nun um erfolgreiche Cases in Sachen B-to-B und Social Media stünde. Von einem Keynote-Schluss-Speaker sollte man eigentlich erwarten, dass er jetzt nur so mit Cases aufwarten kann. Leider Fehlanzeige. Natürlich gibt es bereits jede Menge an Cases. Aber erfolgreiche Cases? Was heißt denn eigentlich erfolgreich? Sind es die Anzahl der Posts oder Likes? Ist es die Anzahl der Fans? Oder doch die Qualität? Messe ich die Anzahl der Leads? Meine Klicks auf der Homepage, die durch Social-Media-Aktivitäten gesteigert wurden?

Trotz intensivem Benchmarking blieb einzig der Verweis auf kommende Bachelor- und Diplomarbeiten zum Ende des Sommersemesters. Nicht gerade befriedigend. Aber auch kein Wunder. B-to-B und Social Media entwickeln sich jetzt langsam, aber kontinuierlich. Die gute Nachricht: Keiner hat bisher etwas verpasst, wenn er da noch nicht aktiv war, vorausgesetzt, er hat sich zumindest erste Gedanken gemacht. Wer jetzt Social Media plant und intern ausgiebig diskutiert hat, kann durchaus einen substanziellen Start hinlegen. Versuchen Sie es mit kleinen Schritten. Entwickeln Sie erst eine Idee, die zur Gesamtstrategie passt.

Machen Sie Fehler, nehmen Sie das Feedback wahr, und trauen Sie sich loszulassen. Digitale Öffentlichkeit ist nicht steuerbar, das müssen Sie dabei unbedingt wissen. Man kann mögliche Reaktionen nicht wirklich planen, man muss auf Überraschungen vorbereitet sein. Werden Sie im Vorfeld unbedingt zum Jäger und Sammler von Kunden-Insights. Je mehr Sie über Ihre Zielgruppe wissen, umso besser und einfacher können Sie Ihre ersten Social-Media-Gehversuche wagen.

Was treibt die Zielgruppe (um)?

Wenn man seine Kunden und Zielgruppen ernst nimmt und auf Augenhöhe mit ihnen sprechen will, dann sollte man zuallererst einfach mal hinsehen, was die Zielgruppe so treibt und vor allem auch umtreibt. Alles andere ist im Social Web zum Scheitern verurteilt. Soziale Aktivitäten beginnen also nicht mit einer großen, teuren Kampagne, Social-Media-Marketing für B-to-B-Unternehmen ist erst mal ganz einfach: zuhören, aufpassen. Dabei ist sehr hilfreich: Social Media Monitoring zu betreiben und personelle Ressourcen entweder im Unternehmen zu schaffen oder entsprechende Dienstleister eng an sich zu binden. Die größte Herausforderung: interne Prozesse definieren und in jedem Fall personell vorbeugen. Ansonsten: Finger weg von Social-Media-Experimenten!

Woran um Himmels Willen muss ich noch alles denken, wenn ich Social Media ernsthaft in Erwägung ziehe? Man sollte beispielsweise über die so genannten Social Media Ripples Bescheid wissen. Das sind die Wellenbewegungen, die entstehen, wenn man die verschiedenen Plattformen - also Foren, Blogs, Communities etc. - miteinander koppelt. Und dann muss man wissen, wie man Reichweite aufbaut, Kundenbindung schafft, wie man Tracking-Zahlen interpretiert, passende Kennzahlen definiert, wie das so in Sachen Recht und Social Media Guidelines im Unternehmen läuft etc. etc.

Wenn die Zeit wirklich reif sein sollte, dann müssen Sie sich wenigstens Gedanken machen, ob denn personelle und/oder finanzielle Ressourcen geschaffen wurden, um mögliche Strategien tatsächlich anzupacken und in die Realität umzusetzen.

7 goldene Regeln:1. Sei authentisch
2. Habe Mut
3. Beziehe deine Kunden mit ein
4. Höre deinen Kunden zu
5. Stelle dich der Kritik
6. Lasse dich auf Kontrollverlust ein
7. Schaffe Ressourcen im Unternehmen

Oder lasse Social Media erst einmal bleiben! Kurzum: Ohne Dirigent brauchst du mit deinem Marketing-orchester nicht auf Tournee zu gehen.

Der Autor:Prof. Hansjörg Zimmermann, Studiengangleiter Online-Marketing an der DDA München und Köln. Gründer Das Goldene Vlies GmbH, Partner von I-Cod, Institute for Community Design, Development and Dynamics, Professor für Mediendesign an der MHMK München

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