Thomas Scheuer: Aufwand ohne Erfolg - empirische Studie zum Dienstleistungsmarketing

von Gastbeitrag

Die Zahlen unserer aktuellen empirischen Dienstleistungsmarketing-Studie 2010 mit über 200 beteiligten Dienstleistungsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (82 Prozent davon im Business-to-Business-Segment) liegen nun vor und zeigen erstmals auf, wie es um das operative und strategische Marketing in den Dienstleistungsbranchen bestellt ist. Dass das strategische Marketing nachrangig behandelt wird, war zu vermuten. Aber es ist schlimmer, als zu befürchten war.

Der Reihe nach - und wir beginnen mit interessanten Kennzahlen. Stets werden wir von unseren Kunden gefragt, was andere vergleichbare Unternehmen für ihr Marketing aufwenden. Bislang fehlten, von einzelnen Werten abgesehen, repräsentative Aussagen dazu. Nun liegen sie vor und zeigen - insbesondere in Anbetracht der Unternehmensgrößen - erstaunliche Ergebnisse. So geben Dienstleistungsunternehmen im Durchschnitt erhebliche 7,2 Prozent ihres Umsatzes für Marketingmaßnahmen aus. Im Vergleich: Die durchschnittlichen Aus-gaben für Aufbau und Pflege der IT-Infrastruktur liegen bei 4,2 Prozent des Umsatzes. Während eine funktionierende IT prozessrelevant ist, wurde bislang davon ausgegangen, dass das Marketing eher stiefmütterlich behandelt werden kann. Mitnichten, denn nicht zuletzt die modernen Instrumente (AdWords oder Anzeigen bei Facebook & Co.), deren Wirkung unmittelbar erkennbar ist, lassen die Werbebudgets vor allem bei kleineren Dienstleistern deutlich ansteigen. In der Tat sind die ganz kleinen Dienstleistungsunternehmen (mit weniger als neun Mitarbeitern und weniger als 2 Mio. Euro Umsatz) ganz vorn: Sie investieren satte 9,5 Prozent ihres Umsatzes für Marketingmaßnahmen. Enorme Werte, insbesondere wenn wir sie vergleichen mit denen der großen Unternehmen. Dort liegt der Umsatzanteil für Marketing bei niedrigen 2,6 Prozent - absolut gesehen aber immer noch hohe Budgets, die selbst mittelständische Unternehmen nicht aufbringen können.

Während ein produzierendes Unternehmen sein haptisches Produkt präsentieren kann, bleibt dem Dienstleistungsunternehmen kaum mehr als ein Leistungsversprechen. Daher ist aufgrund der Immaterialität der Dienstleistung die professionelle Darstellung des Dienstleisters selbst existenziell wichtig. Während Konsumenten nahezu egal ist, wo und unter welchen Bedingungen ein Produkt wie ein Keks oder ein Buch produziert wurde, so ist im Vertrieb von Dienstleistungen das Sichtbare und Wahrnehmbare des Erbringers von höchster Bedeutung. Zunehmend mehr Dienstleistungsunternehmer und Freiberufler erkennen die Notwendigkeit eines hochprofessionellen Erscheinungsbildes - beginnend mit der Basisausrüstung wie Corporate Design auf Website, Briefbogen, Broschüren bis eben hin zu weiteren sichtbaren Elementen wie dem Personal (Corporate Clothing), repräsentativen Räumen, Gerätschaften (Notebooks, Notizblock) oder Fahrzeugen. Die sogenannte Ausstattungspolitik als Bestandteil des Marketingmixes tritt also aus ihrem Schattendasein heraus.

Viele der dabei entstehenden Kosten sind recht fix, was den hohen Umsatzanteil bei Kleinstunternehmen erklärt. Doch es geht weit darüber hinaus: Je kleiner die Unternehmen, desto seltener gibt es ein strategisch betriebenes Marketing. Im Gegenteil, denn das situative Marketing nach subjektiven Empfindungen des Unternehmens hat die Oberhand. Nur weil man selbst noch die Gelben Seiten benutzt, ist die Verwendung in der Zielgruppe womöglich schon lange nicht mehr üblich - sie sind schon lange zu Google & Co. abgewandert. In unserem Beratungsalltag stoßen wir bei Neukunden stets darauf: Unzählige Maßnahmen werden durchgeführt, was fehlt, sind Strategie und Erfolg dabei. Dabei kann man es nicht besser auf den Punkt bringen, als es Mark Twain schon gesagt hat: "Nachdem wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen."

66 Prozent der Unternehmen ohne Marketingkonzept
In der Theorie jedoch ist es den Unternehmen schon klar, wie es richtig gemacht werden sollte. Daher sind immerhin 75 Prozent aller Dienstleistungsunternehmen der Meinung, dass strategisch ausgerichtetes Marketing erfolgreicher als das rein situative Agieren ist. Konsequenzen daraus ziehen aber eben leider wenige, nicht zuletzt, weil ihnen die Alternative unbekannt ist. Viele Unternehmer (insbesondere wenn sie keinen betriebswirtschaftlichen Background haben) sind erstaunt, dass Marketing ein strategisches Vorgehen und weit entfernt von reiner situativer Kommunikationspolitik ist. Für Berater und konzeptionelle Agenturen gleichermaßen steht also weiterhin Pionierarbeit auf der Agenda. Insbesondere die Agenturen aber tun sich schwer damit, sich diese durchaus intensive und zeitaufwändige Arbeit angemessen vergüten zu lassen - solange viele Unternehmen die Notwendigkeit nicht verstehen, bleibt es schwierig.

In den Unternehmen fängt es schon damit an, dass die Basisarbeit schlichtweg nicht gemacht wird: 53 Prozent der Dienstleister beschäftigen sich nicht mit ihren Mitbewerbern, ein Drittel nicht mit ihrer Branchenentwicklung, 44 Prozent haben keine Kundensegmente definiert (und der Rest differenziert sein Marketing trotzdem kaum) und nur 47 Prozent geben überhaupt an, dass das Unternehmen eine klare Marktpositionierung innehat. Was daraus resultiert, ist klar: 66 Prozent der Dienstleistungsunternehmen haben kein Marketingkonzept (immerhin fehlt es sogar bei 52 Prozent der großen Dienstleister), bei 50 Prozent mangelt es auch an einem Kommunikationskonzept, und eine Werbeplanung macht auch nur rund die Hälfte. Bei der Auswertung des daraus resultierenden Erfolgs konnte festgestellt werden, dass Unternehmen mit einem reinen Kommunikationskonzept im vergangenen Jahr unterdurchschnittliche Wachstumsraten erzielten. Das zeigt, dass reine Werbung ohne weiterführende Strategie und die Vernachlässigung der sechs weiteren Segmente des Marketingmixes weniger erfolgreich sind.

Unterm Strich stellen wir fest, dass sich die Marketingausgaben bei strategischem Marketing nicht erhöhen müssen - teils sogar gesenkt werden können. Denn wenn die relevanten Zielgruppen, die klaren und überzeugenden Kommunikationsinhalte und eine exakte Marktpositionierung definiert sind, ist Schluss mit dem Gießkannenprinzip und daraus resultierenden mittelmäßigen Erfolgen. Denn dann kann gezielt geworben und vertrieben werden - statt eher unregelmäßiger Gießkanne jetzt also die kontinuierliche Tröpfchenbewässerung. Das ist es, was es braucht, um den bei Dienstleistungen so nötigen Bekanntheitsgrad und Vertrauensaufbau zu gewährleisten: eine kontinuierliche und regelmäßige Kommunikation mit potenziellen Kunden. Mitunter Monate und Jahre, bis eben der Bedarf besteht. Das schafft kaum ein Marketingbudget, wenn nicht vorher die Zielgruppen sauber definiert und nach ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit analysiert wurden. Ist das aber gemacht, führen nachweislich weniger Ausgaben zu mehr Erfolg - das nennt man Effizienz im Marketing.

In den meisten Unternehmen aber sieht es leider noch anders aus. Getreu dem Motto "Wenn wir schon das Geld womöglich sinnlos zum Fenster hinausschmeißen, dann wollen wir wenigstens selbst daran glauben" führen nur 23 Prozent der Dienstleister ein Marketingcontrolling durch. Unglaublich, nicht wahr? Mehr als drei Viertel der Firmen interessiert nicht, was wirkt und warum. Nicht nur fehlendes Personal und weitere Kosten fürs Controlling lassen die Firmen davor zurückschrecken. Zugegeben, es macht mehr Spaß, zu kreieren und die nächste Kampagne anzustoßen, als wie ein Erbsenzähler aus der Buchhaltungsabteilung den Erfolg bisheriger Aktionen auszuwerten. Dennoch: Wer nicht kontrolliert und steuert, wird auch in Folgeperioden ohne fundiertes Wissen genauso unstrategisch bei passender wie unpassender Gelegenheit sein Marketinggeld (fehl-)investieren. Ohne zu wissen, was sich warum gelohnt hat oder wo auf falschem Boden gesät wurde.

Mittelstand tut sich schwer mit modernen Kommunikationsinstrumenten
Ebenso interessant an den Studienergebnissen ist die Verwendungshäufigkeit einzelner Kommunikationsinstrumente: Hier zeigt sich, dass der deutsche Mittelstand (und hier geht es nicht um traditionelle Branchen wie Maschinenbau, sondern um moderne Dienstleister wie Finanzinstitute, Versicherer ...) sehr konservativ agiert. Weniger als kleinste oder kleine Dienstleister greifen die Mittelständler zu modernen Instrumenten und verschmähen diese nahezu.

So setzen nur 17 Prozent der mittelständischen Dienstleistungsunternehmen häufig Suchmaschinenmarketing ein - fast nur halb so oft wie kleinste und kleine Dienstleister. Blogs setzen bislang nur 7 Prozent der Mittelständler "gelegentlich" ein - dagegen arbeiten 22 Prozent der Kleinstunternehmen "häufig" damit. Es offenbart sich die Wendigkeit der Kleinen gegenüber den Etablierten. Bevor sich die Marketingmaschinerie inklusive ihr zugeordneter Entscheiderebenen im wohl etwas behäbigen Mittelstand in Bewegung setzt, fährt der Freiberufler oder kleinere Dienstleister schon längst Erfolge ein.

Für die Marketingdienstleister indes lässt sich daraus eine Reihe von Maßnahmen ableiten, unter anderem die der Zielgruppenspezialisierung. Entweder man umwirbt die Großunternehmen oder aber die kleineren Firmen - der Mittelstand ist konservativ und (das ergeben weitere Studienergebnisse) versucht es eher selbst, als dass er Werbeagenturen, SEO-Spezialisten oder andere Dienstleister hinzubittet. Es gibt sie also noch, die erheblichen Potenziale für Strategen und Kreative - und so ganz nebenbei zeigt sich auch immer wieder eine Nische, die es zu besetzen gilt.

Der Autor: Thomas Scheuer ist Inhaber der Scheuer Marketingberatung mit Sitz in Hannover und München

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