von Gastbeitrag
Mit dem Prinzip Nudge sorgt Ihre Kommunikation effizient für Veränderung. Wir alle wissen: Salat und Früchte sind gesünder als Hamburger und Sahneschnitten. Und doch landen Letztere viel öfter auf unserem Teller. Wir sind nämlich nicht immer ein vernünftiger Mister Spock, sondern häufig auch ein unvernünftiger Homer Simpson. Das heißt aber nicht, dass sich unser Verhalten nicht beeinflussen lässt. Ein Experiment der amerikanischen Cornell University zeigt: Hängen in Kantinen Spiegel, greifen die Leute viel öfter zu Salat und Früchten - sie sehen nämlich ihre überzähligen Pfunde.
Diese Spiegel nenne ich mit einem Ausdruck der beiden US-Professoren Cass Sunstein und Richard Thaler einen "Nudge", einen freundschaftlichen Schubser.
Mit Kreativität radikale Veränderung bewirken
Was ist ein Nudge? Ein Nudge nutzt Kreativität, um eine radikale Veränderung zu bewirken. Und gerade darum muss es auch in der Kommunikation gehen: Zu lange haben wir Werber den Fokus auf die bloße Erzielung von Aufmerksamkeit gelegt. Das Prinzip Nudge nutzt demgegenüber die Aufmerksamkeit zur Veränderung - Veränderung der Bekanntheit, des Wissens, der Einstellung und des Verhaltens.
Nudge-Kreativität ist in diesem Sinne Veränderungs-Kreativität. Sie nutzt die Kraft einer guten Idee, um auf möglichst effiziente Art Veränderung zu bewirken. So wie etwa bei folgenden Beispielen:
- Männer wollen zielen: Wenn in Urinalen eine Fliege klebt (es kann auch ein Fußballtor sein), geht 85% weniger auf den Boden. (Sehr zur Freude des Reinigungspersonals.)
- Je grüner er leuchtet, desto besser: Der Wattson-Energy-Meter ändert je nach Energieverbrauch eines Haushalts die Farbe. Und führt dadurch zu einem bewussteren - sprich: geringeren - Stromverbrauch.
- Ein Nudge, der Leben rettet: Auf dem Lake Shore Drive in Chicago hat man vor gefährlichen Kurven das Gefühl, zu schnell zu fahren - und bremst darum. Die Illusion entsteht durch Linien auf der Straße, deren Abstände immer kleiner werden.
- Zeit ist Geld, tatsächlich: Der Wecker Sn?zNL?z überweist jedes Mal, wenn am Morgen nach dem Klingeln einfach die Schlummertaste gedrückt wird, via E-Banking Geld an jemanden, den man hasst. Also etwa an DIE LINKE, wenn der Morgenmuffel CSU-Wähler ist.
Kleine Ursache, große Wirkung
Auch wenn dieser Wecker erst ein Aprilscherz auf thinkgeek.com war (Warum eigentlich? Wir würden das Ding sofort kaufen!): Mit dem Prinzip Nudge, das nach dem Grundsatz "kleine Ursache, große Wirkung" effizient für Veränderung sorgt, arbeitet unsere Agentur schon seit Jahren. Und das mit großem Erfolg für unsere Kunden.
Ein paar Beispiele:
Unser Kunde: Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG).
- Die Ausgangslage: In den nächsten 10 bis 15 Jahren müssen in der Schweiz unzählige Ölheizungen ersetzt werden. Das Problem: Alternative/nachhaltige Energieträger sind im Trend, nicht zuletzt aufgrund staatlicher Förderung. Und die Umweltvorteile von Erdgas gegenüber Erdöl sind zu wenig bekannt.
- Die notwendige Veränderung: Erdgas - ob nun allein oder in Kombination mit alternativen Energien - soll zur ersten Wahl bei Neubauten und Sanierungen werden.
- Unser Nudge: Mit einer Wissenskampagne, welche die richtigen Argumente für die Diskussion über Energieträger im Kreis von Nachbarn oder Investoren liefert, machen wir Erdgas zur vernünftigsten Option bei der Energie-Entscheidung. Ganz im Sinne unseres Claims: "Erdgas. Die Energie mit Zukunft."
Unser Kunde: die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra).
- Die Ausgangslage: Jeder braucht Strom, und jeder weiß auch, dass dieser zu einem großen Teil aus Atomkraft stammt. Aber niemand ist bereit, dort zu wohnen, wo radioaktive Abfälle entsorgt werden.
- Die notwendige Veränderung: Die Bevölkerung derjenigen Schweizer Regionen, deren Geologie sich für die sichere Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle eignet, soll ihre Ängste und Vorurteile abbauen.
- Unser Nudge: Statt zu beschönigen und Sand in die Augen zu streuen, setzen wir auf radikale Ehrlichkeit. Denn mit unserer überraschenden Kampagne machen wir deutlich, dass die Nagra die Sorgen der Bevölkerung absolut ernst nimmt. Und machen sie dadurch zu einem glaubwürdigen Dialogpartner.
Unser Kunde: das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich.
- Die Ausgangslage: Fast jeder zweite Zürcher hat Übergewicht. Und fast jede vierte Zürcherin auch. Mit fatalen Folgen. Denn Übergewicht macht krank. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Kommt hinzu: Die Kosten dieser ungesunden Entwicklung betragen im Kanton Zürich 900 Mio. Franken pro Jahr.
- Die notwendige Veränderung: Die Bevölkerung des Kantons Zürich soll auf mehr Bewegung und ausgewogene Ernährung achten.
- Unser Nudge: Weil die Übergewichtigen gesundes Körpergewicht als etwas Unerreichbares empfinden, lassen sie sich immer neue Ausreden einfallen, warum sie nicht abnehmen können: Sie haben keine Zeit, sich sportlich zu betätigen; sie sind zu beschäftigt, um sich nicht von Mikrowellen-Food zu ernähren; sie fühlen sich (angeblich) wohl mit einer paar Kilos zu viel etc. Dank einfacher Tipps, die auf die jeweilige Situation Bezug nehmen, zeigt unsere Kampagne demgegenüber auf, wie einfach man im Alltag für mehr Bewegung und ausgewogene Ernährung sorgen kann. Dadurch wird klar, dass man dem als übermenschlich empfundenen Ziel "gesundes Körpergewicht" auch mit kleinen Schritten näherkommen kann. Sprich: Die notwendige Veränderung überfordert nicht mehr, sondern wird als etwas Machbares, ja sogar als etwas, was Spaß machen kann, empfunden.
Kommunikation mit maximalem Impact
Das Prinzip Nudge führt folglich zu einer Art Kommunikation, die maximalen Impact hat und doch nicht durch Kreativität um ihrer selbst willen nervt. Durch die richtigen Impulse, Anreize und Argumente leistet eine Nudge-Kampagne unablässig sanfte Überzeugungsarbeit und löst dadurch einen inneren Prozess aus, an dessen Ende eine selbst bestimmte Veränderung steht.
Dieser Aspekt der Selbstbestimmung und Selbstbefähigung, die Tatsache, dass durch Nudges nicht einfach Botschaften aufgezwungen, sondern für sich selbst entdeckt werden, hat einen wesentlichen Vorteil: Werbung, die auf dem Prinzip Nudge beruht, ist effizienter, da sympathischer. Sie zwinkert dem Konsumenten gleichsam zu: "Ich weiß, dass du weißt, dass ich dir etwas verkaufen will." Und eliminiert so die Kluft zwischen dem, der wirbt, und dem, der umworben wird.
Von Obama lernen
Ein weiteres Beispiel für die Kraft des Prinzips Nudge ist die Online-Kampagne, die Barack Obama wenige Tage vor den letzten Präsidentschaftswahlen lancierte: Millionen von Amerikanern sahen auf der Website cnnbcvideo.com eine packend gemachte News-Story darüber, dass John McCain aufgrund eines Vorsprungs von nur einer Wählerstimme Präsident geworden sei. Die "New York Times" habe jetzt den Namen des Nichtwählers veröffentlicht, der für Obamas Niederlage verantwortlich zeichne.
Und nun der Clou: Der Name des Nichtwählers in der Schlagzeile der "New York Times" war der der Person, die sich diese fiktive News-Story gerade ansah. Und so ging es munter weiter: Mal sah der Zuschauer seinen Namen zusammen mit dem Kommentar "Loser!" auf eine Wand gesprayt, mal tauchte er auf Transparenten von demonstrierenden Obama-Anhängern auf, mal wurde er in TV-Berichten über jubelnde Republikaner eingeblendet, bis die Auflösung der fiktiven Story kam: "Das muss nicht unsere Zukunft sein", gefolgt vom Namen des Zuschauers: "Wähle am 4. November Obama."
Eine Nudge-Kampagne informiert also nicht einfach - sie involviert und aktiviert. Plus: Statt wie Crossmedia durch eine möglichst große Anzahl Kanäle letzten Endes nur zum Informations-Overkill beizutragen, führt das Prinzip Nudge zu etwas viel Wertvollerem als Touchpoints - zu Nudge-Points und damit tatsächlichen Points of Influence.
Konsequente Wirkungsorientierung
Oder anders formuliert: Crossmedia ist momentan ein derartiger Hype, dass dieser Kommunikationsansatz nur zuhäufig zum Selbstzweck verkommt. Natürlich ist es richtig, dass die Zeiten der Einweg-Breitenkommunikation vorbei sind. Doch die Verbindung einer möglichst großen Anzahl Medien allein kann nicht die Lösung sein. Im Gegenteil: Crossmedia-Kampagnen laufen Gefahr, mit ihrer Maximierung der Medien die allgemeine Werbeverdrossenheit noch zu verstärken. Durch seine konsequente Wirkungsorientierung dient hier das Prinzip Nudge als Korrektiv: Man MUSS nicht immer über eine Vielzahl von Kanälen kommunizieren. Aber man muss so kommunizieren, dass eine Kampagne eine tatsächliche Veränderung bewirkt.
Bei Matter & Gretener stellen wir dies auf zweifache Weise sicher: Zum einen gibt es ein klar definiertes Vorgehen zur Nudge-Findung, wobei wir uns auf Erkenntnisse aus Behavioral Economics, Neurobiologie und Persuasionsforschung stützen. Zum andern evaluieren wir die Wirksamkeit eines Nudge mit der objektivsten Methode, die es gibt: Durch die Zusammenarbeit mit Verhaltensökonomen haben wir Zugang zu einem Neuroscanner, der die Effizienz von Nudges dort misst, wo sie tatsächlich wirken müssen - in den Hirnen der Zielgruppe nämlich.
Have you been nudged? Mehr Informationen über die Kraft der sanften Schubser erhalten Sie auf www.mattergretener.ch, besuchen Sie unsere Facebook-Seite (Matter & Gretener) oder folgen Sie uns auf Twitter (mattergretener).
Der Autor: Marcus Gretener ist Beratungsleiter und Mitinhaber der Werbeagentur Matter & Gretener in Zürich
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