Klaus Bernsau: Kommuniziert endlich! Oder wisst ihr nicht, was ihr da tun. (Teil I)

von Gastbeitrag

"Du kannst nicht nichtkommunizieren" Paul Watzlawik, Menschliche Kommunikation "Der Rest ist Schweigen." Shakespeare, Hamlet, 5. Akt, 2. Szene

Ein Forumsbeitrag von Klaus Bernsau, Gründer und Inhaber von KMB, Konzept Management Beratung für Unternehmenskommunikation in Wiesbaden.

Ein Appell an Medien und Unternehmen?
Kommunikation ist in aller Munde. Ob in der Informations- und Kommunikationsindustrie ein Rettungsanker für die schwächelnde Wirtschaft gesehen wird. Ob Manager und Mitarbeiter bessere Kommunikationsfähigkeiten haben müssen und Frauen deswegen die Führungskräfte der Zukunft sind. Ob Migranten oder ehemalige Ministerpräsidenten zum Sprachtest sollen, um zu belegen, dass sie überhaupt mit ihrer Umwelt in Kontakt treten wollen. Oder ob Abertausende von Kommunikationsbotschaften beklagt werden, die täglich via Medien auf uns einstürzen. Kommunikation scheint der Nabel unseres modernen Lebens zu sein.

Aber was ist Kommunikation eigentlich? Wissen wir, was wir da tun, wenn wir kommunizieren? Können wir Kommunikation von Information, Wissen oder Medium unterscheiden? Warum wird alles Kommunikation? Der Unter-nehmenssprecher zum Leiter Unternehmenskommunikation. Die elektronische Datenverarbeitung zur Kommunikationstechnologie. Werbeagenturen zu Kommunikationsagenturen. Selbst ein neues Unigebäude muss "in Stein gebaute Kommunikation" sein. Ist Kommunikation nicht das beste Beispiel dafür, was Uwe Pörksen schon Ende der 80ger-Jahre (Klett-Cotta: 1988) des letzten Jahrtausend "Plastik-wörter" genannt hat? Austauschbare, leere Worthülsen, die nur den Anschein von Wissenschaftlichkeit erwecken. Und ist der Kommunikationsbegriff überhaupt was wert, wenn es Nichtkommunikation nicht gibt?

Was tun wir da eigentlich? Das große Missverständnis
Es geht hier keinesfalls um akademische Spitzfindigkeiten wie die Frage, wie viele verschiedene Definitionen es für Kommunikation gibt (160 nach der bekannten Studie von Klaus Merten von 1977) und welche die richtige ist. Sondern es geht darum, dass das permanente Reden von Kommunikation den Blick auf die Realität unseres Miteinanders und unserer Wahrnehmung verstellt. Durchaus in allen Konse-quenzen dieses synästhetisch schiefen Bildes. Das Rauschen des Begriffes ist so stark, dass es alle Sinne vernebelt. Und das hat schwerwiegende Folgen für unsere gesamte Gesellschaft, namentlich für Wirtschaft, Politik und Kultur, aber eben auch für jeden Einzelnen von uns.

Mit keinem zentralen Begriff in Unternehmen und Organisationen wird so fahrlässig, unwissenschaftlich und unprofessionell verfahren wie mit Kommunikation. Wenn man den Nebel lichten will, kann man fünf zentrale Vorurteile ausmachen, die das Reden von Kommunikation mit sich bringt, die aber den menschlichen Grundlagen der Wahrnehmung und der Bildung von zwischenmenschlichen Beziehungen zuwiderlaufen.

Kommunikation ist extrem stark mit dem technisch eingefärbten Bild vom Sender und Empfänger verknüpft. Kommunikation wird dadurch in unserer Vorstellung zu einem linearenVorgang verfälscht, in dem es einen aktiven und einen passiven Part gibt.

Kommunikation wirkt für uns spätestens seit der Medienrevolution durch Computer, Internet und mobile Endgeräte gleichermaßen entmenschlicht und entmaterialisiert. Dabei ist und bleibt die menschliche Beschäftigung mit Inhalten und Mitmenschen das knappe Gut und nicht die Speicherkapazität oder die Datenübertragungsrate.

Kommunikation ist allgegenwärtig und unvermeidlich. Das beschert ihr eine Doppelköpfigkeit, bei der ihr auf der einen Seite extrem viel zugetraut wird, im Guten wie im Bösen, bei der ihr aber auf der anderen Seite extrem wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung geschenkt wird, weil sie eben als Selbstverständlichkeit, auch als selbstverständliche Fähigkeit, vorausgesetzt wird.

Kommunikation wird für ein gestaltbares Objekt gehalten. Kommunikation entspricht dann einem Bild oder einem Tongefäß, bei dem man Form und Inhalt bestimmen kann. Kommunikation werden damit fälschlicherweise ein eigener Wert und eine eigene Macht zugetraut. Massen- und Medienkommunikation werden für etwas grundlegend anderes und Neues im Vergleich zum menschlichen Zwiegespräch gehalten. Medien würden erst die Gesetzmäßigkeiten erzeugen, nach denen sie genutzt werden.

Diese Vorurteile sind jedoch nach den aktuellen Erkennt-nissen der Kommunikationsforschung so nicht haltbar. Vielmehr sind sie, wie schon angedeutet, der Schlüssel, um die Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten zu verstehen, mit denen wir als Einzelmenschen oder als Funktionsträger mit Kommunikation zu kämpfen haben.

Kommunikation wirkt nicht - egal ob Print, TV oder Web
In einer ganz aktuellen Studie (absatzwirtschaft 1-2/2010) zur Wirkung von Markenwerbung im Jahr 2009 in Deutsch-land wird Media Markt als das am besten abschneidende Unternehmen präsentiert. Mit dem Ergebnis, dass 3 Prozent aller Befragten sich aktiv, ungestützt an Werbung von Media Markt erinnern können. Auf den folgenden Plätzen nehmen die Prozentwerte rasch ab, sodass man es noch mit Werten unter 1 Prozent in die Top Twenty der werbenden Unternehmen schafft.

Die Tatsache, dass 97 Prozent aller Bürger von der Media-Markt-Werbung trotz Dauerberieselung über TV-Spot, Beilage und Plakat und konzertiertem Auftreten mit dem Comedian Mario Barth völlig unberührt bleiben, muss allen Controllern eine Steilvorlage liefern, die im Werbebudget schon lange die Geldverschwendung Nr. 1 wittern. Plötzlich ist der alte Spruch von Henry Ford, dass 50Prozent des Budgets zum Fenster rausgeschmissen sind, eine reine Schutzbehauptung von Werbeunternehmen, denn es sind ja bei den meisten Unternehmen praktisch 100Prozent.

Keine Angst, liebe Agenturen und Medien, ich will hier keinesfalls dem Abstellen aller Werbung das Wort reden. Ich will aber auf ein typisches und weit verbreitetes Missverständnis zur Kommunikation hinweisen - unter dem eben auch Markt- und so genannte Kommunikationsforscher leiden. Kommunikation wirkt nicht. Sie kann nicht wirken, weil Kommunikation keine eigenständige Kraft ist, die auf Menschen Einfluss haben könnte. Kommunikation ist - bei allen Unschärfen - ein Prozess, bei dem sich zwei Menschen darauf einlassen, zusammen an einem gemeinsamen Verständnis einer Sache oder eines Sachverhaltes zu arbeiten. Und das ist im einfachsten Fall immer ein Prozess zwischen zwei Personen, die sich in physischer Nähe und gegenseitiger Wahrnehmung befinden. Wir lernen kommunizieren - es ist vielleicht auch besser, vom Nomen auf das Verb zu wechseln - zum Beginn unseres Lebens, wenn wir erfahren, wie Menschen auf unsere Äußerungen, von Lauten und Bewegungen bis hin zu Körperflüssigkeiten, reagieren und wie wir deren Verhalten zu deuten haben.

Sehr gut hat das kürzlich Michael Tomasello in seinem Buch "Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation" (Suhrkamp 2010) beschrieben: Das ist von Anbeginn an ein fehleranfälliger Prozess und wird es ein Leben lang bleiben. Aber mit der Zeit stellt sich das gute Gefühl einer gewissen Sicherheit beim Kommunizieren ein. Diese Sicherheit ist lebenswichtig und weit wichtiger als ein nie zu erreichender Abgleich mit einer - wie auch immer - beschaffenen Realität da draußen außerhalb unseres Kopfes. Das heißt, der Hörer, Seher, Empfänger, also der Konsument, wird mit seinen ursprünglichen interpretatorischen Fähigkeiten zum beherrschenden Faktor auch in der Massenkommunikation. Zentral für den Erfolg von Unternehmen ist es, die Erkenntnisse, die wir über diesen menschlichen Kommunikationsprozess besitzen, in die Organisation und das Management von Unternehmenskommunikation zu integrieren.

Wie Unternehmen ihre sprichwörtliche Aphasie überwinden, darüber erfahren Sie mehr im zweiten Teil dieses Textes.

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