von Gastbeitrag
Das iPad hat innerhalb weniger Wochen einen größeren Hype verursacht, als das iPhone, und viele erwarten eine Revolution in der Art und Weise, wie wir Computer zukünftig nutzen. Die Nachfrage ist so groß, dass sogar der Verkaufsstart in Europa verschoben wurde und alle Wettbewerber unter großem Zeitdruck eigenen Produkte und -plattformen entwickeln. Was aber bedeutet die Einführung des iPad und anderer Tablets tatsächlich für die Werbewirtschaft? Begegnen Werbetreibende neuen technischen Herausforderungen? Wo liegen die Chancen für kreatives Marketing? Diesen Fragen geht Agenturchef Mike Petersen in einem Gastbeitrag für ONEtoONE nach.
Die Nutzung des Internets wird sich durch die Tablets ändern. Es ist unbestreitbar, dass das iPad dem Streben der Verbraucher nach mehr Nutzerfreundlichkeit, Luxus und Komfort nachkommt: Surfen und Bewegtbildmedien konsumieren in individuellen Sitz- und Liegepositionen auf dem Sofa - ohne störendes Stromkabel, ohne aufzuklappenden Laptopdeckel. Das ist ein Gewinn. Zudem erhält der Browser als "Fenster zur Welt" ernsthafte Konkurrenz durch tausende clevere Applikationen. Einfachheit und Komfort in der Bedingung gehen allerdings einher mit Abstrichen in der Offenheit des Systems. So lässt Apple z. B. kein Flash zu, weil es zu viel Rechnerleistung und Energie benötigt. Auch ist das System nur mit ausgewähltem Zubehör kompatibel, anders z. B. als ein Notebook. Andere Hersteller gehen hier unterschiedliche Wege, aber grundsätzlich werden Tablets durch verringerte Komplexität die Nutzung für den Durchschnitts-User wesentlich vereinfachen.
Sicher ist, dass die Tablets zu einem Massenprodukt und die Gewohnheiten der Konsumenten nachhaltig ändern werden. Was müssen nun Unternehmen tun, um ihre Websites iPad-fähig zu machen? Und wie wird sich Online-Werbung verändern?
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Nutzung des iPads spaß- und erholungsorientiert ist. Es wird weniger Arbeitssituationen in der Anwendung geben, als mit herkömmlichen Computern. Zudem werden i. d. R. zur Bedienung weder Maus noch Tastatur genutzt werden. Zur Berücksichtigung grafischer und usability-relevanter Website-Anpassungen sind zwei Blickwinkel von Bedeutung.
Ein Vorteil der Tablets ist die flexible Nutzung. Sie sind auch im Liegen, auf dem Schoß oder einem Kissen zu bedienen. Dies schränkt allerdings oft die Bewegungsfreiheit der Arme ein, ein Aspekt der beim Aufbau von Navigationsstrukturen beachtet werden muss. Anbieter von Webinhalten sollten sich gut überlegen, wie sie die 180° Drehung des Inhalts von Hoch- auf Querformat und umgekehrt umsetzen. Gleichzeitig kann, wie bei einigen iPhone Apps gelernt, durch die 180° Drehung eine weitere Navigationsebene eröffnet werden, die in ein Gesamtnavigationskonzept eingebettet ist und somit wesentlich sein kann. Es gibt mittlerweile auch Navigationslösungen, die in die Tiefe gehen - auch ohne 3D. Optimierungen des Navigationsgedankens sind ein wesentlicher Punkt für die Verbesserung der Usability. Als sicher gilt, dass sich neue Strukturen und Navigationswege für Webseiten entwickeln werden.
Aber schon wenige einfache Änderungen können die Usability verbessern. So sollte z.B. vermieden werden, dass der User zur Navigation großräumig mit den Fingern über alle Bereiche des Tablet-Formats fahren muss.
Durch die neuartige Software und Hardware eröffnen sich viele Möglichkeiten, es werden allerdings auch Restriktionen vorgegeben, die es bei PCs bisher nicht gab. Integrierte GPS- und Mobilfunkmodule ermöglichen neue Anwendungen. Die Eingabe mit dem Finger und per Multitouch verändert das Verhalten der Nutzer. Ein Applikation ist ein völlig neuer Weg in der Kommunikation mit dem Kunden und muss in Überlegungen über die Marketingstrategie mit einbezogen werden. Der Verzicht auf Flash bei Apple ist dagegen ein Beispiel für eine Restriktion.
Erst die nächsten Generationen der Tablets werden zeigen, was sich als Standard bei der Soft- und Hardware durchsetzt und wohin sich das Design von Websites und Applikationen entwickeln wird.
Erste Schlussfolgerungen, aus den Usability-Überlegungen für das Tablet Design von User Interfaces sind:
- Redundante Navigation (Berücksichtigung von Links- und Rechtshändern)
- Lokale Nähe von zusammenhängenden Navigationselementen
- Aktive Entscheidung über 180° Drehung des Inhalts
- Kreation interaktiver Elemente und Werbemittel z.B. mit HTML 5 und Javascript
- Navigation in die Tiefe realisieren - nicht in die Länge (scrollen reduzieren)
- Unterstützung und Berücksichtigung von alternativen Eingabeaktionen, wie z. B. Multitouch
Werden auch in Zukunft Banner und Adwords die dominierenden Werbeformen im Netz sein? Oder wird die zunehmende Verbreitung von Tablets und App-Stores das Verhalten der User und damit auch die Werbung verändern? Schon jetzt ist klar, dass es Alternativen für die momentan auf Flash basierenden Banner geben muss. Das erfordert einige Umstellungen bei der Erstellung von Werbemitteln und deren Auslieferungsverfahren durch Vermarkter und Adserver. Es werden aber auch neue Werbeformen entstehen, wie z.B. Werbung in Applikationen - etwa die HTML 5 basierten Werbemittel, die in Apples iAd zum Einsatz kommen. Durch die GPS-Module in mobilen Geräten kann Werbung lokalisiert ausgeliefert werden. Insgesamt wird es für Werbetreibende deutlich mehr Alternativen geben, punktgenau die Zielgruppe online anzusprechen.
Aber auch die Industrie selbst wird sich verändern, mit Apple kommt ein weiterer Player in den Werbemarkt, der - nach Google - alte Geschäftsmodelle aufbricht. Apple vermarktet gezielt Werbeplätze in Applikationen und schafft damit einen völlig neuen und leicht zugänglichen Raum für Werbung, den es so vorher nicht gab. Für Mediaagenturen wird die Arbeit dadurch nicht leichter, und ihre Erlösmodelle werden in Frage gestellt.
Mobile Endgeräte werden vermutlich in wenigen Jahren die wesentlichen Geräte im privaten Kontext sein, die zur Darstellung von Internetinhalten genutzt werden. Gleichzeitig bauen sie auf anderen Strukturen auf als PCs und Notebooks bisher. Der mobile Medienkonsum wird exponentiell steigen und das Internet in allen Bereichen nachhaltig verändern. Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, die einen weiteren Quantensprung in der jungen und schnelllebigen Geschichte des Internets bedeutet. Was sich am Ende durchsetzen wird, ist in vielen Bereichen noch offen. Nur eins ist sicher, wenn man als Unternehmen oder Agentur jetzt nicht anfängt zu lernen und zu experimentieren, dann wird der Rückstand schon in kurzer Zeit nicht mehr aufzuholen sein.
Mike Petersen (38) ist Geschäftsführer der Berliner Internet Agentur Digiden GmbH. Die Agentur mit 30 Mitarbeitern entwickelt Online-Kampagnen, Websites und interaktive Applikationen und arbeitet unter anderem für die Deutsche Telekom, Musicload, BMW, Deutscher Sparkassen Verlag, Cornelsen, Scout 24 Gruppe, MAN und Honda Deutschland (Automobil, Motorrad, Industrie). Davor war er unter anderem Account Manager bei Publicis Berlin und Marketing Manager bei Berlinwasser.
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