Künstliche Intelligenz

Walz generiert ersten KI-Katalog

19.02.2025 - Erstmals testet das Versandhaus Walz einen Prospekt, der komplett durch eine Künstliche Intelligenz bestückt, gestaltet und generiert wird. ONEtoONE stellt den Case vor.

von Dominik Grollmann

Das Versandhaus Walz   , bekannt für seine Marken Baby-Walz, 'Die moderne Hausfrau' und Walzvital, gehört zu den etabliertesten Versandhändlern in Deutschland. Das Unternehmen kann auf eine mehr als 70jährige Geschichte zurückblicken - hat aber wenig Antrieb, sich auf diesem Erfolg auszuruhen. Im Gegenteil: Gerade an alteingessene Händler stellt die Digitalisierung oft besondere Herausforderungen, jederzeit die richtige Balance zwischen Modernität und Tradition zu finden. Bei Walz heißt das: Am besten funktionieren immer noch traditionelle Marketingkanäle wie Print, während zugleich die Digitaltechnik immer neue Maßstäbe in Sachen Effizienz und Geschwindigkeit setzt. Gar nicht leicht, alles unter einen Hut zu bringen.

Gelingen soll dieser Spagat nun mit der Einführung von Programmatic Printing. Unterstützt durch Algorithmen des KI-Anbieters Paraboost   aus Markgröningen, setzt der baden-württembergische Online-Händler nun auf einen datengetriebenen Ansatz, um Personalisierung, Effizienz und Relevanz zu vereinen.

Den Anfang soll die Marke "Die moderne Hausfrau" machen. Aus gutem Grund, wie Marc Eberle, Head of CRM & BI beim Versandhaus Walz, erklärt: "'Die moderne Hausfrau' ist ein sehr Print-getriebenes Geschäft. Das heißt, wir verschicken fast wöchentlich einen Katalog an unsere Top-KundInnen. Unser Ziel ist es, diesen Kanal mit den Möglichkeiten von KI und Digitaldruck effizienter und relevanter zu gestalten."

Herausforderungen durch hohe Streuverluste und niedrige Effizienz

Bisher basierten die Printkampagnen des Versandhändlers auf statischen und breit angelegten Ansätzen. "Unser Katalog wird ganz klassisch mit der Gießkanne verteilt. Er umfasst 260 Seiten und jede KundIn bekommt die gleichen 260 Seiten", sagt der CRM-Experte. Das führe zu hohen Streuverlusten, da viele Mailings nicht den individuellen Bedürfnissen oder Interessen der EmpfängerInnen entsprächen. Eberle: "Wer keinen Garten hat, kauft wahrscheinlich auch keine Gartenartikel. Der hat dann 40 Seiten mit völlig überflüssigen Artikeln von uns bekommen."

Der Kanal Print muss modernisiert werden. Nicht weil er schlecht verkauft, sondern weil er zu unflexibel ist. "Der Erfolg von Print hängt schließlich nicht nur vom Medium ab, sondern vor allem von der Passgenauigkeit der Botschaft", weiß Eberle. So warf der Dienstleister Paraboost eines Tages die Idee in den Raum, die Botschaften doch einfach mittels Künstlicher Intelligenz und Digitaldruck ganz individuell aufzubereiten. Die Idee gefiel sofort.

Programmatic Printing als Gamechanger

Für den ersten Versuch entschied sich Walz für die Gestaltung eines Achtseiters für die Top-KundInnen von "Die Moderne Hausfrau". Für diese Wahl spricht, dass zahlreiche aussagekräftige Kundendaten vorliegen, die den Test erleichtern. Außerdem ist der Achtseiter bei dieser Kundengruppe bereits bekannt und erprobt. Das bewährte Konzept des Mailings wurde daher nicht verändert. Der Prospekt enthält die Rubriken: Titelprodukte, Topseller, Lieblingsprodukte und Sparangebote. Eberle: "Wir wollten nicht das Mailing neu erfinden, sondern die Art und Weise, wie wir es bestücken."

Die komplette Produktauswahl wird deshalb der KI überlassen. Für die verschiedenen Katalogrubriken werden jeweils spezialisierte Algorithmen eingesetzt, um die exakt passenden Produkte zu finden. Dabei werden die individuellen Kaufgewohnheiten und historischen Erfahrungen der einzelnen EmpfängInnen berücksichtigt. "Das Ergebnis sind Hunderttausende von Mailings an unsere KundInnen, jedes ein Unikat. Keines gleicht dem anderen, jedes ist auf den individuellen Geschmack der EmpfängerInnen abgestimmt", schwärmt Eberle. Kurz: Wer keinen Garten hat, bekommt auch keine Gartenartikel.

Das Konzept von Programmatic Printing, die Kombination aus datengetriebenen Entscheidungsprozessen und moderner Drucktechnologie, ermöglicht es Walz, hochpersonalisierte Mailings in einem vollautomatisierten Workflow zu produzieren. Dafür müssen drei zentrale Datenstränge zusammenlaufen:

  • Kunden- und Transaktionsdaten: Aus den CRM-Daten und der Kaufhistorie der KundInnen werden die Next best Offers für jede Rubrik des Prospekts berechnet.
  • Artikeldaten und Bilder: Die KI platziert die Produkte auf dem Werbemittel, skaliert die Bilder und passt die Texte und Beschreibungen an. Dazu muss sie auf die Artikeldaten zugreifen können.
  • Mailing-Template: Für das Grundlayout des Mailings steht ein einheitliches Template mit entsprechendem Hintergrunddesign zur Verfügung, das in Zukunft aber auch individualisiert werden soll.

Digitaldruck rechnet sich schnell

Ist der Initialaufwand erst einmal bewältigt, lassen sich schnell Einspareffekte realisieren. Denn obwohl die Stückkosten im Digitaldruck höher sind als im Offset, spart das Versandhaus Walz unterm Strich bei jedem Mailing: Die Ausgaben für den Grafiker entfallen. Es werden keine Texter­Innen benötigt. Es gibt keine EinkäuferInnen, die das Mailing bestücken müssen, und keine DisponentInnen, die die Warenverfügbarkeit prüfen. Korrekturlauf, Andruck und Druckfreigabe entfallen ebenfalls. "Wenn ich die intern eingesparten Kosten gegen die höheren Druckkosten rechne, komme ich mit dem vermeintlich teuren Digitaldruck sogar günstiger davon", hat Eberle ausgerechnet.

Hinzu kommen weitere handfeste Vorteile: Bei einem herkömmlichen Mailing können gar nicht alle passenden Artikel angeboten werden. "Wenn wir zum Beispiel von einem Artikel nur noch fünf Stück auf Lager haben, können wir ihn unmöglich in ein Mailing mit einer Auflage von 100.000 Stück packen", erklärt Eberle. "Mit Programmatic Printing ist das möglich. Wir bewerben den Artikel genau so oft, wie wir es für nötig halten, um diese fünf Stück zu verkaufen." Restposten lassen sich so elegant vermeiden.

Das so produzierte Mailing ist nicht nur günstiger und flexibler, sondern vermeidet auch die üblichen Streuverluste und Zielgruppenkonflikte komplett, weil es genau auf die Bedürfnisse der EmpfängerInnen zugeschnitten ist. "So kann ich heute auf Knopfdruck ein komplett individualisiertes Mailing für meine KundInnen erstellen, das meinen Lagerbestand berücksichtigt und kaum interne Kosten verursacht", freut sich Eberle.

"Jeder noch so kleine manuelle Eingriff muss vermieden  werden ? das wäre bei Stückzahlen jenseits der 100.000  nicht mehr zu leisten." (Bild: Philipp Göller)
"Jeder noch so kleine manuelle Eingriff muss vermieden werden ? das wäre bei Stückzahlen jenseits der 100.000 nicht mehr zu leisten."


Kontrolle und Automatisierung

Damit das funktioniert, muss ein besonderes Augenmerk auf die vollständige Automatisierung des gesamten Prozesses gelegt werden. Nur dann lassen sich 100.000 und mehr Mailings tatsächlich individualisieren. "Jeder noch so kleine manuelle Eingriff muss vermieden werden", erklärt Paraboost-Chef Philipp Göller . "Das wäre bei diesen Stückzahlen nicht zu leisten." Deshalb ist eine solide Datenbasis so wichtig. Göllers Tipp: Optimierung und Aufbereitung sollten möglichst nahe an den Rohdaten erfolgen. Denn
je früher die Daten korrigiert werden, desto geringer ist der Aufwand und desto genauer kann die KI arbeiten.
Dabei muss die KI einiges leisten: Mit der Auswahl der Artikel, dem Layout der Broschüre, der Auswahl der Bilder und der Anpassung der Texte sind nur die formalen Aspekte erfüllt. Die Angebote müssen auch inhaltlich überzeugen. Die KI muss also die richtigen Informationen liefern und auch gesetzliche Vorgaben erfüllen. "Bei einem Buch muss zum Beispiel zwingend die Seitenzahl angegeben werden", weiß Eberle.

Auch bei der Kontrolle und Druckfreigabe muss das Unternehmen umdenken. "Es geht ja nicht mehr darum, jedes Druckerzeugnis einzeln zu prüfen. Stattdessen muss das Verfahren als solches getestet werden, um sicherzustellen, dass es zuverlässig funktioniert", erklärt Göller. "Letztlich ist der Aufwand aber überschaubar, wenn man mit den Daten umgehen kann", beruhigt der Experte.

"Heute kann ich auf Knopfdruck ein komplett individualisiertes Mailing erstellen, das kaum interne Kosten verursacht." (Bild: Baby-Walz)
"Heute kann ich auf Knopfdruck ein komplett individualisiertes Mailing erstellen, das kaum interne Kosten verursacht."

In Zukunft nur noch programmatisch?

Das Versandhaus Walz kann noch keine Ergebnisse vorweisen. Derzeit wird der erste Test vorbereitet. "Mein Bauchgefühl sagt mir aber jetzt schon: Es kann nur einen Sieger geben - und das ist unser individualisiertes Mailing. Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt", sagt Eberle.

Er denkt daher schon weiter. Bislang ist das Mailing nur in der Anstoßkette der besten KundInnen von "Die moderne Hausfrau" vorgesehen. "Wir suchen aber bereits nach Mechanismen, um das Konzept auch für die Kundenreaktivierung oder andere Kundensegmente zu nutzen."

Bei anderen Marken sieht Eberle sogar mehr Potenzial. Denn: "Die moderne Hausfrau" ist ein Stöberkatalog, ein Bedarfswecker, bei dem es um Inspiration geht. Deshalb darf die Produktauswahl nicht zu eng sein. Anders bei "Baby Walz" und "Walzvital": Diese Marken sind klassische Bedarfsdecker. Hier könnte der programmatische Ansatz die gesamte Printkommunikation umfassen, meint Eberle. "Wenn ich ein einjähriges Kind habe, brauche ich weder Spielzeug für Sechsjährige, noch Umstandsmode. In solchen Fällen können wir mit Programmatic Printing wirklich zielgerichtete Werbemittel produzieren, die dann wirtschaftlich richtig Spaß machen."

Der Dienstleister Paraboost

Das Unternehmen Paraboost GmbH, gegründet 2017 in Markgröningen, Baden-Württemberg, ist auf datenbasierte Lösungen zur Optimierung von Marketing- und CRM-Aktivitäten spezialisiert. Ihr Hauptprodukt, die Plattform Parapipe, bietet eine selbstlernende, automatisierte End-to-End-Maschinenlernlösung, die Unternehmen dabei hilft, den Customer Lifetime Value zu steigern und Marketingstrategien durch präzise Prognosen zu optimieren.

Die Software wird vor allem im Bereich Kampagnenmanagement eingesetzt, ermöglicht hyperpersonalisierte Kundenansprache und ist auf kanalübergreifende Datenanalysen ausgelegt. Mit einer Vielzahl an Modellen und Prognosen konnte das Unternehmen messbare Umsatzsteigerungen von bis zu 64 Prozent für Kunden erzielen. Paraboost bietet zudem eine dedizierte KI-Infrastruktur und umfassenden Support für deren Implementierung und Nutzung.

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