29.06.2010 - Der Dialogdienstleister Arvato Services hat seinen Umsatz im vergangenen Jahr gegen den Trend leicht steigern können. Im Interview mit ONEtoONE erläutert Eckhard Südmersen, Vorsitzender der Geschäftsführung, wie das gelingen konnte.
Herr Südmersen, Arvato Services hat den Umsatz im vergangenen Jahr gegen den Trend leicht steigern können. Wie ist das in dem krisengeschüttelten Umfeld überhaupt möglich - durch Verdrängung der Wettbewerber, harte Preispolitik ...?Südmersen: Unser Geschäft lief regional sehr unterschiedlich. In China zum Beispiel konnten wir mit unseren Logistikservices punkten, und in Deutschland lief das Finanzdienstleistungsgeschäft recht gut. Unser deutsches Direktmarketinggeschäft hingegen stand - wie die gesamte Branche - im vergangenen Jahr unter Druck. 2009 sind in unserem deutschen Call-Center-Geschäft in einigen Bereichen die Volumina zurückgegangen. Aus unterschiedlichen Gründen: In der Telekommunikationsbranche etwa sind zum Beispiel die Produkte verbessert worden. Und wenn die Verbraucher keine intensive Unterstützung mehr benötigen, um ihren Anschluss einzurichten, sparen die Unternehmen enorme Kosten.
Noch mal die Frage: Wie ist es Arvato Services gelungen, sich vom Markt abzusetzen?Südmersen: Wir sind ein verlässliches Unternehmen mit einem breit aufgestellten Dienstleistungsangebot. Mit Bertelsmann im Rücken muss bei uns niemand Angst haben, dass wir morgen nicht mehr existieren. Das hat Anfang vergangenen Jahres eine entscheidende Rolle gespielt und dazu geführt, dass wir unseren Kundenstamm halten und zudem einiges an Neugeschäft gewinnen konnten. Dennoch war das Jahr auch für uns schwierig. Ich will das Wachstum von Arvato Services nicht kleinreden, aber wir standen Anfang 2010 ungefähr da, wo wir Anfang 2009 standen. Mehr nicht. Zwischendurch hat es heftige Ausschläge nach unten und oben gegeben. Wenn der Kunde - etwa eine Airline - weniger ausgelastet ist, trifft das eben auch den Service-Partner. Hinzu kamen harte Verhandlungen mit einigen Kunden. Parallel dazu mussten allerdings konkurrierende Dienstleister Insolvenz anmelden, so dass wir auf diesem Weg an der einen oder anderen Stelle Neugeschäft generieren konnten - etwa im Bereich der Auslieferung für einen großen Mobilfunkprovider.
Eine Rolle mögen auch schärfere Verbraucherschutzregelungen gespielt haben. Hat Sie dies getroffen, oder haben Sie davon profitiert?Südmersen: Die Verbraucherschutzregelungen haben dazu geführt, dass die Unternehmen verstärkt auf seriöse und verlässliche Dienstleister setzen, wo sie sicher sein können, dass der Datenschutz eingehalten wird. Das war erst einmal gut für uns. Außerdem sind im vergangenen Jahr viele kleinere Direktmarketingdienstleister aus dem Markt gegangen, weil das Datenschutzthema noch on top kam. Unterm Strich ist wegen der verschärften Datenschutzbestimmungen aber ein großes Geschäftsvolumen im Bereich Direktmarketing einfach nicht mehr existent.
Zählen Sie sich nun zu den Gewinnern oder den Verlierern der Datenschutzregelungen?Südmersen: Auf keinen Fall zu den Verlierern. Was dort neu geregelt wurde, halte ich für nachvollziehbar. Der Stand, den wir jetzt erreicht haben, ist für die Verbraucher gut und für alle Werbetreibenden in Summe akzeptabel. Im Grunde haben die Datenschutzregelungen auf Dienstleisterseite zu einem bereinigenden Gewitter geführt.
Aber wie konnten Sie wegbrechende Umsätze kompensieren?Südmersen: Wir sind es als Dienstleister gewohnt, uns und unsere Services immer wieder neu zu erfinden. Dass uns dies gelingt, hängt ganz grundsätzlich mit unserer Geschäftsphilosophie zusammen. Wir bieten Customer Services, Marketing Services, Logistik und Financial Services. Daraus bauen wir kundenspezifische Lösungen. Aus jedem der vier genannten Bereiche erhält der Kunde gerade so viel, wie er benötigt.
Klingt sehr abstrakt. Können Sie ein Beispiel nennen?Südmersen: Natürlich. Beim Kunden Lufthansa Miles & More hatten wir anfangs Aufträge aus den Bereichen Customer Services und Marketing Services, also Lettershop-Aktivitäten, Response-Bearbeitung etc. Mit dem Kunden haben wir dann eine neue Lösung aufgebaut, die sich monetär darstellen lässt. Für Kunden wie Lufthansa oder einen großen internationalen Software-Anbieter arbeiten wir schon seit fast 20 Jahren. Mit diesen Kunden ist unsere Service-Palette wesentlich breiter geworden - in allen Bereichen.
Eine breite Service-Palette offerieren auch andere Dienstleister ...Südmersen: Aber nicht mit der Qualität von Arvato Services. Sehen wir uns doch einmal den E-Commerce an. Wenn ich einen Webshop habe, muss ich mir ja überlegen, welche Zahlungsarten ich anbiete. Wenn ich eine besonders sichere Zahlungsart wähle, muss ich in Deutschland einen ganzen Teil des Umsatzes an mir vorbeiziehen lassen. Damit genau dies nicht passiert, bietet Arvato Services an, sich in den Webshop einbinden zu lassen. Schon während sich der Endkunde identifiziert, überprüfen wir, welche Zahlungsart wir ihm anbieten. Dafür können wir dann auch das Risiko übernehmen. Oder nehmen wir einmal einen Inkasso-Prozess, wie er oftmals standardisiert abläuft. Wenn der Endkunde nicht zahlt, wird die ganze Inkasso-Maschinerie in Gang gesetzt. Der Kunde erhält drei Mahnungen, dann den Inkasso-Brief und, und, und. Als Kunde sage ich mir doch als Erstes: "Mit dem Unternehmen will ich nichts mehr zu tun haben!"
Na und? Wer braucht schon Kunden, die nicht bezahlen?Südmersen: Moment! In einem Inkasso-Fall - so macht es zumindest unsere auf Finanzdienstleistungen spezialisierte Tochter Arvato Infoscore - kann man doch erst einmal überprüfen, ob der Kunde schon mal eine eidesstattliche Erklärung abgeben musste. In dem Fall kann man sich doch das Porto für den Inkasso-Brief sparen. Auf jeden Fall sollte man aber auch bei jedem schlecht zahlenden Kunden zunächst alle relevanten Informationen sammeln und dann schauen, welche Möglichkeiten es gibt. Auf diese Weise kann man Kunden halten, die zuvor beispielsweise über Marketingmaßnahmen teuer gewonnen wurden.
Sind Sie auch bei den Kunden von Arvato Services so kulant?Südmersen: Wir investieren sehr viel Energie in die Kundenbindung. In jeder Hinsicht. Wenn ich zu einem Kunden gehe oder mit ihm telefoniere, habe ich stets drei neue Ideen für ihn, wie er seine Umsätze steigern kann. Wir wollen schließlich Werte schaffen.
Für welche Branchen ist dies besonders interessant?Südmersen: Viel Potenzial sehe ich bei den Energieversorgern. Dort herrscht auf Verbraucherseite eine hohe Wechselbereitschaft. Die gesamte Energiebranche befindet sich im Umbruch. Dies birgt für uns viel Potenzial. Die größte Branche, für die Arvato Services arbeitet, ist aber die Telekommunikationsindustrie. Dort hat sich in der jüngsten Vergangenheit ebenfalls viel verändert. Auch die Telekommunikationsanbieter schauen jetzt - ähnlich wie die Automobilindus-trie -, an welcher Stelle man Prozesse verbessern kann. Dafür benötigen sie Systemdienstleister. Das ist zwar ein etwas altmodisches Wort, aber genau das wollen wir sein. Ein Systemdienstleister sitzt schon bei der Konzeption der Produkte mit am Tisch: Design to Cost. Gemeinsam mit dem Kunden designen wir die Prozesse. Unser Ziel ist es, Dienstleister der dritten Generation zu werden.
Nur zum Verständnis: Welches sind denn die ersten beiden Generationen?Südmersen: In der ersten Generation ist man zum Kunden gegangen und hat ihn gefragt, was man machen soll, und hat das dann erledigt. Die zweite Generation hat schon darüber nachgedacht, wie man die Prozesse beim Kunden verändern kann. Und die dritte Generation denkt über Wertschöpfung beim Kunden nach, also über mehr Umsatz und weniger Kosten.
Und was wäre die vierte Generation?Südmersen: Nicht so schnell, bitte! So weit sind wir noch nicht. Dienstleister der dritten Generation zu sein ist auch für Arvato Services ein hoher Anspruch, an dem wir jeden Tag arbeiten. Um einen Werbeslogan zu zitieren: "Jeden Tag ein bisschen besser".
Interview: Martin Teschke
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