Zwischen Euphorie und Enttäuschung

30.06.2008 - Cannes: Deutschlands Dialogarbeiten kamen nur mäßig an.

Insgesamt 2.852 Einreichungen aus Deutschland wurden dieses Jahr zur Bewertung nach Cannes geschickt. Damit erreichte Deutschland den zweiten Platz hinter den USA. In einigen Kategorien hat sich der Fleiß sehr bezahlt gemacht: So vergab die Jury in der Sparte Design von 39 Löwen acht für deutsche Arbeiten, mehr als für jedes andere teilnehmende Land. Ebenso war Deutschland mit neun Löwen, davon zweimal Gold, Spitzenreiter bei den Outdoor-Awards.

Auch in der Kategorie Radio konnte sich die Anzahl der Preise für hiesige Kampagnen sehen lassen: Mit fünf Auszeichnungen folgte Deutschland auf den Spitzenreiter USA. An vorherige Erfolge anknüpfen konnte man mit drei Silber- und vier Bronzelöwen in der Kategorie Press. Gemäßigt fiel das Ergebnis mit zwei Bronzelöwen in der Disziplin Film. Voll des Lobes waren angesichts dieser Ergebnisse die Juroren, die Stimmung bei den deutschen Agenturen euphorisch. Für Ernüchterung sorgte dann allerdings die Bilanz in den Sparten Direct und Cyber Lions: Mit nur vier Löwen punkteten die Deutschen in der Direct-Wertung. "Das sind zehn Löwen weniger, als im vergangenen Jahr geholt wurden", so Peter Recker, Media Consultant bei der Deutschen Post, der in Cannes vor Ort war. "So weit zurückzufallen war schon eine Überraschung." Einmal Silber gab es für die Agentur Jung von Matt für die Kampagne "Das 3-D Cover" für den Kunden Ikea. Die Agentur holte zudem noch einen Bronze-Award für den "Rasenmäher-Kalender" (Bosch). Ebenfalls Bronze gab es für Ogilvy Frankfurt für "Bittende Skulpturen" (Deutsche Gesellschaft für Denkmalschutz") und Nordpol für "Fingerabdrücke" (Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung).

"Ein mäßiges Ergebnis", urteilt Kurt Georg Dieckert, Chief Creative Officer von TBWA Deutschland und Juror in der Kategorie Direct. Für die geringe Ausbeute hat er eine Erklärung: "Die meisten Einreichungen waren zum Teil kleine, lustige Ideen oder Geschichten, hinter denen aber nicht wirklich eine Strategie steckte." Zum Teil, sagt Dieckert, hätten bei den eingereichten Arbeiten die vier wesentlichen Zutaten gefehlt, die gute Kampagnen ausmachen: "Neben der Strategie muss hinter der Kampagne eine große Idee stehen, die dann in einer ausgefallen hochwertigen Qualität umgesetzt wird." Und letztlich zähle das Resultat: "Es kommt darauf an, ob die Maßnahme wirklich etwas bewirkt hat." Zwar seien auch unter den deutschen Arbeiten "he-rausragende" dabei gewesen, selten hätten aber alle vier Komponenten überzeugt. "Man hatte teilweise eher den Eindruck, dass Arbeiten in der Katagorie Direct so nebenbei eingereicht wurden, nach dem Motto: In diesem Bereich kann ich vielleicht noch schnell einen Löwen ziehen."

Aber diesmal, so Dieckert, seien die Juroren deutlich härter in ihren Bewertungen gewesen als in früheren Jahren. "Die Jury ist gesättigt, was irrelevante Ideen angeht." Der Stimmung in Cannes habe das mäßige Ergebnis auf Seiten der deutschen Agenturen natürlich einen Abbruch getan. "Die Enttäuschung ist da - man hat viel Geld investiert, und es ist nicht viel dabei herausgekommen."

Peter Recker kann das Urteil der Direct-Juroren nicht in allen Fällen nachvollziehen: "Die Qualität vieler Arbeiten, die ich gesehen habe, war wirklich erstaunlich gut. Der exzellente Inhalt mancher Einreichungen wurde meiner Meinung nach nicht gebührend gewürdigt." Recker begründet das Ergebnis mit den unterschiedlichen Geschmäckern, die eine internationale Jury nun mal habe. "Aber ich bin sicher: Nächstes Jahr sieht das Ergebnis für Deutschland wieder deutlich besser aus - so etwas schwankt nun mal."

Auch in der Kategorie Cyber Lions hat Deutschland schon mehr geglänzt.Insgesamt acht Löwen konnten deutsche Agenturen diesmal in Cannes ergattern. Allerdings waren sie alle aus demselben Metall: Bronze.

Zwei Awards gingen an Nordpol Hamburg - einmal für das "Teletheater" für Renault, zum anderen für die Kampagne "Fingerprints Opentrace" für den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Für die Eigenwerbungskampagne "Shen International Advertising" bekam Serviceplan einen Bronzelöwen, ebenso wie Elephant Seven für die Mercedes-Benz-Kampagne "Silence". Weitere Trophäen gingen an Syzygy Bad Homburg ("Downhill"/ADP Engineering/Rotwild), Jung von Matt Stuttgart ("Get it straight"/Robert Bosch) und Scholz & Friends Berlin ("Screensaver"/Jobsintown.de).

Die wertvolleren Metalle wurden von Großbritannien, Japan und den USA gewonnen. Von insgesamt 14 goldenen Löwen gingen elf Trophäen an diese Länder. Mit jeweils einem Grand Prix würdigten die Juroren Kampagnen aus den USA, aus Japan und Norwegen.

Jurymitglied Friedrich von Zitzewitz, Kreativgeschäftsführer der Serviceplantochter Plan Net, war vom Gros der internationalen Einreichungen beeindruckt, bezeichnete es aber als "Wehmutstropfen", dass "die eine große Idee aus Deutschland" diesmal gefehlt habe. "Im Gesamteindruck hat man in Cannes aber gesehen, dass Werbung sehr viel mehr sein kann als nur Werbung. Marketing-Kommunikation ist zu einer Art Kunstform geworden, Realtime-Aktionen können sehr viel mehr transportieren als lediglich zweckgebundene Informationen."

(Elisabeth Zibulla)

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