"Auf Kosten achten und Ruhe bewahren"

15.03.2001 - Falk Strascheg über Venture-Capitalists, Ricardo und Intershop

cb Wir schreiben das Jahr 1987. Venture Capital und Internet sind in Deutschland Fremdworte, Mobiltelefone sind groß wie Schuhkartons und schwer wie Wackersteine. Da kommt jemand daher und investiert in Unternehmen, deren Zukunft niemand mit normaler Vorstellungskraft auch nur erahnen kann.

Falk Strascheg (60), heute einer der gefragtesten Venture Capitalists, ist keine Idee zu abwegig, keine Technik zu futuristisch. Er gründet 1987 sein erstes Venture-Capital-Unternehmen, die Technologie-Holding. Anfangs investiert das Unternehmen vor allem in Geschäftsideen, die mit Laser- und Halbleitertechnik zu tun haben, wie etwa in die Firmen SEZ und Micronas, heute alle erfolgreich an der Züricher Börse notiert. Die Internet-Engagements folgen erst nach 1990. Zu Straschegs nennenswertesten Beteiligungen gehören Intershop, Ricardo, Brokat und Poet.

Vor der Gründung der Technologie-Holding aber gibt es ein ganz anderes Leben, das eines klassischen Start-ups: Versehen mit einer guten Idee und ohne Geld gründet Strascheg 1971 sein erstes Unternehmen, das sich mit Lasertechnik beschäftigte, damals noch von vielen als Spinnerei abgetan. Zehn Jahre später verkauft er sein erfolgreiches Unternehmen - und hätte eigentlich nie mehr arbeiten müssen. Aber wie Unternehmer mit Leib und Seele so sind, sie müssen etwas unternehmen. So auch Strascheg, der als Business Angel tätig wird. Strascheg fungiert mit der Technologie-Holding nicht nur als Geldgeber, es gehe schließlich auch darum, jungen Unternehmern Werte zu vermitteln, so seine Philosophie.

Dann, wieder 13 Jahre später, seine VC-Fonds schreiben Renditen von bis zu 130 Prozent, klopft der Konkurrent 3i an und macht Strascheg ein Angebot, das er nicht ablehnen will. Für vorerst 333 Millionen Mark wechselt die Technologie-Holding im Jahre 2000 den Besitzer. Strascheg kann sich nun eigentlich getrost zur Ruhe setzen.

Schließlich hat der Mann auch Hobbys: Pflanzen züchtet er, insbesondere Tomaten. 21 verschiedene Sorten wachsen in seinem Gewächshaus, von rot über gelb bis grün und schwarz. Und er hat Häuser. Am Starnberger See, in Salzburg und bei Nizza. Außerdem sammelt er Pilze, wandert und fährt Ski. Aber das alles reicht nicht. Eine neue Firma wird gegründet, die Extorel in München. Dieses Unternehmen beteiligt sich nicht mehr als Venture Capitalist an den Start-ups, sondern investiert mit Fonds in Fonds - und beteiligt sich an Pre-IPOs, also vorbörslichen Firmen.

ONEtoONE hat Falk Strascheg zur Zukunft der Venture Capitalists und der aktuellen Lage bei Ricardo und Intershop gefragt:
ONEtoONE: Wie übersetzen Sie Venture Capital ins Deutsche?
Falk Strascheg: Wagnis-Kapital. Der oft gebrauchte Begriff Risiko-Kapital ist mir zu negativ besetzt. Wagnis hat immer eine Chance.
OtO: Wie sehen Sie die Zukunft der Venture Capitalists?
Strascheg: Erfolgreiche Venture Capitalists müssen Added Values in die Firmen, die sie unterstützen, einbringen. Sie müssen die Firmen unterstützen, Human Ressources einbringen, beratend tätig sein und sie in ein Netzwerk einflechten. Die Unternehmen, die das nicht tun, werden langfristig vom Markt verschwinden. Es wird eine natürliche Auslese geben: Könner - Pfuscher.
OtO: In welche Geschäftsideen werden die Venture Capitalists künftig noch investieren?
Strascheg: Vor drei Jahren wurden die Biotec-Werte verteufelt. Es ist einfach so, dass Venture Capitalists ebenso wie die Analysten der Banken Herdentiere sind. Sagt einer, etwas ist out, folgen die anderen auf dem Fuß. Sie unterwerfen sich Modetrends. Vielleicht werden einzelne unter ihnen nach den Verlusten kreativer und beginnen selber nachzudenken, über Business-Modelle, Chancen und Schwierigkeiten, Marktgrößen und so weiter. Diese werden dann, egal in welchen Bereich sie investieren, erfolgreich sein.
OtO: Zwei ihrer Schützlinge aus alten Tagen, Ricardo und Intershop, stehen derzeit wohl vor ihrer schwersten Prüfung seit Bestehen. Ricardo kämpft mit QXL darum, nicht aus dem Nasdaq geschmissen und als OTC-Papier gehandelt zu werden, Intershop hat 70 Prozent an Wert verloren. Was haben die falsch gemacht?
Strascheg: Bei beiden Unternehmen war ich nicht nah genug dran, als dass ich das beurteilen könnte. Aber mal ehrlich: Nehmen wir Ricardo. Das ganze Geschäftsmodell ist sehr begrenzt, denn wer, der wirklich etwas benötigt, kauft dies bei einer Versteigerung? Wenn ich einen Stuhl brauche, gehe ich und kaufe ihn mir und warte nicht darauf, ob ich ihn billig zugeteilt bekomme. Das hat nach meiner Meinung limitierte Zukunftschancen.
Bei Intershop ist es etwas anderes. Die werden aus ihrem Tief wieder herauskommen, haben ein zukunftweisendes Produkt. Immer mehr Unternehmen, auch die der Old Economy, bauen sich einen Online-Shop auf, der Markt ist enorm und das Produkt gut. Nur hat es Intershop leider nicht verstanden den USA-Vertrieb, möglicherweise durch Akquisitionen, genügend auszubauen. Intershop ist sehr schnell gewachsen. Der aufgebaute Kostenblock wurde beim Tunnelblick auf die Expansion vergessen und nicht den Umsätzen angepasst. Bei so schnell wachsenden Unternehmen ist die Gefahr immer groß, dass Wildwuchs entsteht, der nicht fachgerecht beschnitten wird. Es ist schade, aber für das Unternehmen ganz heilsam.
OtO: Was würden Sie Schambach und Beeck raten?
Strascheg: Den US-Markt gewinnen, auf die Kosten achten und ansonsten Ruhe bewahren.

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