Schlammschlacht um Adblock Plus

02.08.2013 - Der Werbeblocker Adblock Plus und das hinter dem Angebot stehende Kölner Unternehmen Eyeo sah sich zuletzt scharfer Kritik ausgesetzt. Sascha Pallenberg, der für seinen Blog Mobile Geeks von Taiwan aus über die neuesten Technik-Gadgets schreibt, wirft Eyeo "mafiöse Strukturen", Vetternwirtschaft und andere unsaubere Geschäftspraktiken vor. Für das aktuelle "Thema des Monats" Online-Werbung hat ONEtoONE die Ereignisse der vergangenen Wochen zusammengefasst.

Nach eigenen Angaben ist Adblock Plus das beliebteste Browser-Add-on der Welt. Mittels Adblock Plus können die User innerhalb ihres Browsers jegliche Werbung ausblenden. Laut Statistik wird das Tool täglich von mehr als 15 Millionen Menschen benutzt, rund 20 Prozent der Nutzer stammen aus dem deutschsprachigen Raum. Je nach Website, so Branchenschätzungen, werden in Deutschland zwischen 10 Prozent und, insbesondere bei Technik-Websites, 50 Prozent und mehr der Werbemittel wegen solcher Block-Software nicht ausgeliefert. Für die Betreiber und Vermarkter bedeutet dies teilweise erhebliche Einnahmeausfälle.

Lediglich so genannte Acceptable Ads blockiert Adblock Plus nicht. Als akzeptable Werbung gelten für Eyeo nur Textanzeigen ohne Bild, die nicht den Inhalt verdecken sowie als Werbung gekennzeichnet sind. Die Vermarkter solcher Formate können diese auf einer Whitelist eintragen lassen. Ihre Werbung wird dann trotz Adblocker ausgeliefert. Nutzer von Adblock Plus können die Whitelist auch selbst ändern oder die Funktion gänzlich ausschalten. In der Realität dürften dies jedoch nur wenige Nutzer tun.

Pallenberg kritisiert, dass Eyeo aus dieser Praxis ein Geschäftsmodell entwickelt hat. Die Vermarkter könnten jenen Traffic, der ihnen zuvor genommen wurde, nun gegen eine Umsatzbeteiligung wieder zurückkaufen. "Hier geht es darum, Seitenbetreibern in Masse die Finanzierung zu entziehen, um ihnen dann gegen einen entsprechenden Obolus eine wundersam aus dem Hut gezauberte Alternative unterzujubeln. Das grenzt in der Konsequenz an Erpressung, unter dem Deckmäntelchen eines ,gesäuberten` Internets", so Pallenberg wütend in einem Blog-Eintrag.

Die Redaktion der Fachzeitschrift "PC Welt" berichtete bereits Anfang 2012 von einem Treffen ihres Verlags IDG mit Vertretern von Eyeo. Bei diesem hätten die Adblock-Plus-Betreiber einen entsprechenden Deal vorgeschlagen. Die jüngsten Recherchen von Sascha Pallenberg wurden durch diverse Fachmedien und Tageszeitungen aufgegriffen. "Werben & Verkaufen" zitierte aus einem Schreiben, laut dem Eyeo von Acceptable-Ads-Partnern einen Umsatzanteil von 30 Prozent fordere. Ein solches Kooperationsangebot habe das Unternehmen diversen Agof-Vermarktern unterbreitet, so "W&V". Nach Informationen der "Süddeutschen" sehen andere Verträge vor, dass Website-Betreiber einen Fixbetrag zahlen: "Die Web-Seite sieht nach einem Test mit Eyeo, dass ihr dank Adblock Plus 9.000 Euro monatlich an Werbeeinnahmen entgehen. Sobald die Betreiberfirma unterschreibt, monatlich 3.000 Euro an Eyeo zu überweisen, kommen ihre Anzeigen auf die weiße Liste, falls diese den Adblock-Plus-Richtlinien entsprechen. Dem Unternehmen blieben dann zusätzliche 6.000 Euro", schreibt die Zeitung.

Eyeo leugnet nicht, dass im Rahmen von Acceptable Ads Geld fließt. Die Freischaltung sei für kleinere und mittlere Web-Seiten und Blogs kostenlos, heißt es auf der Adblock-Plus-Website. Die kontinuierliche Betreuung der Whitelist erfordere jedoch erheblichen Aufwand. "Daher werden wir von einigen größeren Parteien bezahlt, die unaufdringliche Werbung anzeigen und die an der Initiative für Akzeptable Werbung teilnehmen möchten."
Freischalten lassen haben sich offenbar bereits Unternehmen wie Amazon, 1&1 und Google. Die beiden Letztgenannten räumten gegenüber verschiedenen Medien ein, dafür eine "Aufwandsentschädigung" gezahlt zu haben. Till Faida, CEO von Eyeo, betonte jedoch mehrfach in Interviews, dass sich kein Unternehmen freikaufen könne. Alle Werbedienstleister müssten mit ihren Formaten die Kriterien von Adblock Plus (s.o.) erfüllen und zudem die "Community" der Software in einem Online-Forum über die Aufnahme abstimmen lassen. Das Forum verzeichnet aktuell weniger als 30.000 Mitglieder. Ein Großteil der Anträge zur Aufnahme auf die Whitelist besteht lediglich aus zwei Einträgen - dem Antrag selbst und, meist einige Tage später, der Ergänzung "added" - also hinzugefügt.

Ein weiterer Kritikpunkt Pallenbergs: eine anscheinende Verstri-ckung von Teilhabern von Eyeo mit der Werbeindustrie. So seien Unternehmen von Anteilsinhabern an Eyeo auf die Whitelist genommen worden - teilweise sogar nachdem die "Community" der Aufnahme zunächst widersprochen hatte.

Die Adblock-Plus-Macher wehren sich ihrerseits in einem Blog-Eintrag gegen Pallenbergs Vorwürfe und behaupten, der Blogger lüge bewusst - auch weil er durch Adblock Plus weniger Werbeeinnahmen verzeichne. Pallenberg selbst schreibt, er habe den Eyeo-Vertretern mehrfach eine offene, moderierte Diskussion inklusive Moderator angeboten, was jedoch ausgeschlagen worden sei. (re)

[k]Dieser Artikel erschien zuvor in ONEtoONE Ausgabe 08/13.[/k]

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