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Corporate Publishing muss das Verkaufen lernen

26.06.2012 - Das oft so hochwertig produzierte Kundenmagazin hat eine schwierige Aufgabe bekommen: Es soll das Verkaufen lernen. "Editorial Shopping" lautet der Begriff, der den Wandel der Branche Corporate Publishing (CP) beschreibt. Auslöser sind Finanzkrise und Digitalisierung. CP-Experten sind zu Verkäufern mit "Fingerspitzengefühl" geworden. ONEtoONE sprach darüber zum Kongress "Best of Corporate Publishing" am 27. Juni mit Entscheidern von Hoffmann und Campe, Burda Creative Group, Gruner + Jahr Corporate Editors, Kircher Burkhardt und dem Forum Corporate Publishing.

von Susanne C. Steiger

[f1]"Corporate Publishing ist im Sales Funnel (Verkaufsprozess) nach vorne gerückt. Das Thema Neukundengewinnung ist zu einem neuen Schwerpunkt geworden", sagt Dr. Andreas Siefke. Er ist Geschäftsführer des CP-Dienstleisters Kircher Burkhardt, zudem ist er Erster Vorsitzender des Branchenverbandes Forum Corporate Publishing. Die Entwicklung hat laut Siefke zwei Ursachen: "Die Finanzkrise zwang Unternehmen dazu, auch durch CP mehr Abverkauf zu generieren. Außerdem sind neue Technologien entstanden, die ebendies auch ermöglichen."

Diese Technologien erleichtern es Lesern von CP-Medien erheblich, Produkte der jeweiligen Unternehmen zu kaufen. Die Verknüpfung von Print- und Online-Medien sowie das mobile Internet erlauben barrierefreie Übergänge zwischen journalistischen Formaten wie Texten und Videos hin zu Web-Shops. Dies kann im Print-Heft manuell über Links, aber auch über QR-Codes oder mit Bestell-Codes funktionieren. Wird ein Kundenmagazin bereits online gelesen, ist es noch einfacher. Gerade im digitalen Bereich sind die Medienbrüche geringer, ein Klick auf den Bestell-Button genügt.

[f4]Aber es stellt sich die Frage, ob damit nicht die journalistische Qualität verloren geht sowie ihre Glaubwürdigkeit. Dies wurde immer als Stärke der Branche herausgestellt und war das Argument dafür, sich von Werbung und Marketing abzusetzen und eine eigene, hochwertige Nische zu besetzen. Die Dienstleister sehen aber keine Kratzer am Lack der Hochglanzmagazine: "Corporate Publishing ist `Best of both Worlds` aus Journalismus und Marketing", sagt Christian Breid, Leiter Neugeschäft von Hoffmann und Campe. Er glaubt daran, dass Verkaufsdruck der Branche nicht schadet und dass journalistisch geprägte Medien vereinbar sind mit Produktinformationen: "Wir tauchen mit unseren Artikeln in die Themenwelt des Lesers ein, gehen nah an ihn heran, und das macht den Leser auch empfänglich für Produktinformationen", sagt er.

[hl]Branche muss sich messen lassen[/hl]"Unsere Leistungen müssen belegbar sein, durch unterschiedliche KPIs wie Kundenzufriedenheit oder Kundenabsprungraten. Allerdings wird ein Magazin, das auf 100 Seiten maximal 300 Produkte darstellen kann, niemals die Verkaufsrate eines Webshops mit 50.000 Produkten relevant beeinflussen, da sollte man auf dem Teppich bleiben", sagt Stefan Fehm, Director Sales & Marketing bei der Burda Creative Group.

[f2]Bei Gruner + Jahr Corporate Editors (GJCE) hat das Verkaufen einen anderen Stellenwert: "Corporate Publishing hat einen längeren Atem als Werbung, mehr Informationstiefe und eine höhere Verweildauer, das lässt sich gerade online gut belegen", sagt Sandra Harzer-Kux, sie ist Leiterin Digitale Medien bei GJCE. Für Harzer-Kux passt das Thema Verkauf aber nicht in die Branche: "Corporate Publishing ist keine Kommunikation, die für den Abverkauf direkt geeignet ist. CP ist nur gut, wenn es journalistisch glaubwürdig ist, deswegen geht es meis-tens um Imagethemen oder Informationen, aber selten um Produktbeschreibungen. Der Kunde sollte sich entweder für Werbung oder für journalistische Kommunikation entscheiden." Einen Wandel in der Branche bestätigt aber auch Harzer-Kux. Stefan Fehm: "Was man wie machen kann, ist Fingerspitzengefühl. Letztendlich ist es wichtig, glaubwürdig zu bleiben. Der Leser wirft einen Magalog (Kreuzung aus Magazin und Katalog) sofort ins Altpapier, wenn er das Gefühl hat, nur bezahlte Werbung zu lesen. Der klassische Katalog hat ausgedient, Kunden wollen Informationstiefe und ein emotionales Erlebnis."


[hl]Produktverkauf durch CP-Medien[/hl][f3]Der Wandel im Selbstverständnis der Branche zeigt sich am Beispiel Burda-Verlag: Die CP-Tochter Yukom wurde mit dem Vermarktungsdienstleister Creative Works zusammengelegt. Beide firmieren nun als Burda Creative Group (BCG). Das Unternehmen will nicht mehr in Kanälen denken, sondern vom Kunden aus gesehen. Dadurch sollen CP-Produktionen stärker in Marketingkampagnen eingebunden werden, zum Beispiel werden Produkte von CP-Kunden verstärkt in den eigenen Medien des Burda-Verlags beworben. BCG spricht nicht mehr von Corporate Publishing, sondern von Content Marketing. Ein weiteres Beispiel ist die Leipzig School of Media. Sie hat im Mai ihren Studiengang Corporate Publi-shing in Corporate Media umbenannt.

Für den Geschäftsführer des Branchenverbands Forum Corporate Publishing, Michael Höflich, sind das nur einige Beispiele von vielen. Vor allem im Handel beobachtet er dies schon länger: "Wir nehmen das Thema Editorial Shopping immer öfter wahr, zunehmend auch über den Bereich des klassischen Handels hinaus", sagt er. In den USA gebe es Konzepte, bei denen CP-Dienstleister finanziell am Produktverkauf des Auftraggebers beteiligt sind, wenn der Verkauf durch die CP-Medien generiert wird. Dies kann online durch Leads bewiesen werden, in der Offline-Verknüpfung beispielsweise durch QR-Codes, die mit dem Smartphone gelesen werden, oder durch Zahlencodes, die Leser online eingeben. Das Konzept sei in Deutschland noch nicht angekommen, "ist aber interessant für uns", sagt Christian Breid von Hoffmann und Campe. Sandra Harzer-Kux von GJCE kritisiert hingegen, dass die Messbarkeit nicht eindeutig zuverlässig sei: "Sie wissen ja nicht genau, wodurch der Kauf ausgelöst wurde. Vielleicht hat der Leser das Produkt online kennengelernt und kauft es dann doch am Point-of-Sale." Auch Andreas Siefke von Kircher Burkhard meldet Bedenken an: "Die Idee des `Paid Visit` ist nicht uncharmant, solange der Dienstleister diesen auch wirklich mitgestalten kann und das Vergütungsmodell transparent ist."

[hl]Klassische Medien lernen verkaufen, Marketing lernt das Storytelling[/hl]Leser werden über gute Inhalte gebunden, nur so können auch Dialog und Conversion entstehen, da sind sich alle befragten CP-Dienstleister einig. Das hätten die auftraggebenden Unternehmen auch erkannt. Nach Beispielen muss man nicht lange suchen: Der Online-Versender Zalando produziert mittlerweile Print-Magazine in Millionenauflage, in denen die eigenen Produkte in Geschichten und Themenwelten eingebunden werden. Ein anderes Beispiel ist "Mein Paket" von DHL, produziert von Burda. Der Lifestyle-Magalog präsentiert mehrmals im Jahr Produkte aus Dutzenden verschiedener Online-Shops, die allesamt Ware per DHL verschicken. Der Magalog ist mit dem Online-Shop Meinpaket.de verknüpft und enthält journalistisch anmutende Artikel über Themen, die immer zu Produktreihen führen, die zum Verkauf bereitstehen. "Mein Paket" wird an DHL-Kunden verschickt, die Online-affin sind. Das sind also in erster Linie Männer, die bei den Packstationen der Deutschen Post registriert sind und in Großstädten leben, wenig Zeit haben und das Produkt als Einkaufsratgeber nutzen, so Stefan Fehm (BCG). Das Heft ist gespickt mit Bestellcodes- und Gutscheinkärtchen für den schnellen Online-Kauf, das Smartphone liegt schließlich selten weit weg. "Kunden wollen trotz Touchpads und Handhelds weiter Print und ein haptisches Leseerlebnis auf der Couch und in der Badewanne. Der Mechanismus funktioniert auch im digitalen Zeitalter."

So wie das Marketing vom Journalismus lernt, so nutzt auch der Journalismus Methoden des Marketings. Gruner + Jahr startete zum Beispiel im März dieses Jahres das Frauenmagazin "Season", in dem Produkte besprochen werden, die über den Season-Online-Shop erhältlich sind. (db)

[k]Lesen Sie auch das Interview mit Michael Höflich (Forum Corporate Publishing), die Case-Study AOK zum Thema Personalisierung und Teil 4, Dialog im Corporate Publishing[/k]

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