Blogeintrag

Crowd Mobbing vs. Schwarmintelligenz

15.09.2009 - "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's doppelt ungeniert." Angenommen, diese Volksweisheit trifft zu, dürften wir vom Gewinner der letzten "[l1]Schlag den Raab[/l1]"-Show noch Einiges erwarten.

Nicht nur, dass sich der Kandidat mit arroganten Kommentaren und kleinkrämerischem Verhalten redlich Mühe gegeben hat, dass Publikum im Studio gegen sich aufzubringen. Auch Moderator Matthias Opdenhövel und Kontrahent Stefan Raab, nicht gerade für seinen diplomatischen Zungenschlag bekannt, nutzten die Chance, den ganz offensichtlich unpopulären Showkandidaten vorzuführen. Als Schmerzensgeld kassierte Hans-Martin S. dafür am Ende eine halbe Million Euro. Ein Pyrrhus-Sieg, denn das Geld wird er unter anderem dazu brauchen, sein ramponiertes Image wieder aufzupolieren.

Zwar ist die Sendung inzwischen Schnee von gestern und der Auftritt bei TV Total   hat die Wogen - auch dank der besonnenen Moderation Raabs - wieder einigermaßen geglättet, im Web aber spielt(e) sich ein regelrechtes Crowd Mobbing ab. Schon während der samstäglichen Sendung hatte sich der amorphe Mob zusammengerottet, um in der Anonymität des Webs den 24-jährigen Halbmillionär niederzumachen. Nicht nur das Pro7-Webforum   zur Show quoll von den üblen Kommentaren gegen den Kandidaten über, auch in Twitter   , Facebook   und StudiVZ   zeigte Social Media seine "hässliche Fratze   ". Es formierten sich Gruppen mit den Namen "Die große Anti-Hans-Martin Gruppe" (StudiVZ) oder "Ich könnte Hans-Martin pausenlos die Fresse polieren!!!!" (Facebook). Bei YouTube   wurden Videos mit Kommentaren versehen, die dem Kandidaten gar den Konsum von Kokain unterstellten. In Twitterland wurde mit #hassmartin   ein eigener Hashtag kreiert, bei dem der Name schnell zum Programm wurde. Ja sogar ein gefakter Twitteraccount   wurde angelegt, der es in kurzer Zeit auf fast 500 Follower brachte. Dahinter verbergen sich wahrscheinlich die gleichen User, die lange Zeit auch hinter dem gefakten Stefan Raab   hergelaufen sind, der unter dem inzwischen gelöschten Account @raabtweets twitterte. Es wäre durchaus interessant, mal zu erfahren, warum dieser Account eigentlich gelöscht wurde. Die Befindlichkeiten des Herrn Raab   in Sachen Privatsphäre   sind ja hinlänglich bekannt...

Wie auch immer: Spätestens seit Maschendrahtzaun   und den Schmerzensgeldzahlungen in Sachen "Lisa Loch"   dürfte den Kandidaten durchaus bewusst sein, in welche Gefahr   sie sich bei Raabs TV-Formaten begeben. Das Paradoxe daran ist in diesem Fall allerdings, dass sich der Pharmazie-Praktikant Hans-Martin des Raab-Stils bediente, gleichwohl mit geringerem Hang zur Selbstreflektion. Dass dieser Schuss nach hinten losgegangen ist, dürfte offensichtlich sein. Letztlich, so eine frühere These von mir   ("Wer hat Angst vorm bösen Kunden?"), macht das Web in seiner neuen Wirklichkeit nur das sichtbar, was an Kommentaren und Meinungen in der realen Welt herumschwirrt. Das betrifft dann eben auch Stammtischparolen, Hooligangebrüll und den virtuell organisierten Mob. Da wird aus dem Social Web dann schon mal ein [k]Asocial[/k] Web.

Das Crowd Mobbing der vergangenen Tage zeigt auch, wie es um die Selbstheilungskräfte des Internets bestellt ist. Kommt der Stein ins Rollen, ist er kaum aufzuhalten, denmn nicht jeder hat die Chance, einen verpatzten Auftritt in der Öffentlichkeit wieder gerade zu rücken. Was sich hier abgespielt hat, sollte alle, die - mit welchem Medium auch immer - sich öffentlich inszenieren möchten, daher zu mehr Vorsicht anhalten. Vor diesem Hintergrund darf sich nun jeder mal fragen, warum das "TV-Duell" der Kanzlerkandidaten zur "Schmusepartie" mutierte. Doch nicht nur einzelne Personen wie der siegreiche Verlierer der Pro7-Show, sondern auch und vor allem Unternehmen sollten mit Bedacht vorgehen. Wie sich ein einigermaßen kopfloses Ausprobieren rächen kann, haben schließlich nicht nur Vattenfall   oder Vodafone   zu spüren bekommen. Ohne strategische Grundüberlegungen darf die "Spielwiese" Social Web nicht betreten werden. Sie funktioniert nicht losgelöst von der restlichen Öffentlichkeit und Kommunikation. (Christoph Salzig)

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