Blogeintrag

Warum nimmt mich niemand Ernst?

03.09.2009 - Das frage ich mich als Verbraucher und Kassenpatient, der mit zunehmend scharfem Sinn die Aktivitäten der Marketer und PR-Leute in den letzten Monaten begutachtet. Ich fasse mal ein paar Vorfälle der jüngeren Vergangenheit zusammen. Als ich Ende Juli gut erholt aus meinem Urlaub zurückgekehrt bin, schien die Welt noch in Ordnung. Das Screening der Nachrichten in den vorangegangenen Wochen rückte diesen offenbar schiefen Eindruck jedoch leider schnell wieder gerade.

Da hatte Vodafone den Zusammenschluss mit Arcor zum Anlass genommen, der Generation Upload   eine Kampagne vor den Latz zu knallen, in der sie zwar das Lebensgefühl der "Ubiquitous worker   " annähernd perfekt zum Ausdruck gebracht hat, letztlich aber doch wieder Dinge versprach, die die Produkte (insbesondere die Tarife) nicht einlösen können. Schade, dabei war der Versuch, dem Dialog und Online einen besonderen Schwerpunkt zu verleihen, aller Ehren Wert. Wer nun glaubt, Unternehmen und Marken lernen aus solchen Vorfällen, ist sicher nicht auf dem Irrweg. Dennoch zeigen die nachfolgenden Beispiele, dass der Lernprozess offenbar noch andauert.

Nach der "Causa Vodafone" und dem "Vattenfall   ", also dem grandios gescheiterten Versuch eines der größten Atomstromanbieters Europas (Stichworte Krisenmanagement und "Krümmel") sich in Facebook   und im sonstigen Web als vermeintlich klimafreundlicher Stromriese zu positionieren, gaben sich gleich mehrere Unternehmen beim Umgang mit der neuen Nutzergeneration die Blöße. Im Falle von RWE   reichte dazu schon ein einfacher Werbespot - übrigens ein Format, das ich dank Festplattenrekorder und Time-Shift-Funktion nahezu komplett aus meinem Medienkonsum verbannt habe.

Anders sieht es mit Plakatwerbung (auf austauschbare und substanzlose Wahlwerbung gehe ich an dieser Stelle nicht näher ein), Printanzeigen und Online-Werbung aus, der ich mich dann doch nicht entziehen kann - nicht etwa, weil sie mich so fesseln würde, sondern schlicht, weil ich an ihr vorbeigehen, -blättern oder -klicken muss. Dieses Verhalten sagt einiges über die Relevanz derartiger Werbeangebote aus. Zugegeben, es ist einfach und ungerecht, bewusst schlechte Beispiele rauszusuchen und auf ihnen herumzuprügeln. Nichtsdestotrotz macht mir das Spaß und verschafft mir zumindest teilweise die dringend erforderliche Katharsis.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Kreative "kreative Wege" suchen und finden, um Motive und "Kampagnen" zu platzieren, mit denen sie dann den erforderlichen, nicht selten einmaligen Nachweis erbringen, um bei Kreativawards mitmischen zu dürfen. Diese "Zombiekreationen   " (O-Ton Amir Kassaei, Tribal DDB-Kreativchef und demissionierter ADC-Sprecher) verfolgen also einzig den Zweck einen Preis abzuräumen. Man kann solchen Beispielen nur wünschen, dass sie damit komplett scheitern, zeugen sie doch von einer [d]Arroganz[/d] Verbraucherferne, die ihresgleichen sucht. Im Falle der Werbung für das WWF, wurde diese Unverfrorenheit, für die sich DDB Brasil (Reden und Handeln müssen nicht immer im Einklang sein) inzwischen entschuldigt hat, auch noch mit einem Preis bei der "The One Show" belohnt. Der Versuch es mit den Benetton-Kampagnen der 90er aufzunehmen kann getrost als gescheitert angesehen werden.

Doch nicht nur Kreative, auch Justiziare und unfähige PR-Menschen verschaffen ihren Unternehmen bisweilen eine Aufmerksamkeit, die ihnen nicht schmecken dürfte. Das beweist auch der Umgang des Sportartikelherstellers Jako mit einem Blogger   , der sich erdreistete einen Kommentar zur Marke, genauer zum neuentwickelten Logo abzulassen. Der Duktus ("Das Logo ist sch...") war dabei zwar ein wenig scharfzüngig, eine Abmahnung war das indes nicht Wert. Im Gegenteil: Insbesondere die zweite Abmahnung, die sich auf die Auflistung des inzwischen gelöschten Beitrags bei einem ungarischen Content-Aggregator bezog (hierfür konnte der Blogger rein gar nichts), hat der ganzen Geschichte überhaupt erst die ungewollte Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Ein mangelndes Verständnis für die Mechanismen der neuen Medienwirklichkeit, das ein weiteres Mal fatale Auswirkungen hatte (und weiter hat).

Sie haben dafür gesorgt, dass sämtliche Maßnahmen zur Suchmaschinenoptimierung des Unternehmens für die Katz waren. Ein Blick in die Trefferlisten bei Google   bestätigt das. Und ich frage mich: Wann kommen Unternehmen endlich runter von ihrem hohen Ross? Wann sind sie endlich bereit, sich auf einen auf Augenhöhe stattfindenden Dialog mit ihren Kunden einzulassen?

Da passt es ins Bild, dass jüngst eine Studie   dem webbasierten Kundendialog vieler Unternehmen ein Armutszeugnis ausgestellt hat. Fehlende Feedbackmöglichkeiten, Nachfragen die ins Leere laufen, den Kunden übergestülpte Kommunikationskanäle - allesamt Indizien einer lahmenden Wandlungsfähigkeit zu Gunsten des aufgeklärten Verbrauchern. Die Konsequenz: Kunden wenden sich ab. Nur jeder vierte Kunde würde seine präferierte Marke wirklich vermissen, wenn sie im Zuge der Rezession vom Markt verschwinden würde. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von TNS Infratest   . Nur jeder zehnte Konsument vertritt demzufolge die Auffassung, dass sich nichts an der Kommunikation mit den Kunden ändern sollte. Und spätestens hier fragt sich der Verbraucher wohl zu Recht: Warum nimmt mich niemand Ernst? (Christoph Salzig)

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