TV-Clubs: Dialogmarketing mit Profitausrichtung

21.08.2003 - Zuschauerclubs sind ebenso populär wie profitabel. Fast eine Million Deutsche stehen mittlerweile im Dialog mit ihrem Fernsehsender. Nicht wenige würden sogar dafür zahlen, wenn man sie denn ließe. Doch auch ohne Mitgliedsbeiträge schreiben die Zuschauerbindungs-Programme schwarze Zahlen - dank Werbung, Merchandising und Adressenhandel.

Der Deutsche ist nicht nur ein Vereinsmensch, sondern auch ein begeisterter Anhänger von Kundenclubs. 72,5 Prozent der Bundesbürger sind Mitglied in wenigstens einem Kundenclub, jeder Vierte ist seinem Club länger als drei Jahre treu, mehr als drei Viertel länger als ein Jahr, das ergab eine aktuelle repräsentative Umfrage der arvato direct services.

Die großen deutschen Privatsender machen sich diese Vorliebe zu Nutze und setzen bei der Zuschauerbindung schwerpunktmäßig auf Senderclubs. Gelockt wird mit Angeboten wie Rabatten für Konzerttickets, Reisen, Videos, CDs und Internettarifen sowie Mitgliederzeitschriften und so genannten Webzines mit exklusiven Vorabinformationen über Fernsehsendungen. Dazu kommen Merchandising-Artikel, Begrüßungsgeschenke, Gewinnspiele, Kreditkarten und Treffen mit Moderatoren. Bei der Finanzierung verzichten die Sender durchweg auf Mitgliedsbeiträge, obwohl ein Fünftel der Deutschen laut arvato-Studie zur Zahlung von bis zu zehn Euro pro Jahr bereit wäre.

Es klappt aber auch so. Dafür sorgen Einnahmen aus Werbepartnerschaften, dem Verkauf von Merchandising-Artikeln und anderen Produkten, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie sender- und zielgruppenaffin sind.

Größter Anbieter von Zuschauerclubs in Deutschland ist MM MerchandisingMedia. Die hundertprozentige Tochter von ProSiebenSat.1 bündelt mit 119 Mitarbeitern alle Mer- chandising- und Zuschauerbindungsaktivitäten der Senderfamilie, zu der neben den TV-Größen ProSieben und Sat.1 auch die Spartenkanäle Kabel 1 und N24 gehören. Außerdem koordiniert das Unternehmen mit Sitz in Ismaning bei München, das erst vor kurzem aus der Fusion von ProSieben Club & Shop und Merchandising München hervorging, alle Direkt- und Crossmarketing-Maßnahmen sowie E-Commerce-Aktivitäten der ProSiebenSat.1-Gruppe.

Die von MM betreuten Kundenclubs ProSieben Club, Sat.1 Meine Welt und Kabel 1 VIP kommen zusammen auf 663.400 Mitglieder, wobei der Löwenanteil beim ProSieben Club liegt. Dieser zählt 341.500 Mitglieder und ist einer Umfrage des Charlton Loyalty Clubs zufolge der drittbekannteste Club in Deutschland, nach dem ADAC und dem Bertelsmann-Club. Sat.1 Meine Welt und Kabel 1 VIP verzeichnen 188.500 bzw. 133.400 treue Fans.

Der ProSieben Club besteht seit 1995, die anderen beiden seit 2001. Der ProSieben Club brauchte zwei Jahre, Sat.1 Meine Welt und Kabel 1 VIP nur ein Jahr, um profitabel zu werden. MM-Geschäftsführer Marcus Hintzen führt den Erfolg unter anderem auf die Öffnung der Clubsysteme durch Event-Module, Mailings und Services zurück. Das heißt: Die Angebote sind nicht auf die registrierten Mitglieder beschränkt, sodass MM auf 4,1 Millionen Stammdatensätze kommt. Diese werden laut Hintzen nur in Kooperation mit den 140 Werbepartnern vermarktet, wobei der Absender immer ProSieben, Sat.1 oder Kabel 1 heißt. Beim großen Konkurrenten RTL, neben ProSiebenSat.1 der einzige Anbieter von Zuschauerclubs in Deutschland, werden die Daten dagegen offen zum Kauf angeboten.

Außerdem profitiert MM von den Synergie-Effekten, die ein Senderverbund mit sich bringt: Die Magazine werden von einer zentralen Redaktion erstellt, und bei den verbilligten Comsumer-Electronic-Produkten tauschen sich die Sender untereinander aus. Außerdem laufen Anzeigen und werbefinanzierte Rabatte oft über mehrere Clubs. Dazu kommen enge Kooperationen mit den ProSiebenSat.1-Vermarktern SevenOne Media und SevenOne Interactive.

Das nächste große Projekt ist die Einführung des derzeit sehr beliebten Dialogmediums Couponing ab Oktober in den Clubs. Außerdem soll der Bereich Event-Marketing, der Veranstaltungen wie die "Sex and the City"-Partys organisiert, weiter ausgebaut werden. Ferner will Hintzen den elektronische Handel über das Fernsehgerät (T-Commerce) stärken. Dazu wird er aber keine Werbefenster wie den RTL Shop einrichten, sondern lediglich die Werbespots auf 50 bis 60 Sekunden ausweiten. Dennoch beteuert Hintzen, dass bei ihm weniger das Verkaufsgeschäft als vielmehr die Zuschauerbindung im Vordergrund stehe: "Wir verstehen die Clubs als Marketing-Instrument, aber mit einer klaren Profit-Center-Ausrichtung.

Beim RTL Club, der seine Wurzeln im Radiogeschäft hat und daher schon vor 26 Jahren an den Start ging, liegt der Schwerpunkt dagegen eindeutig auf dem Verkauf von Merchandising-Artikeln und Produkten, die eng mit den Sendungen des Fernseh-Marktführers (16,5 Prozent bei den 14-49-Jährigen) zusammenhängen. Zum Beispiel Kinderspielzeug passend zum RTL-Format "Super Toy Club", beworben auf der gegenüber liegenden Seite des Artikels über die Kindersendung. Letzteres ist laut Club-Chef Markus Naewie eine große Stärke des RTL-Konzepts: "Die Kombination von Programminhalten mit Waren ist bei uns besonders gut gelungen und soll noch verstärkt werden, da sie ein Alleinstellungsmerkmal ist."

Ein weiteres Kennzeichen des RTL-Zuschauerbindungsprogramms ist seine Funktion als "Negative Option Club". Das heißt: Die rund 240.000 Mitglieder müssen alle zwei Monate schriftlich oder telefonisch Bescheid sagen, wenn sie das Produkt "Die CD des Monats" nicht kaufen wollen. Versäumen sie die Rückmeldung, bekommen sie den Tonträger kostenpflichtig zugeschickt. Der Vorteil für RTL: Die Mitgliederdateien befinden sich stets auf dem neuesten Stand, Karteileichen sind so gut wie ausgeschlossen. "Wir haben nur erreichbare und aktive Mitglieder", sagt Naewie. Außerdem bestehe ein ständiger Kontakt zum Kunden, zum Beispiel wenn der Kunde anruft, was die Möglichkeit bietet, den Kunden in ein Gespräch zu verwickeln. Laut Naewie hat sich dieses System bewährt, die Beschwerden hielten sich in Grenzen.

Wie MM nutzt auch der RTL Club die Synergien seines Senderkonzerns, mit dem Unterschied, dass RTL auch auf die Ressourcen der Konzernmutter Bertelsmann zurückgreifen kann, zum Beispiel beim Druck und der Logistik. Insgesamt lagert der Club viele Aktivitäten aus, so wird das Clubmagazin beispielsweise von der RTL-Pressestelle produziert. Das RTL-Club-Team besteht lediglich aus vier Personen, die alle Aktionen von Gütersloh aus koordinieren.

Eine Ausweitung des Clubmodells auf die Schwestersender Vox, RTL II und Super RTL ist Naewies Ausführungen zufolge nicht geplant. Der Grund: Bei kleinen Sendern lohne sich ein Zuschauerclub nicht, da eine sechsstellige Mitgliederzahl nötig sei, um schwarze Zahlen zu schreiben. Und dies sei angesichts der relativ geringen Marktanteile von RTL 2 (7,7 Prozent), Vox (4,7 Prozent) und Super RTL (2,3 Prozent) recht unwahrscheinlich.

Wie viele Zuschauer durch die Clubs fest an die Sender gebunden werden, ist indes unklar, da es keine Verknüpfung der Mitgliederdaten zu den Fernsehquoten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) gibt. Die Umfragen, die RTL und ProSiebenSat.1 unter ihren Mitgliedern erheben, können den Zusammenhang zwischen Clubmitgliedschaft und Fernsehkonsum nur erahnen. Laut Naewie ist bei den Mitgliedern aber eine überdurchschnittliche Senderwahrnehmung vorhanden. Somit könnten die Club-Mitglieder durchaus als Stammzuschauer angesehen werden. brö

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