27.07.2003 - Deutschlands Internetwirtschaft hat der E-Mail-Plage Spam den Kampf angesagt: Verbände rufen Initiativen wider den elektronischen Werbemüll ins Leben, Online-Konzerne verklagen Versender der zumeist anrüchigen Werbebotschaften und richten ihren Usern kostenlose Spam-Filter ein. Fast täglich erscheint eine neue Anti-Spam-Software. Doch nicht nur die Versender der unerwünschten E-Mails bekommen diesen harten Kurs zu spüren. Auch seriöse Direktmarketing-Unternehmen haben darunter zu leiden.
Denn etwa zehn Prozent ihrer Mails bleiben in Spam-Filtern hängen oder werden schon im Vorfeld von den Providern abgeblockt. Die Gründe sind vielfältig: Entweder hat der E-Mail-Marketer am falschen Ende gespart und sich eine Versand-Software gekauft, die auch unseriöse Anbieter verwenden. Was die Provider dazu veranlasst, alle Benutzer dieser Programme zu sperren. Oder der Dienstleister verschickt auch für schwarze Schafe E-Mails, was dann alle Kunden ausbaden müssen. Die häufigste Ursache ist jedoch die Benutzung von illegal gesammelten E-Mail-Adressen. "Eine illegal erhobene Adresse reicht schon, um den ganzen Verteiler hochfliegen zu lassen", weiß Dr. Torsten Schwarz, E-Mail-Marketing-Experte und Geschäftsführer von Absolit in Waghäusel.
Mehrere Verbände haben sich nun auf die Fahnen geschrieben, dem geschäftsschädigenden Phänomen entschlossen entgegenzutreten. Am konkretesten sind dabei die Bemühungen des Deutschen Direktmarketing Verbandes (DDV). Dieser will in den nächsten zwei bis drei Monaten ein Qualitätssiegel für E-Mail-Werbung auf den Markt bringen. Wer die strengen Kriterien des Siegels erfüllt, hat gute Chancen, auf die so genannten White Lists der Provider und Spam-Filter-Hersteller zu kommen. Dass sich unseriöse Anbieter in diese Listen einkaufen, hält Schwarz für unwahrscheinlich: "Das kann sich kein Provider erlauben." Das Siegel kostet den Träger etwa 300 bis 500 Euro pro Jahr. Doch zunächst muss der DDV noch eine neutral besetzte Kommission zusammenstellen, die über die Vergabe der Siegel entscheidet. Das drei- bis fünfköpfige Gremium soll aus Vertretern aus der Praxis, von Providern, Anwendern sowie Verbraucher- und Wettbewerbsschützern bestehen.
Auf das Prinzip freiwillige Selbstkontrolle setzt das Electronic Commerce Forum (eco). Der Verband hat eine E-Mail-Marketing-Richtlinie erarbeitet. Wer sich an dieses Papier hält, kann damit auf seiner Website werben. Als Schutz vor Spammern dient die Richtlinie aber nicht. "Sie ist wichtig, um das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen, damit sie sich in Newsletter eintragen", teilt eco mit.
Beim Deutschen Multimedia Verband (dmmv) gibt es noch keine konkreten Projekte. Wie E-Marketing-Referent Michael Hodel mitteilt, führt der Verband aber schon Gespräche mit anderen Organisationen. Erste Ergebnisse sollen im nächsten Monat bekannt gegeben werden. Angestrebt seien unter anderem ein Prüfsiegel, die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen und die Einbindung von Verbraucherschützern.
Auch die Bundestagsfraktionen von SPD und CDU/CSU wollen Ini-tiativen gegen Spam starten. Die Forderungen der Union gehen dabei am weitesten: Die Konservativen wollen das Versenden von Spam - wie in den USA - unter Strafe stellen. Die SPD will erst einmal Vertreter der Branche anhören, um zu klären, ob auch eine "Wirtschaftslösung" ohne neue Gesetze möglich ist. Bislang fehlt es hier zu Lande an gesetzlichen Regelungen gegen Spam. Nur mit Gerichtsverfahren wegen unlauteren Wettbewerbs ist den Versendern beizukommen. Die EU forderte indes die Mitgliedstaaten auf, bis Oktober die Richtlinie umzusetzen, die den Spam-Versand verbietet.
Die E-Mail-Marketer räumen den politischen Aktionen keine großen Chancen ein. Grund: Die meisten Spams kommen aus dem nicht-europäischen Ausland, teilweise sogar von Bohrinseln, sodass deutsche Gesetze wirkungslos wären. "Das ist ein populistischer Ansatz. Die wollen wirken, bewirken aber nichts", kritisiert Dr. Torsten Schwarz. "Das einzige, was hilft, ist technisch den Saft abzudrehen." Eine Gesetzesdiskussion würde dagegen für Hysterie sorgen. In die gleiche Kerbe haut Wolf Osthaus, Bereichsleiter TK-Politik beim IT-Verband Bitkom: "Das Thema ist gerade mal wieder in." Er warnt vor "Aktionismus des Gesetzgebers". Sein Rat: "Den Ball flach halten."
Nach Meinung von Doubleclick-Manager Oliver Peters kann nur eine Kombination aus Gesetzgebung, technischen Entwicklungen, Aufklärung und Kooperation der Branchenvertreter das Problem "endgültig aus der Welt schaffen". Auch die E-Marketing-Dienstleister Mission <one> und Xpedite sowie der IT-Verband Bitkom halten wenig von den Bemühungen der Parteien. Prüfsiegel und Selbstverpflichtung seien dagegen sehr viel realistischer. Obgleich bei der Selbstverpflichtung Zweifel angesagt seien. So hat Klaus Baumann, Technischer Leiter von Xpedite, eher schlechte Erfahrungen mit diesem Mittel gemacht, als sich sein Unternehmen zusammen mit anderen Faxversendern gegen unseriöse Mitbewerber wehren wollte: Die deutschen Unternehmen hielten sich an die Regeln, doch die ausländischen Anbieter scherten sich herzlich wenig um den Faxkodex. Beim Medium E-Mail bestehe aber noch Hoffnung, da der Internet-Markt sehr viel größer als die rein B-to-B-orientierte Faxbranche sei.
Alexander Ewig, Geschäftsführer von OgilvyInteractive hält nichts von einer Selbstverpflichtung oder Prüfsiegeln.Grund: Die deutschen seriösen Anbieter befolgen die Regeln bereits. "Damit hilft sich die Branche und klopft sich selbst auf die Schulter. Doch gegen Spammer aus dem Ausland, die den DDV nicht kennen, hilft das nicht." Nur eine technische Lösung habe Aussicht auf Erfolg. Außerdem gebe es Möglichkeiten, mit denen sich die Direktmarkter leicht selbst helfen könnten, etwa nur Text-Mails zu verschicken. Viele Junk-Mails enthalten nämlich Filme und Bilder, sodass große HTML-Mails von vielen Providern automatisch abgeblockt werden. Laut Alexander Schwarz, E-Marketing Manager von Koop Direktmarketing, kommt es darauf an, einen "offenen und direkten Dialog mit den Initiatoren von Spam-Filtern zu führen".
In dieselbe Richtung gehen die E-Marketer von Xpedite, die mit zahlreichen Providern über die Aufnahme in White Lists verhandeln. Dazu prüfen sie stichprobenartig, ob die Kunden - wie vertraglich vereinbart - seriöse Adressen benutzen. Außerdem werden die Aussendungen nach bestimmten Keywords und einer Anhäufung von info@-Adressen, die meistens zuvor im Netz geerntet wurden, untersucht.
Derweil räumt Torsten Schwarz Spammern keine große Überlebenschance ein: "In Jahresfrist ist das Problem in Deutschland erledigt!" Dort sei der technische Ansatz am weitesten. Allerdings müssten sich alle Anbieter zusammentun, was dmmv-Vertreter Hodel bestätigt: "Die Tragweite des Problems ist so groß, dass es gar nicht möglich ist, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht." Thomas Striegl, Marketing-Vorstand von Mission <one> sieht Spam zudem als Chance für die seriösen Anbieter, sich abzugrenzen und auf Qualität zu setzen: "Das schafft Vertrauen für seriöse Anbieter". Gleichzeitig betont er die Gefahr, die Spams für das Medium E-Mail darstellen: "Die Akzeptanz des Mediums geht schnell runter, wenn viele Spammer unterwegs sind." brö
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