18.12.2014 - Auf vier bis fünf Euro aus der Wirtschaft einen Euro vom Staat - so könne man die Start-up-Finanzierung ganz einfach fördern. Das denkt auf jeden Fall Internet-Unternehmer Oliver Samwer, der Angela Merkel diesen Vorschlag unterbreitete. Das dürfte der Branche jedoch nicht genug sein. Die Erwartungen an die Politik sind hoch. Problematisch für den Dialog ist allerdings, dass sich die Inkubatoren, VCs und Start-ups offenbar in ihrer eigenen primär auf Wachstum und nicht auf Gewinn fokussierten Welt befinden, mit der die Politik noch nicht viel anfangen kann. ONEtoONE sprach mit Venture Capital-Investor Fabian Heilemann.
Was passiert, wenn Angela Merkel auf Oliver Samwer trifft? "Clash of Cultures"? Heftige Diskussionen? Ausweichende Antworten? Einiges bekamen die Besucher der #cnight, einer von der CDU veranstalteten Diskussionsrunde, schon geboten, als die Kanzlerin Anfang November auf den Internet-Unternehmer traf. Thema waren die Bedingungen für Unternehmen und Start-ups. Natürlich bemühte Samwer auch den ewigen Vergleich mit dem davoneilenden Silicon Valley. Aber was kann die deutsche Politik besser machen, um wenigstens noch die Rücklichter der USA auf ihrem steilen Weg der innovativen Gründungen zu sehen?
[f1]"Es ist eine Summe an rechtlichen und regulatorischen Hemmnissen, die eine Gründung in Deutschland mitunter anstrengend macht, keine Kulturfrage", sagt Fabian Heilemann, CEO und Gründer von Heilemann Ven-tures, im ONEtoONE-Interview. Dabei gebe es seit drei bis vier Jahren ein breit aufgestelltes Ökosystem für Gründer, zumindest was die Frühfinanzierungsphase betrifft. Business Angels, Inkubatoren, Crowdfunding, Venture Capital - die Möglichkeiten für junge Unternehmen waren wohl selten so zahlreich. Es sei heute sehr einfach, eine Finanzierung von 100.000 bis 200.000 Euro zu erhalten. Auch die Auswahl sei früher härter gewesen. "Heute werden häufig auch Unternehmen finanziert, die nach professionellen Maßstäben zu wenig Potenzial haben."
[hl]"Die staatlichen Zuschüsse stellen keine relevanten Instrumente dar"[/hl]Von der politischen Seite bewegt sich ebenfalls einiges in Sachen Entrepreneurship. In der digitalen Agenda findet sich ein eindeutiges Bekenntnis zu mehr Förderung. Einzig ein konkreter Plan fehlt. Positive Signale sind jedoch da. So soll der German Accelerator, den es neben dem Standort Silicon Valley nun auch in New York gibt, deutschen IKT-Unternehmen den Eintritt in den US-Markt ermöglichen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat einen 500-Millionen-Euro-Topf zur Start-up-Förderung in Aussicht gestellt. Außerdem gibt es die Programme EXIST, eine Förderung speziell für technologische Gründungen aus dem wissenschaftlichen Umfeld, sowie INVEST, das Anreize für die Investitionen von Business Angels, also private Investoren, schaffen soll. Doch das sei, glaubt man der Branche, nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Zalando wäre durchs EXIST-Raster gefallen, sagt Heilemann. Es passt schlicht und einfach nicht ins Anforderungsprofil. Auch für INVEST würden sich professionelle Investoren nur in Ausnahmefällen interessieren. Sein Fazit: "Die staatlichen Zuschüsse stellen für viele der führenden Player in der Industrie keine relevanten Instrumente dar." Das Problem sei ohnehin die Aufnahme großer Summen. "Bei der Aufnahme siebenstelliger Summen scheitern aktuell neun von zehn Start-ups. In diesem Bereich sollte sich der Staat stärker engagieren - mit eigenen Mitteln oder durch die Schaffung von Anreizen für weitere private Akteure."
Der aktuelle Vorstoß, den das Land Hessen im Bundesrat gemacht hat und der die Besteuerung von Erträgen aus der Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen betrifft, ist sicherlich ebenso wenig der Anreiz für private Investoren, den sich die Branche vorstellt, wie das kürzlich im Kabinett verabschiedete Kleinanlegergesetz, das Crowdfunding erschweren würde.
[hl]Deutscher Steuerschreck[/hl]Zum einen wünschen sich sowohl Investoren wie auch Gründer weniger strenge institutionelle Anlagerichtlinien, so wie es in den gründerfreundlichen USA ist. "Da investiert jede Bank, jede Versicherung direkt oder mittels Fonds in Venture Capital. Die Richtlinien für Investments von institutionellen Investoren müssten in Deutschland gelockert werden, damit wir gegenüber dem angloamerikanischen Raum wettbewerbsfähig werden," meint Heilemann.
Ein weiteres Problem ist die Mehrwertsteuer auf Managementgebühren. Unterm Strich würden einem Fonds, der in Deutschland inkorporiert, 19 Prozent der Management-Gebühren verloren gehen, die für die Deckung der operativen Kosten zur Verfügung stehen, so Heilemann. Eine weitere steuerrechtliche Abschreckung für Investoren sei die Ertragsbesteuerung auf Gewinnbeteiligungen.
[hl]Ungewohnte Unternehmensphilosophie der Start-ups[/hl]Für die Start-ups selber stehen wohl in erster Linie arbeitsrechtliche Hindernisse im Weg. Zum einen ist da die problematische Beschaffung von Arbeitsvisa für ausländische Fachkräfte. Trotz fehlender IT-Spezialisten ist es sehr schwierig, passende Mitarbeiter außerhalb der EU zu akquirieren. Das liegt nicht allein an den Zertifizierungshürden für die Diplome aus dem nicht europäischen Ausland, sondern auch an der Schwierigkeit, nicht nur die Fachkraft, sondern auch deren Familie nach Deutschland zu holen. Zum anderen stellt der Kündigungsschutz eine große Hürde dar, er sei sogar "vollkommen ungeeignet für die Bedürfnisse von Start-ups", so Heilemann. "Wir bräuchten eine Öffnungsklausel, die es Unternehmen in den ersten zwei bis vier Jahren ihres Bestehens ermöglicht, das Thema flexibler zu handhaben."
Zwischen Merkel und Samwer kam es bei der #cnight doch noch zum "Clash of Cultures". Und zwar als die Kanzlerin die Unternehmensphilosophie der Start-ups thematisierte und fragte, warum Start-ups eigentlich keine Gewinne machen, man sich von diesen Unternehmen sofort wieder lösen würde, wenn sie doch so toll seien, und warum man Expansion betreibe, wenn man keine Gewinne einfahre. So ganz mit der Kultur der Realwirtschaft ließe sich das ja nicht vereinbaren, so Merkel. Mangels passender Antwort wich Samwer auf die Unterschiede zu den USA, insbesondere was den Gründergeist betrifft, aus. Ein wunder Punkt der Branche, nicht nur bei Oliver Samwer, sondern offenbar auch bei Fabian Heilemann. "Die allermeis-ten Start-ups brauchen vier bis sechs Jahre, bis sie Gewinn machen." Daher sei es strategisch klug, erst mal keine Gewinne auszuschütten und alle verfügbaren Mittel in weiteres Wachstum zu reinvestieren. Wachstum sei das A und O. "Es ist nun einmal so, the winner takes most, oder gar, the winner takes all. Es geht in den ersten Jahren nur darum, Wachstum und Marktanteil zu optimieren. Einen anderen sinnvollen Weg gibt es nicht, das ist keine Frage des Geschmacks, sondern eine Frage von richtiger oder falscher Unternehmensstrategie."
Mit der Strategie "Möglichst schnelles Wachstum und anschließender Exit" hat allerdings nicht nur Angela Merkel ihre Probleme. Auch von medialer Seite regt sich immer wieder Unverständnis ob dieser Art der Unternehmensführung, wo es offenbar mehr um irreale Zahlen als um reale Nutzenmehrung geht.
Natürlich sei auch ein Start-up darauf ausgelegt, irgendwann mal Gewinn zu machen, bekräftigt Heilemann. Allerdings komme nun einmal zunächst Wachstum, sonst gehe man unter. "Frau Merkel hat das nicht verstanden." Damit ist sie seiner Ansicht nach übrigens nicht die Einzige. Auch Wirtschaftsjournalisten würden Venture Capital nicht verstehen. Außer den Investoren versteht das Konzept anscheinend niemand. Und auch Heilemann kommt zu dem Schluss, dass da wohl alle auf unterschiedlichen Planeten leben, auf dem einen die Venture-Capital-Investoren, auf dem anderen der Rest. (ks)
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