29.08.2012 - Agenturen wollen eine wichtigere Rolle bei Produktentwicklungen spielen und "kommunikative Gene" erzeugen. Stefan Kolle (Kolle Rebbe) und Stefan Zschaler (Leagas Delaney) sprechen über ihr Bild von Agenturen als "Erfinder". Stefan Kolle beispielsweise fordert ein Umdenken in Unternehmen: "Leute verarschen ist problematisch", Produkte müssen Substanz haben, Verbraucher wünschen mehr Transparenz.
Produkte sind schon lange austauschbar geworden. Gute Werbung muss hier für die nötige Differenzierung und Aufmerksamkeit sorgen", sagt Stefan Kolle, Geschäftsführer der Agentur Kolle Rebbe, zur Aufgabe von Werbung. "Aber manchmal können wir auch mit Werbung nicht helfen, weil das Produkt einfach nicht gut ist." Stefan Zschaler, Geschäftsführer von Leagas Delaney, sagt auch: "Es ist eine Binsenweisheit, dass die beste Werbung nichts nützt, wenn ein Produkt irrelevant ist oder die versprochene Leistung nicht hält." Die Agenturvertreter beobachten, dass produzierende Unternehmen immer öfter in der Produktentwicklung auf Werbeagenturen zurückgreifen.
Für Stefan Kolle ist das aber kein neuer Trend. Seine Agentur hat bereits vor sechs Jahren mit Kolle Rebbe "Form und Entwicklung" (Korefe) eine eigene Unit gegründet, die Produkte verbessert und sogar erfindet. Mit klassischer Werbung hat das dann erst mal wenig zu tun: "Ich nenne das `kreative Business-Intelligenz`", sagt er. Korefe produziert unter anderem Seife und Delikatessen, die weltweit verkauft werden, online wie offline. Angefangen habe das Projekt mit Erfahrungen in der Getränkebranche. Ein Bier aus Mecklenburg-Vorpommern wollte sich einfach nicht verkaufen, trotz aller Werbung. Kolle Rebbe untersuchte den lokalen Markt und kam zu dem Schluss, dass die Kunden zwei Dinge wollten: günstiges Bier und schnell betrunken werden. Daher lautete die Empfehlung: Braut ein Bier, das nicht fünf Prozent Alkohol, sondern neun Prozent hat. Das Bier "Freibeuter" wurde ein Erfolg. "Ideen braucht man überall", sagt Stefan Kolle, "sowohl in der Werbung als auch in der Produktentwicklung."
Es gebe zwei Disziplinen, in denen Werbeagenturen stark seien und über die sie ihre Kunden unterstützen könnten: Strategie und Kreation. Denn Werbestrategen haben "Insights" von Menschen und wissen, was gebraucht wird, so Kolle. Zschaler: "Viele Unternehmer oder Erfinder von Produkten machen bei der Markenentwicklung den Fehler, dass sie die Aspekte der Kommunikation vernachlässigen." Agenturen könnten während der Entwicklungsphase dafür sorgen, dass ein Produkt auch gute "Gene für Kommunikation" erhält.
[f2]Der Wunsch der Agenturen, besser in die Produktentwicklung der Unternehmen integriert zu sein, rühre nicht aus der Notwendigkeit heraus, neue Geschäftsfelder erschließen zu müssen, sagt Stefan Kolle. "Die Gründung von Korefe hatte nichts mit Umsatzrückgängen zu tun. Stattdessen sind wir davon überzeugt, dass wir unseren Kunden helfen können, wenn wir uns früher an der Produktplanung beteiligen." Der Bedarf läge auf der Hand, denn Verbraucher seien informierter als früher, so Kolle. Und so sei es nötig, ein Produkt verstärkt aus der kommunikativen Perspektive zu planen. "Heutzutage kann man nicht mehr sagen: `Ich verkaufe 40 Gramm weniger pro Verpackung, dann mache ich mehr Gewinn.` Leute verarschen ist problematisch. Das geht nicht mehr und fällt auf einen zurück." Es gebe ein neues Transparenzgefüge in der Wirtschaft. Unternehmen müssten mehr Substanz bieten und ehrlichere Produkte verkaufen.
[hl]Der Schuster und seine Leisten[/hl]DDB-Kreativchef Amir Kassaei forderte bereits 2009 auf dem Deutschen Multimedia Kongress: "Werbung ist nicht dazu da, Missstände in der Produktentwicklung zu kompensieren. Agenturen müssen sich auf eine veränderte wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation einstellen und bei den Kunden in die Produktentwicklung mit eingebunden werden." DDB gründete dafür 2010 Hubble Innovations. Hubble ist in Deutschland aber nicht mehr aktiv.
[f1]Stefan Zschaler gibt zu bedenken: "Schuster bleib bei deinen Leisten. Es gibt für alles Spezialisten. Wir sind Spezialisten für Marke und Kommunikation. Wir bevorzugen die Arbeit für Menschen, die eine Produktidee haben, aber noch keine Strategie und keinen Namen. Dann wägen wir ab, ob wir an die Idee glauben. Wenn wir das tun, dann investieren wir unser Know-how und entsprechende Manpower. Vorausgesetzt, die Macher lassen sich auf eine faire Erfolgsbeteiligung ein." Zschaler fügt hinzu, dass es bislang vor allem Start-ups seien, die gern mit sich reden ließen und "partnerschaftlicher" eingestellt seien.
[hl]Unternehmen sind empfindlich[/hl]Stefan Kolle spricht von verschiedenen Agenturkunden aller Größen, die sich beraten ließen: "Alle wollen ja Werte schaffen und verkaufen. Und wenn es ums Geld geht, dann lassen sie auch mit sich reden. Wenn wir überzeugen können, dann haben wir einen neuen Kunden." Aktuell arbeitet man bei Kolle Rebbe an verschiedenen Produkt-ideen für ein größeres Unternehmen. Aber sprechen könne der Agenturleiter noch nicht darüber. "Die Unternehmen lassen uns zwar rein in ihre Entwicklungsprozesse. Aber es gibt natürlich eine gewisse Befindlichkeit, die wichtig ist. Kolle Rebbe kann nicht herumgehen und sagen, `Wir haben das und das erfunden.`" (db)
[k]Dieser Artikel erschien in ONEtoONE Ausgabe 9/12[/k]
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