06.07.2012 - Wie sehr ist der europäische Online-Handel von amerikanischen Geschäftsmodellen abhängig? Laut Georg Schardt, Vorstand der Payment Network AG, hinkt Europa bei der digitalen Revolution gewaltig hinterher. Warum, das erläutert er in seinem Freiraum-Beitrag.
Der E-Commerce boomt in Europa und kennt nur einen Weg: nach oben. 2011 wurde erstmals die 200-Milliarden-Euro-Umsatzgrenze durchbrochen. Doch ist es wirklich ein europäisches Phänomen? Es lohnt sich ein genauer Blick auf die Realität. Wenn wir als Europäer ehrlich zu uns selbst sind, müssen wir uns eingestehen, dass die Macht, der Umsatz, die Marktbeherrschung und die Renditen im Internet längst in der Hand von amerikanischen Geschäftsmodellen und Konzernen wie Ebay, Amazon, Google, Apple oder Facebook sind.
Alle erfolgreichen Internetunternehmen mit globaler Bedeutung der letzten Jahre haben ihren Ursprung ausnahmslos außerhalb Europas. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass die so genannten Infrastrukturanbieter, also beispielsweise die Unternehmen, die die Handelsplattformen zur Verfügung stellen, beziehungsweise die Zahlungen im europäischen E-Commerce abwickeln, fast alle aus den USA stammen. Google Check-out, Ebay mit Paypal, Amazon Payments, Facebook Coins - die Liste der Anbieter lässt sich beliebig verlängern. Letztendlich ist jedes europäische E-Commerce-Unternehmen gezwungen, diese Infrastruktur zu nutzen. Abstrakt betrachtet, sind Infrastrukturanbieter im Internet so etwas wie die modernen Mautstellen im E-Commerce. Momentan schaut es danach aus, dass diese Mautstellen ähnlich wie bei der Kreditkarte von nicht europäischen Unternehmen besetzt werden.
Der Grund für den Erfolg amerikanischer Unternehmen: Sie sind fokussiert, innovativ, technologieorientiert und auf einem großen Binnenmarkt, der Innovationen fördert, schnell gewachsen. Das ist die Basis zur weltweiten Expansion. Warum gelingt das in Europa nicht? Der "alte Kontinent" hat drei wesentliche Strukturdefizite: 1. einen fragmentierten Binnenmarkt, der zu hohen Kosten bei einer europäischen Expansion führt. 2. einen Binnenmarkt, der zusätzlich noch landesspezifische regulatorische Hürden aufbaut. 3. Teile der europäischen Wirtschaft wollen "offiziell" innovativ sein, aber eigentlich den Status quo nicht verändern. Zum Beispiel ist es Common Sense, die Verbreitung von Elektroautos zu fördern, gleichzeitig pochen die Hersteller darauf, die heimische Produktion von Dieselmotoren aufrechtzuerhalten.
Die Europäische Union hat das erkannt und will mit der "Digital Agenda" gegensteuern. Die Agenda ist eine von sieben Leitinitiativen der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Payment ist ein Kernbereich dieser Agenda. Doch wir müssen jetzt handeln: Gerade im Internet mit seiner systemimmanenten hohen Dynamik führen langsame Entscheidungen zu einer kompletten Marktaufgabe. In anderen Segmenten wie bei der Suche (Google) oder einer Handelsplattform (Ebay) oder bei sozialen Netzwerken (Facebook, Google Plus) sowie im Bereich des mobilen Internets (Apple, Samsung) ist die Chance bereits vertan. Umso wichtiger ist der Zahlungsverkehr. Hier besteht noch die Chance, dass sich starke europäische Unternehmen zu internationalen Strukturanbietern entwickeln. Dafür gilt es jetzt, möglichst rasch Standards zu schaffen. Dieser Prozess muss fair, offen für alle Teilnehmer sein und Innovationen zulassen. Denn eines steht fest: Europa hinkt bei der digitalen Revolution erheblich hinterher, dieser Rückstand muss unbedingt aufgeholt werden. Für den Staatenbund gibt es gar keine andere Wahl, als an vorderster Front zu stehen: Nur Wettbewerb und Innovation sichern unseren Wohlstand auf Dauer.
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