30.04.2012 - Bisher provozierten vor allem Media Markt und Saturn mit derben Slogans wie "Lass dich nicht verarschen" und "Geiz ist geil". Nun polarisierte jedoch die konservative Unilever-Marke Du darfst mit "Fuck the Diet!". Unser Rundruf lautete daher: Wie derb darf Werbung sein? Und wie wirkt sich die Ausdrucksweise auf das Produkt-Image aus?
Dr. Sven Becker
TBWA/Germany, BerlinJede Marke hat ein bestimmtes "brand behaviour". Zu diesem Verhalten bzw. Image muss die Kommunikation passen, nicht umgekehrt. Zwar schafft derbe oder grenzüberschreitende Werbung oft Aufmerksamkeit, aber wenn die Tonalität nicht der Marke in ihrer Gesamtheit entspricht, ist dies kurz gedacht und wird die Konsumenten im Zweifelsfall eher irritieren oder verärgern als zum Kauf anregen.
Florian Grimm
Grimm Gallun Holtappels, HamburgNa klar darf Werbung auch mit etwas Zünftigerem auffallen und aus der Reihe tanzen. Dabei sollte nur irgendwo ein smarter Grundgedanke erkennbar bleiben, und das Ganze muss eine glaubhafte Verbindung zur Marke haben. Nur einmal derbe anbiedern, um etwas Staub aufzuwirbeln, ist kontraproduktiv.
Frank Dovidat
Publicis, Hamburg"Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!" (Joschka Fischer) Die Provokation ist seit je ein Mittel der Kommunikation. Genauso wie die dann einsetzende Aufregung über die Provokation. Erst wenn einer wütend aufschreit, hat die Provokation ihr Ziel ereicht. Also alles prima bei Du darfst? Ich finde, nein. Der Bruch wirkt aufgesetzt und unpassend für eine so tradierte Marke wie Du darfst.
Eugen Kern
G2 Germany, Frankfurt/MainMehr als Zweidrittel der Deutschen haben in den vergangenen zwei Jahren eine Diät und dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Wer würde nicht lieber unbeschwert genießen, abspecken und sich gesund fühlen? Der Wurm muss dem Fisch schme-cken, d. h. wenn es der Zielgruppe gefällt, so angesprochen zu werden, Aufmerksamkeit mit einem Versprechen kombiniert wird, warum nicht? Ich bin mir sicher, dass der Spot arbeitet und neue Zielgruppen anspricht.
Harald Kling
GKK Dialog Group, Frankfurt/MainAuffallen um jeden Preis muss Grenzen haben. Die sehe ich jedoch bei der Du-darfst-Kampagne nicht überschritten. Aber die Wahrheit beginnt, wie immer, beim Empfänger der Botschaft. Und ihm sollte man zutrauen, sich sein eigenes Bild zu machen. Aus eigener Diät-Erfahrung und damit als Zielgruppenmitglied weiß ich das. Du darfst leider meistens nicht.
Justin Landon & Tobias Wortmann
Landon Wortmann, HamburgWas ist schon derb? Worte wie "Fuck" hören und lesen wir täglich zigmal. Und aus dem Munde der Frauen in der Kampagne klingt das Ganze so nett und harmlos, dass wir die Aufregung nicht verstehen. Auf persönlicher Ebene sind Satz und Kampagne sicher Geschmackssache. Aber als Werber müssen wir anerkennen: Hier wurde an eine Idee geglaubt, ein Risiko eingegangen und etwas geschaffen, von dem vorher klar sein musste, dass es nicht jedem gefällt. Darauf jetzt einzuprügeln ist zu einfach.
Peter Prislin
Heye & Partner, UnterhachingEines sollten wir als Verantwortliche für Werbebotschaften nie vergessen: Selten haben die Betrachter die Wahl, ob sie unsere Arbeiten sehen, lesen, hören wollen oder nicht. Insofern sehe ich es als Pflicht, die Relevanz unserer Botschaften zu hinterfragen. Provokation der Provokation und nicht der Aussage wegen, ist öde Effekthascherei und schadet dem Image der Werbung. Wir waren es, die den Kunden gesagt haben, lasst euch nicht verarschen. Also sollten wir es auch unterlassen.
Carsten Teller
Artundweise, BremenDie Idee: wie ein Befreiungsschlag. Die Reaktion: wie bei einer Bücherverbrennung im amerikanischen Bible Belt. Die Erkenntnis: wie immer - Englisch funktioniert nicht.
Horst Wagner
Pixelpark, HamburgDie Ausdrucksweise in allen öffentlichen Medien beeinflusst die Gesellschaft und durch die digitalen Medien besonders die jüngere Generation. Generell bleibt niveaulos eben niveaulos. Im Fall Du darfst ist es zudem schlecht umgesetzt. Da wollte man offenbar ein klares Statement zum Genuss abgeben und hat lediglich die Ausdrucksweise verändert und das Design gelassen wie immer. Eben langweilig. Niveaulos und langweilig ergibt?
Stefan Walz
Shift, HamburgDerbheit kann effektive und auch sympathische Werbung ausmachen - solange sie raffiniert bleibt. Wenn es aber lediglich darum geht, der Erste zu sein, der ein bis dahin unberührtes Tabu bricht, dann finde ich das nur langweilig. Das entspricht auch nicht der Verantwortung, die wir als Kommunikationsprofis unseren Kunden und den Menschen gegenüber haben, die unsere Werbung sehen.
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