Direktmarketing in Bedrängnis

29.09.2008 - Ohne Übertreibung kann man festhalten: Die Direktmarketing-Branche ist in heller Aufregung.

Grund: Die Bundesregierung will nach dem Bekanntwerden mehrerer krimineller Datenschutzverstöße schärfere Gesetze verankern - und zwar schon zu Beginn nächs ten Jahres. Insbesondere die geplante Opt-in-Regel sorgt für Verärgerung. Die Weitergabe von Daten soll von der Zustimmung der Kunden abhängig gemacht werden. Bislang müssen sie aktiv widersprechen, um den Handel mit ihren Daten zu verhindern.

Die Pläne haben zwar noch einige parlamentarische Hürden zu nehmen. So tagt am 21. November die Innenministerkonferenz; dann muss das Gesetz durch den Bundestag und schließlich durch den Bundesrat. Aber allein die Tatsache, dass sich die Bundesminister Schäuble (Inneres, CDU), Seehofer (Verbraucherschutz, CSU), Glos (Wirtschaft, CSU) und Zypries (Justiz, SPD) für das Gesetz weit aus dem Fenster lehnen, legt die Befürchtung nahe, dass die Pläne zügig in die Tat umgesetzt werden.

Nun laufen alle Sturm, die in irgendeiner Form mit Direktmarketing zu tun haben. Dazu gehören der DDV, der Versandhandelsverband und der ZAW, aber auch der BDI, die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, der Einzelhandelsverband und der DIHK.

Sämtliche Verbände rund ums Direktmarketing befürchten Umsatzausfälle in Milliardenhöhe. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) beziffert das bedrohte Umsatzvolumen für die einzelnen Wirtschaftsstufen der Direktwerbung auf fünf Milliarden Euro. Die Folge: "Arbeitsplätze und Betriebe würden vernichtet", so ZAW-Sprecher Volker Nickel. "Statt nach immer noch schärferen Datenschutzgesetzen zu rufen, sollten wir uns vielmehr auf eine konsequente Anwendung der bestehenden Regelungen und - im Falle von Verstößen - konsequente Ahndung und Sanktionierung konzentrieren", meint auch Matthias Ehrlich, Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW).

Dr. Peter Rheinländer, Justiziar des Versandhandelsverbands, sagt: "Die Diskussion ist vergleichbar mit der Forderung, das Vermieten und Leasen von Autos zu verbieten, um den Autodiebstahl einzudämmen." Statt über neue Regelungen solle über eine bessere Ausstattung der Datenschutzbehörden nachgedacht werden.

Wasser auf die Mühlen von DDV-Vize Patrick Tapp: "Für die Listbroker würde ein Großteil ihres Geschäftes wegbrechen." So viele Opt-ins könne man gar nicht generieren. Diese Unternehmen hätten also massive Schwierigkeiten, ihr Geschäft weiterzuführen. Tapp: "Die Mitglieder unserer Councils sehen sich massiv bedroht." Bei bestehenden Kundenbeziehungen seien die Gesetzespläne kein so großes Problem. Wer aber darauf angewiesen sei, neue Kundenbeziehungen herzustellen, stünde vor großen Schwierigkeiten. Betroffen seien nicht zuletzt Spendenorganisationen. Frédéric Cavro, Managing Director von SAZ, fürchtet sinkende Spendenvolumina, eine schwächelnde Binnenkonjunktur und Entlassungen. "Würde Adressvermietung verboten oder eingeschränkt, käme die Mailing-Kommunikation des Versandhandels zum Erliegen", schreibt Cavro in einer öffentlichen Stellungnahme (Seite 25). "Druckereien, Brief- und Paketbeförderung würden massive Einbrüche erleiden."

Auch Ingo Bohlken, Mitglied des Bereichsvorstands Brief Deutschland, ist von den Regierungsplänen nicht gerade begeistert. "Ein generelles Opt-in wird nach unserer Meinung nicht zusätzlich zur Datensicherheit beitragen." Das BDSG biete ohne Zweifel eine klare und ausreichende Regelung hinsichtlich der Verwendung von Consumerdaten. Bohlken: "Das generelle Opt-in birgt durchaus Risiken, nicht nur für die Adressdienstleister, sondern für das adressierte Dialogmarketing generell und damit nicht zuletzt auch für die gesamte werbungtreibende Industrie."

Etwas diplomatischer drückt sich Michael Baumbach aus, Geschäftsführer der Bertelsmann-Tochter AZ Direct: "Als seriöser Anbieter begrüßen wir jeden angemessenen Schritt, der dazu beiträgt, Datenmissbrauch zu verhindern und die legale Verwendung von Daten sicherzustellen." Die geplante Regelung sei allerdings nicht die richtige Maßnahme.

Frank Meier-Gerßler, COO von Global Group Dialog Solutions, sieht die Gefahr, dass in der Neukundengewinnung die Ansprache von relevanten Potenzialen erschwert wird. Die Folge: "Ich hätte mehr Angst, dass mein Briefkasten wieder voller Werbeflyer ist, die nicht meinen Bedarf treffen. Das würde die Branche spüren, aber eben auch der Konsument, der ja heute durchaus die gezielte Ansprache auf - für ihn relevante - Angebote begrüßt", sagt Meier-Gerßler. Letztlich sei es auch im Interesse der werbetreibenden Industrie, einen effizienten Mix der Ansprachekanäle einsetzen zu können.

In dieselbe Kerbe schlägt Schober-Vorstand Arnold Steinke: "Eine Umsetzung des Opt-in-Verfahrens bei adressierter Werbung wäre ein absoluter Tiefschlag für die werbetreibende Wirtschaft." Betroffen wären alle Unternehmensgrößen, denn die bisher übliche zielgruppenoptimierte Werbung sei dann nicht mehr möglich. Betroffen wären auch alle Filialbetriebe, Konzerne, die über verteilte Datenbanken verfügten, diese jedoch bisher zentral nutzten. Steinke: "Das Infopost-Aufkommen der Deutschen Post würde enorm sinken, gleichzeitig die undifferenzierte, breit streuende, Ressourcen vernichtende Prospektflut wachsen."

Martin Teschke

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