Werbung ohne Mutti am Herd?

29.09.2008 - Das EU-Parlament in Brüssel fordert, dass künftig Werbung auf allen Kanälen unterbunden wird, die Geschlechterklischees vermittelt. Mit anderen Worten: Das Bild der Reklame-Mutti am Herd oder in der Waschküche soll bald der Vergangenheit angehören.

Ob das dann auch bedeutet, dass sich Männer in der Werbung künftig nicht mehr als Handwerker zeigen dürfen, wurde bislang nicht diskutiert. ONEtoONE fragte in der Branche nach Meinungen zum Thema.

Sabine Hennig-Zwick Geschäftsführerin der Agentur MSHZ in Hamburg:Warum die Diskussion? In den 50-er Jahren wurden Frauen in der Reklame meist zu einem Arbeitsgerät degradiert. Mit dem hochprozentigen Tonikum "Frauengold" beispielsweise wurden die Frauen seinerzeit handzahm gemacht. Dazu gab es Tipps, wie Frau schneller putzt und kocht, um mehr Zeit für Mann und Familie zu haben. Nicht etwa für sich selbst. Heute hingegen dürfen wir längst die eigene Kreditkarte aus dem Badeanzug ziehen oder für eine allgegenwärtige Körperpflege-Kampagne zeigen, wie wir sind. Auch mit kleinen Makeln. Was wollen wir mehr?

Astrid Groß-Bild Geschäftsführerin der Agentur Connecting Ideas in Mechernich:Ich finde es unglaublich, für welchen Unsinn unsere Steuergelder vernichtet werden! Man sollte eigentlich denken, dass das EU-Parlament wichtigere Punkte zu bearbeiten hätte. Außerdem sind die Werbebotschaften mittlerweile bunt gemischt zwischen Mann und Frau - egal, welche Produkte es betrifft. Die besten Köche der EU sind überwiegend Männer, Frauen sind auf dem Vormarsch bei den Spots der Baumärkte. Und da gibt es noch viele Beispiele. Ich kann hier beim besten Willen keine Geschlechterklischees mehr feststellen. Im Gegenteil. Man sollte sich viel eher Gedanken über Werbespots machen, die offensichtlich geschmacklos sind - zum Beispiel zu gewissen Lebensversicherungen. Oder über Werbung mit Kindern, die Arzneien anpreisen. Diesen Umstand halte ich für ethisch wirklich bedenklich.

Claudia Keimel Chefin der Agentur Visid Design in Hamburg:Vielen Werbeagenturen würde es bestimmt zu neuen, kreativen Höhenflügen verhelfen, wenn die Klischeeschublade geschlossen bliebe.

Bernd Sanmann Geschäftsführer der Agentur SHR Communication in Hamburg:Die Mama von Eva Lotta steht dann nicht in der Küche zu Weihnachten, sondern rasiert sich das Gesicht. Wie soll es möglich sein, auf Klischees zu verzichten? Wer würde bestimmen, was ein Klischee ist und was nicht? Ich glaube auch, dass den Frauen ein Bärendienst erwiesen wird, wenn sich Kraft des Gesetzes verzerrte Bilder ihrer Geschlechter nach den Vorstellungen von Frau Eva Brit Svensson in den Medien durchsetzen. Damit meine ich nicht nur die Werbung. Das beginnt nur hier und endet bei sämtlichen Medien inklusive Kinderbücher. Wer will das wirklich?

Harald Kratel Geschäftsführer der Online-Partnerbörse Parship in Hamburg:Wenn Gleichberechtigung, dann auch richtig! Im Ernst: An dieser Frage wird die Absurdität dieser EU-Aktion deutlich.

Wolfgang Hildebrand Geschäftsführer der Agentur Achtung in HamburgZugegeben: Frauen hinterm Herd zu zeigen hilft, Geschlechterklischees zu zementieren. Andererseits: Sosehr Werbung gelegentlich übertreibt, fantasiert oder schlichtweg lügt - manchmal zeigt sie auch einfach nur die traurige Realität. Und die lässt sich nicht so einfach wegzensieren.

Uwe Middeke Geschäftsführer der Agentur Straight in MünchenIch finde auch, dass Mutti am Herd nur die schlimmsten Assoziationen hervorruft. Also weg damit! Nein, Quatsch. Meiner Meinung nach haben diejenigen, die sich so etwas ausdenken, einen schweren Software-Fehler oder sind stark traumatisiert. Was will man aber von Leuten erwarten, die fürs Reglementieren bezahlt werden? Werbung bedeutet Kreativität und Freiheit. Und ich sehe auch gerne mal die Frau am Herd. Genauso wie mich mit Hammer und Zange.

Stephan Dietzschold Medialeiter bei der Agentur Pilot in HamburgMeinen Glückwunsch den Damen und Herren in Brüssel! Wieder ein Thema von elementarer Bedeutung in Angriff genommen, das über Jahre hinweg eine intensive Fokussierung garantiert, die Masse beschäftigt und ganz nebenbei ihre eigene Daseinsberechtigung untermauert.Sollten diese Forderungen tatsächlich umgesetzt werden, ist es sicherlich ein Leichtes, Vati an den Herd oder wahlweise in die Waschküche zu stellen und Mutti heimwerken zu lassen. Aber Obacht vor zu tief hängenden Dunstabzugshauben, splitternden Fingernägeln oder den allgemein akzeptierten und gelebten Rollenbildern! Für derlei Notfälle wird Brüssel sicherlich eine weitere Notlösung parat haben.

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