Frage-Antwort-Portale boomen im Web-2.0-Hype

29.01.2007 - Große Marken auf den Spuren von Wer-weiss-was.de. Die Vermarktung steckt aber noch in den Kinderschuhen

Wer, wie, was? Wieso, weshalb warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!" Was die beliebte Kinderserie "Sesamstraße" schon seit mehr als 30 Jahren propagiert, hat sich jetzt auch in der deutschen Internetwirtschaft durchgesetzt. Das Konzept ist ganz einfach: Man stellt den Nutzern eine Plattform zur Verfügung, auf der sie Fragen zu allen möglichen Themengebieten stellen können. Anschließend geben User, die sich auf dem jeweiligen Themengebiet gut auskennen, kostenlos Antworten.

Durch dieses Verfahren wird eine große Lücke in der Internetrecherche geschlossen. Schließlich helfen selbst ausgefeilte Suchstrategien und Enzyklo pädien nicht bei Fragen wie "Warum sind Autobahnschilder blau?". Auch die sonst als Allheilmittel angepriesenen Suchmaschinen müssen da meistens passen, da ihr mathematischer Algorithmus mit solchen Fragen überfordert ist. "Das ist ein weiterer Weg, wie man an Informationen herankommen und vom Wissen anderer Leute profitieren kann", lobt Manfred Klaus, Geschäftsführer der Agentur Plan Net Media.

Obendrein führen die Portale die Suchmaschinenbenutzer an das Medium Online-Forum heran, das bislang nur von einer Minderheit der Onliner benutzt wird. "Durch ihre vertrauten Marken werden jetzt erfahrene User dazu ermutigt, in Foren Fragen zu stellen", erklärt Ralf Scharnhorst, Managing Director der Media-Agentur Media Contacts Deutschland.

Den Anfang machte bereits vor zehn Jahren die Hamburger Internetagentur Epublica mit ihrem Expertenportal Wer-weiss-was.de. So richtig Schwung kam in das Geschäft mit Frage-Antwort-Portalen aber erst 2006, als die Bertelsmann-Tochter Lycos Europe im Zuge des allgegenwärtigen Web-2.0-Hypes ihren Service Lycos IQ startete. Wenige Monate später folgte der Internetkonzern Yahoo mit seinem schon in vier Ländern etablierten Angebot Yahoo Clever. Seit wenigen Wochen mischt auch die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck mit, die im Rahmen ihrer neuen Internetstrategie das Portal Gutefrage.net startete.

Zum Jahreswechsel kamen die semiprofessionellen Angebote Quansr und Fragr hinzu. In den Startlöchern sitzen der Software-Konzern Microsoft und der Online-Buchhändler Amazon, die ihre Angebote Windows Live QnA und Questionville noch in den USA testen.

Wachstumsmotor ist neben dem Megatrend zu nutzergenerierten Inhalten (Web 2.0) die seit Jahren ungebrochene Popularität von Wissenssendungen und -zeitschriften. Obendrein lockt das boomende Geschäft mit der Vermarktung von Suchtreffern. Allerdings geht der Löwenanteil der Einnahmen an den Marktführer Google, der laut Webhits im deutschen Internet mehr als 90 Prozent der Suchanfragen beantwortet.

Für Yahoo und Lycos sind Experten-Communities daher eine große Chance, ihre Suchdienste aufzuwerten und somit einen größeren Anteil am Werbekuchen zu ergattern - zumal Google seinen kostenpflichtigen Dienst Google Answer im vergangenen Jahr eingestellt hat. So lässt sich auch erklären, warum Yahoo zur Bewerbung seines Frage-Antwort-Portals zum ersten Mal seit Jahren wieder in eine Plakat- und TV-Kampagne investierte.

Vermarktung rollt langsam an
Noch steckt die Vermarktung der Frage-Antwort-Portale aber in den Kinderschuhen. Einzig Yahoo und Wer-weiss-was.de können ausgefeilte Konzepte vorweisen. Lycos will sein Werbekonzept im ersten Quartal dieses Jahres starten. "Bisher war es vorrangiges Ziel, guten Content zu generieren", erklärt Thomas Serva tius, Director Portal Products bei Lycos. Bei Yahoo kommen derzeit fast ausschließlich Sponsored Links zum Einsatz. Darüber hinaus arbeitet der US-Konzern an "weiteren intelligenten Monetarisierungslösungen", berichtet Yahoo-Deutschland-Chef Terry von Bibra. Dabei soll es einen "engen Austausch mit den Werbekunden" geben.

Außerdem sei die Integration von Media-Sales-Produkten denkbar, zum Beispiel Sponsoring. Ferner werde Behavioral Targeting in diesem Jahr eine große Rolle bei Yahoo Clever spielen. Bei Wer-weiss-was können Werbetreibende neben Sponsored Links auch Display-Werbung buchen. Vermarkter ist Triple Double U in Hamburg.

Nach Auffassung von Patrick Sturm, Managing Partner der Unternehmensberatung Mücke Sturm Company und Leiter des BVDW-Arbeitskreises Web 2.0, ist es aber noch schwer abzuschätzen, ob Werbung auf Frage-Antwort-Portalen für Markenartikler interessant ist. Seinen Beobachtungen zufolge gestaltet sich die Zielgruppenansprache recht schwierig, da das Profiling noch gering sei. Daher werde Werbung in Frage-Antwort-Portalen immer eine Randerscheinung bleiben.

Laut Ralf Scharnhorst, Managing Director der Media-Agentur Media Contacts Deutschland, ist Werbung auf Frage-Antwort-Portalen besonders für vertriebsorientierte Kampagnen geeignet. Allerdings nur dann, wenn die Unternehmen die Unkontrollierbarkeit der Inhalte akzeptierten. Auch Ulrich Kramer, Geschäftsführer der auf Online-Marketing spezialisierten Media-Agentur Pilot, mahnt zur Vorsicht im Umgang mit Web-2.0-Angeboten. Der Grund: "Social Networks sind sehr private und persönliche Umfelder. Da dringen Sie stark in den privaten Raum ein", sagt Kramer. Daher sei viel Fingerspitzengefühl gefordert.

Die größte Reichweite hat der Frage-Antwort-Pionier Wer-weiss-was.de, der laut Nielsen-Netratings im Zeitraum September bis November 2006 auf eine Unique Audience von rund 7,46 Millionen kam (siehe Grafik auf Seite 1). Der Vorsprung vor Lycos und Yahoo dürfte aber in nächster Zeit schrumpfen, da die beiden Player ihre Frage-Antwort-Angebote geschickt in ihre reichweitenstarken Portale einbinden. So tauchen die auf Lycos IQ und Yahoo Clever generierten Antworten inzwischen auch in den Ergebnislisten der Suchmaschinen von Lycos und Yahoo auf. Zudem hat Yahoo seinen Frage-Antwort-Dienste in zahlreiche andere Services eingebunden, zum Beispiel Instant Messenger, Mail, Bookmarking und 360 Grad (Freundesliste).

Gemeinsames Merkmal von Yahoo Clever, Lycos IQ, Wer-weiss-was.de und Gutefrage.net ist die Registrierungspflicht, vermutlich, um die Möglichkeiten der Zielgruppenansprache zu verbessern. Bei den Newcomer Quansr und Fragr wurde dagegen bewusst auf eine obligatorische Anmeldung verzichtet. "Eine Registrierung birgt immer noch eine gewisse Abschreckung", erklärt Fragr-Chef Björn Koblow. "Und die Nutzer sollen ihre Antworten möglichst schnell erhalten", ergänzt Tschela Baumann von Quansr.

Lycos lockt mit Titeln und Diplomen
Bei Lycos und Gutefrage.de ist die schnelle Bearbeitung der Fragen durch das so genannte Vorschlagwesen gewährleistet. Dabei werden die Fragen gleich nach dem Online-Stellen an qualifizierte Nutzer weitergeleitet. Bei Wer-weiss-was ist das Procedere etwas komplizierter. Dort muss sich der Nutzer selbst einen Experten aussuchen und dann individuell anschreiben. Bei Yahoo wird nur der Fragesteller benachrichtigt, nämlich dann, wenn Antworten eingetroffen sind oder wenn die Community die beste Antwort gekürt hat.

Mit diesem Voting-Prozess versuchen fast alle Anbieter Einfluss auf die Qualität der Fragen und Antworten zu nehmen. Schließlich richtet sich die Position in den einzelnen Kategorien nach der Anzahl der Punkte, die der Fragesteller einsammeln konnte. Einen zusätzlichen Anreiz bietet Lycos mit Titeln für fleißige Antworter. Wer die meisten und qualifiziertesten Antworten erteilt, darf sich stolz "Einstein" nennen. Für einzelne Fachgebiete werden sogar Diplome vergeben. Bei Yahoo kann man dagegen nur einen höheren "Level" erreichen.

Das Voting-System hilft auch bei der Bekämpfung von Spaßfragen, die dem Ruf des jeweiligen Portals abträglich sein können. Schließlich verstehen sich die meisten Anbieter als Wissens plattformen; und da gehören Fragen wie "Ich habe Hunger, wer noch?" sicherlich nicht hin. "Diskussionen passen eigentlich nicht zu einer Wissensplattform, doch wenn Sie einen Service als Community positionieren, dann müssen Sie auch das Menscheln zulassen", sagt Lycos-Manager Servatius.

Schließlich bewirke das Zusammenführen von Menschen mit ähnlichen Interessensschwerpunkten eine hohe Nutzerbindung. Sehr viel strenger gehen die Portalbetreiber bei rechtswidrigen Fragen und Antworten vor. So werden beispielsweise rechtsradikale und volksverhetzende Fragen sofort gelöscht. Das Gleiche geschieht mit verleumderischen, missbräuchlichen, bedrohenden und aggressiven Äußerungen sowie jugendgefährdenden Inhalten. Wer sich nicht an diese Regeln hält, fliegt aus der Community hinaus.

Da die großen Dienste nicht jede Frage von Hand prüfen können - Lycos verzeichnete beispielsweise letztes Jahr rund 78.000 Fragen - sind sie auf die Mithilfe ihrer User angewiesen. Diese klicken dazu auf Links wie "Missbrauch melden". Lycos beschäftigt zusätzlich ausgewählte Nutzer als Moderatoren. Hinzu kommen so genannte Tag-Blacklists und Blackword-Funktionen zur automatischen Überprüfung der Beiträge. Wer-weiss-was.de wird dagegen nur bei Beschwerden aktiv, was laut Hanno Zulla mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Forumshaftung konform läuft. Verstöße kämen hauptsächlich bei politischen und esoterischen Themen vor. "Die Leute antworten dort teilweise echt kontroverse Sachen", sagt Zulla.

Geldwerte Belohnung kein Thema
Ein weiterer Nachteil der Portale besteht darin, dass man den Antworten nicht immer trauen kann, da sie oft von Laien gegeben werden. "Der User sollte kritisch dem gegenüberstehen, was er dort findet", sagt Jörg Rensmann, Geschäftsführer des Online-Marketing-Dienstleisters Infomantis. Scharnhorst bezweifelt zudem, dass die Portale auf Dauer genügend Antworten bekommen: "Die Motivat ion Neugierde nutzt sich schnell ab. Pure Hilfsbereitschaft, Optimismus und Offenheit sind in den USA sicherlich stärker ausgeprägt als in Deutschland." Daher sei es wichtig, den Usern eine attraktive Belohnung anzubieten.

Die Portale wollen indes nichts von einer geldwerten Entlohnung wissen. "Das führt zwangsläufig dazu, dass die Nutzer, die sich kennen, sich gegenseitig gute Bewertungen geben. Und diejenigen, mit denen man sich gestritten hat, werden abgestraft", sagt Zulla. Manfred Klaus zeichnet die Zukunft der Branche dennoch positiv: "Die Portale haben das Potenzial, sich als weiterer Weg der Wissensgenerierung zu etablieren." brö

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