28.08.2006 - Der Billigflieger reicht die Kosten für Sponsored Links direkt an den Verbraucher weiter.
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Auto, und der Händler fragt Sie kurz vor der Rechnungserstellung, ob Sie durch einen TV-Spot auf die Marke aufmerksam geworden seien. Sie bejahen, und der Händler erhöht die Rechnung flugs um 100 Euro. Begründung: Die Fernsehwerbung war eine Art Service-Dienstleistung.
Klingt unglaublich, ist aber wahr - jedenfalls im übertragenen Sinne. Denn der Billigflieger Germanwings berechnet den Kunden, die über eine Suchmaschinenanzeige (SponsoredLink) auf die Buchungs-Site von Germanwings.de gelangt sind, eine zusätzliche Gebühr von bis zu acht Euro. Als Grund führt die Kölner Airline die Gleichberechtigung aller Vertriebskanäle an. Schließlich erhöben Reisebüros ebenfalls einen Buchungszuschlag, wenn sie Germanwings-Flüge vermittelten. Das Gleiche gelte nun auch für Anbieter von Affiliate-Programmen und Suchmaschinenwerbung, an die die Zusatzgebühr direkt fließe.
In der Online-Werbebranche löste das Preismodell einen Sturm der Entrüstung aus. "Das ist das Unseriöseste, das ich jemals in der Vertriebs- und Werbewelt gesehen habe!", schimpft Manuel Tenschert von der Online-Marketing-Agentur Net Lounge. "Das ist ja wohl der Gipfel der Frechheit!", ereifert sich eine Affiliate-Anbieterin im Weblog Bloggingtom.ch; ein Kollege spricht an gleicher Stelle von einer "einzigen Unverschämtheit". Auch Sumo-Geschäftsführer Christian Mauer hält die Methode für "sehr fragwürdig". Der Affiliate-Experte Frank Wolff vermutet gar einen PR-Gag - nach dem Motto "Wie komme ich schnell in die Presse, egal, ob mein Image dabei vor die Hunde geht oder nicht".
Einig sind sich die Experten in dem Urteil, dass man Reisebüros nicht mit Werbenetzwerken vergleichen kann. "Es ist ein großer Unter schied, ob sich ein Kunde im Reisebüro beraten lässt oder einem Werbe-Link folgt", erklärt der freiberufliche Informatiker und Affiliate-Experte Thomas Brühwiler. Das Erste ist Vertrieb, das Zweite Werbung.
"Den Aufschlag für eine Beratung kann ich dem Kunden immer verkaufen, den Aufschlag für Werbung jedoch nicht", so Brühwiler weiter. Leidtragender sei in erster Linie der Werbeträger, weil der Kunde früher oder später auf die Idee komme, den Flug direkt bei Germanwings zu buchen. Mit der Folge, dass der Werbeträger kein Geld sieht. "Die werden um ihren gerechten Lohn gebracht", klagt Christian Petersen, Geschäftsführer der Suchmaschinen-Marketing-Agentur Eprofessional.
Nicht nur das. Die ganze Branche könnte schnell in Verruf geraten, fürchten mehrere Experten. "Wenn das vier oder fünf große Anbieter machen, dauert es nicht lange, und es gibt eine hübsche neue Netzlegende, die durch die Foren geistert: Nicht auf Werbung klicken, denn dann kosten die Produkte mehr", prophezeit der Nutzer Onkel SEO auf Bloggingtom.ch.
Zur Erinnerung: Suchmaschinen-Marketing und Affiliate-Marketing sind seit Jahren die wachstumsstärksten Sparten innerhalb des digitalen Marketings (siehe Grafik auf Seite1). Somit könnte eine Diskreditierung dieser Boom-Bereiche den Höhenflug der gesamten Online-Werbebranche abrupt beenden.
Insofern ist es nur logisch, dass die Werbepartner der Airline in Scharen davonlaufen. Entsprechende Meldun gen überschlugen sich wochenlang in den einschlägigen Foren. Der größte Fall ist vermutlich die Berliner Zanox AG, die auf Anfrage mitteilte, dass sie sich künftig auf die Zusammenarbeit mit Airlines wie Easyjet, HLX, Condor und Air Berlin konzentriere.
Wie viele Werbepartner genau abgesprungen sind, wollte Germanwings nicht sagen. Das Unternehmen teilte lediglich mit, dass mehr als 94 Prozent der Tickets direkt über die eigene Website vertrieben werde. Nach Recherchen des Suchtreffer-Vermarkters Miva ist Germanwings bisher das einzige Reiseunternehmen, das diese Preisstrategie verfolgt.
Es ist nicht das erste Mal, dass Germanwings mit einer verbraucherunfreundlichen Aktion auffällt. Bereits 2002 hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) den Billigflieger wegen schwerer Mängel beim Online-Shop abgemahnt. Im Februar dieses Jahres musste sich Germanwings gegen den Vorwurf wehren, das Preissystem sei intransparent und führe die Verbraucher in die Irre. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunksender warf dem Unternehmen vor, Steuern, Gebühren und Entgelte in nicht nachvollziehbarer Höhe zu berechnen.
Anfang August leitete der VZBV ein Unterlassungsverfahren gegen Germanwings und drei weitere Low-Cost-Carrier ein. Der Vorwurf lautete auch hier mangelnde Preistransparenz und die Irreführung über die Verfügbarkeit besonders günstiger Flüge.
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