29.04.2002 - Kostenlose Pitches und "unmoralische Angebote" beschäftigen die Agentur-Branche
"Schieben, schieben, schieben und sparen", lautet derzeit die Devise der Marketingleiter, sagt Monika Beumers, Chefin der Münchner Agentur b.a.s. zur derzeitigen New-Business-Lage der Nation. Auf der einen Seite werden vorhandene Budgets zusammengestrichen, auf der anderen Seite warten die Marketer mit der Vergabe neuer Etats erst mal auf bessere Zeiten.
Da ist es kein Wunder, dass einige Agenturen zu aggressiven Strategien der Neukundengewinnung greifen. So bekannte ein Vertreter vom Branchen-Marktführer Wunderman gegenüber ONEtoONE (vgl. ONEtoONE 03/02 vom 25.02.2002), dass die Agentur auch schon mal kostenlos an einer Präsentation teilnehme. Andere lassen sich auf ruinöse Preiskämpfe ein. Und ein dritter, die Agentur Brüggemann & Freunde in Borken, unterbreitet potenziellen Kunden ein "unmoralisches Angebot". Und das sorgt für erhebliche Aufregung in der Agenturszene.
Nimmt ein Neukunde das "unmoralische Angebot" an, muss er nur dann ein Agenturhonorar an B & F zahlen, wenn das Mailing oder die Aktion mit besseren Response-Ergebnissen aufwartet als das Pendant der bestehenden Agentur. Ulrich Brüggemann betont, seine Offerte sei nicht mit einer kostenlosen Präsentation gleichzusetzen, es handele sich vielmehr um eine erfolgsabhängige Honorierung: "Wir machen nichts umsonst, sondern koppeln unser erstes Angebot an den Erfolg. Wer das für Harakiri hält, hat relativ wenig Vertrauen in seine eigene und die Leistungsfähigkeit seiner Leute. Wir sagen unserem Prospect einfach, dass wir besser sind. Das muss er uns nicht glauben, und deshalb bieten wir unseren potenziellen Kunden die Möglichkeit, das zu überprüfen. Nicht mehr und nicht weniger."
"Verzweiflungstat, Frechheit, Selbst- mord, Nestbeschmutzung" sind noch die schwächeren Vokabeln, mit denen die Wettbewerber die New-Business-Strategie von B & F bedenken. "Die Agentur Brüggemann & Freunde tut damit der Branche keinen Gefallen - und sich selbst auch nicht, weil sie ihre sicherlich gute Leistung unter Wert verkauft", sagt Wolfgang Schuster, Geschäftsführer von FSW in Köln. Es handele sich beim "unmoralischen Angebot" um die "beste Art, die Margen im Markt kaputtzumachen", klagt Beumers.
Gaby Bohn, Interims-Managerin von more sales, sieht´s gelassener: "Jeder muss nach seiner Façon selig werden. Solche Agenturen werden ihre Quittung kriegen. Außerdem: Ehrliche Response-Zahlen bekommt doch sowieso niemand zu sehen, deshalb wird Brüggemann sich ins eigene Fleisch schneiden."
Auch Wolfgang Kracht von TeamKracht meint: "Die Agentur wird damit keinen Erfolg haben. Einige Kunden lassen gern mal einen kostenlosen Test machen, das heißt aber nicht, dass die bestehende Agentur gleich entlassen wird. Wenn das so wäre, würde Brüggemann & Freunde in zwei Jahren die größte deutsche Agentur sein."
Doch auch wenn die Agenturen Brüggemann Erfolglosigkeit in Aussicht stellen, sind die Adressaten des Angebots - die potenziellen Kunden - teilweise ganz anderer Meinung. So hat B & F bei so manchem Unternehmen bereits reüssiert und einige DM-Agenturen bei ihren Kunden in Zugzwang gebracht.
Mehr noch als die New-Business-Strategie von B & F bringt derzeit die grassierende Unsitte der kostenlosen Wettbewerbspräsentationen die Agen- turen in die Bredouille. Dabei dürfen Agenturen, die einem Werbeverband angeschlossen sind, laut Ehrenkodex gar nicht an einer solchen Präsentation teilnehmen.
"Die Moral sinkt nicht vonseiten der Kunden, sondern vonseiten der Agenturen", glaubt Friedhelm Kranz, Chef der Braunschweiger Agentur Gingco. Doch er schließt die Teilnahme an einem kostenlosen Pitch nicht kategorisch aus: Handele es sich um eine karitative Einrichtung oder ähnliche Non-Profit-Unternehmen, nähme auch Gingco an honorarfreien Präsentationen teil. Ansonsten ist ein solcher Pitch - wie auch bei allen anderen Befragten - tabu.
Doch allein die Fritsche Werbeagentur in Hamburg bekam in den letzten sechs Monaten zwei Aufforderungen, kostenfrei zu präsentieren. "Wir haben das abgelehnt, denn so eine Präsentation kann kein guter Start für eine Zusammenarbeit sein", sagt Chef Ulfried Fritsche. Dabei geht es den Agenturen gar nicht um üppige Honorare, und es sind sich auch alle darüber einig, dass eine Agentur mit einer Pitch-Teilnahme kein Geld verdienen kann. Die Honorierung ist vielmehr ein Zeichen von Wertschätzung und sicherlich auch eine partielle Aufwandsentschädigung. Denn fehlt diese, ist das erstens keine gute Grundlage für eine weitere partnerschaftliche Zusammenarbeit und zweitens bezahlen bestehende Kunden solche Präsentationen mit. Schließlich müssen die Agenturmitarbeiter ihr Gehalt bekommen. "Ich habe noch nie einen Kunden gehabt, der das nicht begriffen hat", so Bohn.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Agenturen in diesem Punkt weiter zusammenhalten: Denn viel mehr als die Verfechter einer erfolgsorientierten Honorierung machen solche Agenturen die Margen kaputt, die kostenlos präsentieren und zu Dumpingpreisen arbeiten. vh
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