Seit über 135 Jahren steht das mittelständische Familienunternehmen Braun Büffel für hochwertige Lederwaren Made in Germany und vergibt auf seine Produkte einen lebenslangen Reparaturservice. Bis 2018 erfolgte der Vertrieb nur über den Fachhandel. Der erste Lockdown zeigte, dass Braun Büffel mit dem Aufbau eines Online-Shops und dem Einstieg in das Online-Endkundengeschäft auf dem richtigen Weg war. Doch die ersten Jahre im Web waren zäh und mit viel Lehrgeld verbunden. Nun ist Braun Büffel auf ein anderes Shopsystem umgestiegen und konnte seine digitale Transformation innerhalb weniger Wochen starten.
Artur Wagner, CDO Braun Büffel, erzählt im Interview wie der traditionelle Mittelständler seine Marke erfolgreich im Web aufgebaut hat, wo die Herausforderungen liegen und was das Unternehmen in Zukunft plant.
Warum der Umstieg auf Shopify?
Der Wechsel zu Shopify war für uns eine strategische Entscheidung, die aus einer klaren Herausforderung entstanden ist. Wir wollten agiler werden und die Möglichkeiten haben, selbst an unserem Shop zu arbeiten, ohne ständig auf externe Unterstützung angewiesen zu sein. Also haben wir uns intensiv mit den verfügbaren Tools am Markt auseinandergesetzt und uns dann für Shopify entschieden.
Was uns überzeugt hat, war die Nutzerfreundlichkeit von Shopify. Unser Team kann direkt in den Store gehen und neue Ideen mit wenigen Klicks in die Tat umsetzen. Das ist gleichzeitig ein Katalysator für die Beschleunigung unserer internen Prozesse. Heute schaffen wir es, innerhalb einer Woche mehr im Shop umzusetzen als noch vor einem halben Jahr.
Überraschend war auch, dass sich die Website-Performance seit Umstellung auf Shopify deutlich verbessert hat. Die Ladezeiten haben sich um zwei Drittel reduziert - und das ganz ohne zusätzliche Optimierung. Das sind dann auch Vorteile, welche die Customer Experience positiv beeinflussen.
Wie gehen Sie mit dem Fachhandel um?
Unsere Wurzeln liegen im Fachhandel - fast 130 Jahre haben wir uns ausschließlich auf diesen Vertriebskanal konzentriert. Erst 2018 / 2019 haben wir begonnen, auch direkt an Endkunden zu verkaufen. Dieser Schritt hat bei einigen Fachhändlern für Fragen gesorgt, da sie befürchteten, dass unser D2C-Ansatz ihre Position schwächen könnte.
Dieser Schritt hat bei einigen Fachhändlern für Fragen gesorgt, da sie befürchteten, dass unser D2C-Ansatz ihre Position schwächen könnte.
Daher haben wir schon früh den Dialog mit den Fachhändlern gesucht und ihnen erklärt, dass sie unseren Webshop weniger als Konkurrenz und mehr als einen Testmarkt ansehen können. Die Daten aus dem Onlineshop geben uns wertvolle Einblicke, die wir dann mit den Fachhändlern teilen. Wenn wir zusammenarbeiten, profitieren alle davon. Die Fachhändler können auf Grundlage der Daten viel präziser einkaufen, statt blind in den Markt zu treten.
Zudem profitieren sie von unseren Werbeausgaben. Unser Austausch mit den Fachhändlern ist von viel Interesse und Wissensaustausch geprägt - die anfängliche Skepsis bei einigen Partnern ist überwunden.
Wie sieht Ihre B2B-Commerce Strategie aus?
Wir verbinden die Stärken unseres Fachhandelsnetzes mit den Chancen der Digitalisierung. Zwar fehlt uns noch ein offizieller B2B-Shop, aber ausgewählte Partner nutzen bereits eine Vorabversion unseres Händlerportals.
Zwar fehlt uns noch ein offizieller B2B-Shop, aber ausgewählte Partner nutzen bereits eine Vorabversion unseres Händlerportals.
Dieses Portal ist mehr als eine Bestellplattform. Es bündelt Produktverfügbarkeiten, Marketingmaterialien, Schulungen, ein Händlerforum und exklusive Einblicke in unser D2C-Geschäft. Unser Ziel ist es, Fachhändler mit präzisen, datenbasierten Informationen zu versorgen, damit sie ihr Sortiment besser planen können.
Dabei setzen wir auf einfache Bedienung: Das Portal soll so intuitiv bedienbar sein wie ein moderner B2C-Shop. Denn auch unsere Händler erwarten heute Komfort beim Online-Einkauf.
Der vollständige Shop-Launch ist für Anfang 2026 geplant. Parallel entwickeln wir unser Angebot für B2B-Kunden weiter: Wir produzieren hochwertige Taschen und Accessoires mit individuellem Branding - maßgeschneidert für Unternehmen.
Sie haben viel Lehrgeld bezahlt, wo waren die Fehler besonders teuer?
Ein großer Lernmoment war unser erster Online-Shop, bei dem wir gelernt haben, wie wichtig es ist, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die nicht nur technisch gut sind, sondern unsere Branche und Prozesse verstehen. Der Wechsel zu Shopify war deshalb auch eine strategische Konsequenz aus diesen Erfahrungen - weg von externer Abhängigkeit, hin zu einer Plattform, die unsere Teams selbstständig und agil weiterentwickeln können.
Ein großer Lernmoment war unser erster Online-Shop, bei dem wir gelernt haben, wie wichtig es ist, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die nicht nur technisch gut sind, sondern unsere Branche und Prozesse verstehen.
Was sind die Stolpersteine in einer D2C-Expansion?
Als Traditionsmarke mit starken Wurzeln im stationären Handel war es wichtig, Vertrauen aufzubauen und transparent zu kommunizieren, dass unser Webshop kein Konkurrenzmodell ist, sondern eine wertvolle Unterstützung für alle Beteiligten. Wir teilen gezielt Erkenntnisse aus dem Nutzerverhalten mit unseren stationären Händlern - etwa, welche Farben oder Modelle besonders gefragt sind - damit sie davon profitieren können. Technisch ist die größte Herausforderung die Integration aller Systeme (ERP, Logistik, CRM), um ein konsistentes Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg zu schaffen.
Wie digitalisiert man einen Mittelständler?
Oft fehlt der Mut für den ersten Schritt, doch genau das ist entscheidend. Es geht darum, sich klar darüber zu werden, was man selbst und vor allem die eigenen Kunden wirklich benötigen, und sich als Unternehmen so aufzustellen, dass man mit der nötigen Geschwindigkeit handeln kann. Dieses Mindset ist die Grundlage für eine erfolgreiche digitale Transformation.
Um den Einstieg zu erleichtern, möchte ich fünf zentrale Schritte hervorheben:
- Schonungslose Analyse: Der erste Schritt besteht darin, sich ehrlich mit der aktuellen Situation auseinanderzusetzen. Was läuft gut? Was läuft schlecht? Welche Ziele möchtet ihr erreichen? Diese Analyse liefert euch einen klaren Maßnahmenplan und zeigt, wo angesetzt werden muss.
- Mitarbeiter und Partner einbeziehen: Digitalisierung ist keine One-Man-Show: Es ist wichtig, sowohl intern als auch extern alle Beteiligten mitzunehmen. Grabenkämpfe zwischen Abteilungen oder Partnern können sich Unternehmen nicht leisten - daher sollte frühzeitig eine klare Kommunikation entwickelt werden.
- Richtige Prioritäten setzen: Ein häufiger Fehler ist es, am falschen Ende zu sparen. Viele Unternehmen investieren große Budgets in Bereiche, die wenig Mehrwert bringen, während essenzielle Aspekte wie die Customer Experience vernachlässigt werden. Dabei sollte das Erlebnis des Kunden immer im Fokus stehen - an dieser Stelle muss richtig priorisiert werden.
- Mut zur Innovation: Orientiere dich nicht an "Best Practices". Best Practices sind häufig eben nur Standardlösungen, und wenn jeder die Standardlösung umsetzt, bekäme der E-Commerce keine neuen oder frischen Ansätze. Andere Fragen sind dann hilfreich: Was macht unsere Brand aus? Was macht unsere Kunden aus? Das ist die Basis für neue Ansätze. Um zu sehen, was funktioniert und was nicht, gibt es das A/B-Testing. Das wurde genau dafür erfunden.
- Die richtigen Partner finden: Niemand schafft Digitalisierung allein. Es braucht starke Partner - sei es in der Technologie, die du benutzt; die Beratung, die du erhältst oder die Dienstleistungen, die du dafür benötigt. Umgib dich mit Menschen, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als das zu optimieren, was du brauchst.
Wie nimmt man seine Leute mit?
Die eigenen Leute abzuholen, ist der wichtigste Schritt im Digitalisierungsprozess eines Mittelständlers, denn nicht jeder mag Veränderungen.
Die eigenen Leute abzuholen, ist der wichtigste Schritt im Digitalisierungsprozess eines Mittelständlers, denn nicht jeder mag Veränderungen.
Deshalb ist es wichtig, die Leute abzuholen und ihnen zu erklären, wie sie davon profitieren können. Hierbei helfen Austausch und eine gute Kommunikationsstrategie. Am Ende dieser Reise werden wahrscheinlich viele sagen: "Ich habe schon immer gesagt, wir sollten das so machen."
Welche Länder stehen auf der Liste der Internationalisierung?
Im DACH-Raum sind wir bereits stark vertreten. Seit unserem Einstieg ins D2C-Geschäft im Jahr 2020 haben wir uns stetig weiterentwickelt und planen die nächsten Schritte für die Internationalisierung. Besonders spannend sind da für uns die nordischen Länder, wo wir großes Potenzial sehen.
Unser Ziel ist es, in den anderthalb Jahren die Expansion innerhalb Europas voranzutreiben. Dabei ist uns aber bewusst, dass jede Region ihre eigenen Besonderheiten hat. Wir sehen anhand der Daten, dass in bestimmten Ländern ausgewählte Kollektionen, Farben oder einzelne Produktbestandteile unterschiedlich gut angenommen werden.
Wo will Braun Büffel auf gar keinen Fall hin?
Als Marke mit deutschen Wurzeln ist uns bewusst, dass unsere Designs und Werte nicht in jedem Markt automatisch denselben Stellenwert haben.
Wir schließen grundsätzlich keine Märkte kategorisch aus. Unser Ansatz ist datengetrieben, das heißt, wir beobachten sehr genau, wo unsere Produkte auf Resonanz stoßen und wo nicht. Als Marke mit deutschen Wurzeln ist uns bewusst, dass unsere Designs und Werte nicht in jedem Markt automatisch denselben Stellenwert haben. In einigen Regionen dominieren starke Luxusmarken mit ganz eigener Sprache. Dort prüfen wir sehr genau, ob und wie wir mit unserem Stilkonzept sinnvoll anknüpfen können. Wichtig ist: Wir bleiben authentisch und investieren dort, wo unsere Marke wirklich verstanden und wertgeschätzt wird.
Wie gehen Sie mit Marktplätzen um?
Wir betrachten Marktplätze mit einer gewissen Zurückhaltung. Für uns steht der direkte Draht zum Kunden im Vordergrund - sei es über unseren eigenen Webshop oder im Dialog mit unseren Handelspartnern. Marktplätze bieten zwar Reichweite, aber oft wenig Markentiefe. Daher nutzen wir sie selektiv und vor allem dort, wo wir auch die Markeninszenierung steuern können. Uns ist wichtig, dass unsere Identität als hochwertige Manufaktur nicht verwässert wird.
Fürchten Sie sich vor Temu?
Temu ist ein Sinnbild für eine Plattformökonomie, die auf Masse, Preis und Geschwindigkeit setzt. Wir spielen in einem anderen Feld - bei uns geht es um Langlebigkeit, Authentizität und handwerkliche Qualität.
Temu ist ein Sinnbild für eine Plattformökonomie, die auf Masse, Preis und Geschwindigkeit setzt. Wir spielen in einem anderen Feld - bei uns geht es um Langlebigkeit, Authentizität und handwerkliche Qualität. Was wir aber sehr genau beobachten, ist die gesellschaftliche Debatte rund um Wertschätzung von Produkten. Wenn eine Geldbörse 1,99 Euro kostet, muss man fragen: Was sagt das über unsere Einstellung zu Qualität und Nachhaltigkeit? Unsere Antwort darauf ist klar: Wir investieren in Storytelling, Transparenz in der Produktion und Kundenbindung - weil wir an eine Zukunft glauben, in der Herkunft und Handwerk wieder mehr zählen.