30.01.2015 - Virtuelle Währungen wie Bitcoin, Ripple oder Litecoin sollten zur "Weltwährung" werden und Landesgrenzen sowie Banksysteme überwinden. Doch der Bitcoin leidet unter Hacker-Attacken und Kursverfall. Wir befragten E-Commerce-Verbände und Payment-Dienstleister zur aktuellen Rolle von künstlichen Währungen im E-Commerce. Die Verbände fällen kritische Gesamturteile.
Wie praktisch wäre es, wenn man auf Währungsumrechnungen und komplizierte Kursberechnungen verzichten könnte? Die Vorstellung einer "Weltwährung" für alle hat in den vergangenen Jahren viele begeistert. Virtuelle Währungen wie der Bitcoin zum Beispiel werden rein über die IT erstellt und können online gekauft, genutzt und gehandelt werden. Der Kurs des Bitcoin hat Ende 2013 seinen bisherigen Höhepunkt gefunden (mehr als 800 Euro pro Bitcoin). Die Bezahlung mit künstlichen Währungen wurde zum Beispiel auch bei Amazon möglich. Im Sommer 2014 kündigte auch der japanische Marktplatz Rakuten an, sich dem Bitcoin zu öffnen.
Aber der Kurs des Bitcoin ist im vergangenen Jahr dramatisch eingebrochen, er steht aktuell wieder bei unter 200 Euro (183 Euro am 20. Januar). Anfang Januar dieses Jahres hat die Börse Bitstamp Bitcoins im Wert von fünf Millionen Euro verloren. Man vermutet Hacker-Angriffe. Und das war nicht das erste Mal, dass ein solcher Marktplatz mit technischen Problemen zu kämpfen hat. Dr. Christian Macht, CEO von Rakuten Deutschland, bezeichnet 2015 nun als das Schicksalsjahr für virtuelle Währungen, als "High-Noon für Krypto-Währungen". Er sagt: "2015 wird zum Entscheidungsjahr für die Zukunft der Krypto-Währungen wie zum Beispiel Bitcoin, die zuerst ihre Relevanz durch ein entsprechendes Transaktionsvolumen beweisen müssen. Jetzt werden wir erfahren, ob diese Währungen überleben und damit ihr Versprechen einer neuen Weltwährung einlösen, oder ob sie verschwinden werden, weil rechtliche Fragen und Sicherheitsbedenken deren Akzeptanz beim Kunden zu stark mindern. Sollten die Krypto-Währungen sich nun aber durchsetzen, erlangen sie eine enorme Wirkung auf dem internationalen Transaktionsmarkt - ein großer und wichtiger Schritt hin zu einem globalen Marktplatz."
Als ein "Pyramidenspiel" bezeichnet Ingmar Böckmann, Referent für E-Commerce, IT-Sicherheit und Logistik beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel, das Thema virtuelle Währungen: "Vereinzelt akzeptieren Händler die Krypto-Währungen. Eine größere Rolle spielen sie allerdings eher im Bereich digitale Dienstleistungen und Online-Spiele. Insgesamt ist die Bedeutung für die Wirtschaft jedoch gering. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen ist ihr Wert sehr volatil, was sie vor allem als Spekulationsobjekt interessant macht, fürs tägliche Bezahlen aber eher ungeeignet. Das Schöpfen neuer Bitcoins allein durch Berechnung entsprechender Hashwerte ohne jegliche Gegenleistung durch private Organisationen lässt außerdem einen Realgeldabfluss entstehen, der an ein Pyramidenspiel erinnert. Diese Hashwerte sind nicht mehr rekonstruierbar, wenn in Bitcoin-Börsen eingebrochen wird, was, wie in der Vergangenheit schon geschehen, zum Verlust sehr hoher Realgeldsummen führen kann. Wer Bitcoins kauft, muss sich also dessen bewusst sein, dass diese ihm möglicherweise nicht mehr abgekauft werden - durch Ware, Dienstleistung oder reales Geld."
Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverbandes Onlinehandel, meint: "Virtuelle Währungen haben aktuell im deutschen Online-Handel nahezu keine Bedeutung. Natürlich beobachten wir die Entwicklung, jedoch sehen wir hier in absehbarer Zeit keine Nutzung. Vielleicht ergeben sich im Micropayment-Bereich Einsatzmöglichkeiten, aber nicht im klassischen Handel."
Auch beim Händlerbund wartet man noch ab. Sprecherin Tijen Onaran sagt: "Für die Betreiber der Online-Shops, die bei uns engagiert sind, hat die virtuelle Währung derzeit nicht die Relevanz, die die gängigen Zahlungsnetzwerke haben. Es bleibt abzuwarten, ob virtuelle Währung das Vertrauen und die entscheidende Durchschlagskraft bei kleinen und mittelständischen Online-Unternehmen und deren Verbrauchern erreichen kann. Momentan fehlen schlicht die Verbraucher, die mit virtuellen Währungen zahlen wollen beziehungsweise können."
[f1]Laut einer TNS-Studie vom November des vergangenen Jahres kennen 66 Prozent der Deutschen den Bitcoin noch gar nicht. In der Branche kommen Frusterscheinungen auf. Auf der Website Bitcoinblog.de schreibt Autor Christoph Bergmann am 14. Januar dieses Jahres: "Das Jahr hätte für uns Bitcoin-Fans wohl kaum blöder anfangen können. Erst wird Bitstamp, der Fels unter den Börsen, gehackt, dann fällt der Preis unter die 260-Dollar-Marke und noch weiter. Nicht besonders schön. [...] Über die Gründe des Crashes habe ich hier schon so oft geschrieben: Der Mining-Wahnsinn, der die Miner dazu zwingt, immer mehr Bitcoins auf den Markt zu werfen, die Pseudo-Akzeptanz durch Zahlungsdienstleister, die Bitcoins sofort in Fiat (Anm.: gemeint ist Geld ohne intrinsischen Wert, das tauschbar ist) wechseln, und die selbsterfüllende Prophezeiung, die jedem Kursverlauf innewohnt." Der Autor des Blogs, der von Bitcoin Deutschland betrieben wird, wünscht sich offenbar mehr Vertrauen in die Währung.
Auf Nachfrage haben sich verschiedene Payment-Dienstleister gegenüber ONEtoONE als offen gegenüber virtueller Währung geäußert. Beim Otto-Konzern verweist man zum Beispiel auf die Payment-Töchter Yapital und Ratepay. Martin Zander, SVP PR & Communications bei Yapital, sagt: "Grundsätzlich sind wir bei Yapital offen dafür, Bitcoin oder andere virtuelle Währungen, die sich am Markt durchsetzen, zu akzeptieren. Immer aber nur unter der Voraussetzung, dass sie ausreichend reguliert werden und dass die Umtauschkurse berechenbar sind. Unser Maßstab sind die Vorschriften, denen E-Money-Institute unterliegen. Diese arbeiten letztlich auch mit virtuellen Währungen, aber nach gesetzlichen Vorgaben und unter der Kontrolle der Finanzbehörden. Die Behörden werden sich des Themas Bitcoin und anderer neuer, noch nicht regulierter virtueller Währungen sicherlich verstärkt annehmen, je mehr diese vom Nischen- zum Massenphänomen werden. Dies verfolgen wir sehr interessiert und werden entsprechend reagieren." Miriam Wohlfarth, Geschäftsführerin und Gründerin von RatePAY, sagt: "Derzeit ist Bitcoin oder eine andere virtuelle Währung kein Thema für uns. Wir orientieren uns primär an den Bedürfnissen unserer Kunden. Sobald wir hier Nachfrage feststellen, kann sich das jederzeit ändern."
Auch Carlos Häuser, Geschäftsführer Wirecard Technologies, verweist auf Regulierungsbehörden. "Als Anbieter von Bezahllösungen hat Wirecard die aktuellen Marktentwicklungen wie virtuelle Währungen stets im Blick und prüft deren Einsetzbarkeit sowie Akzeptanz bei Händlern und Konsumenten. Aktuell bestehen noch Unklarheiten darüber, wie sich die Regulierungsbehörden beim Transfer der virtuellen in reale Währungen oder Güter aufstellen werden. Als Technologieunternehmen und Payment-Anbieter werden wir bei entsprechender Marktlage, regulatorischer Sicherheit und Bedarf unserer Kunden selbstverständlich prüfen, ein entsprechendes Produkt- und Serviceportfolio anzubieten."
Das Potenzial für virtuelle Währungen ist offenbar weiterhin gegeben, aber die mangelnde Verbreitung in der Bevölkerung bremst das Thema aus. Bleibt abzuwarten, ob 2015 wirklich schon das Schicksalsjahr für Bitcoin und Co. wird, wie Christian Macht von Rakuten glaubt, oder ob dieser Prozess nicht doch ein längerfristiger ist. (db)
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