Digitale Agenda

Bundesregierung bleibt bei digitalen Lösungsansätzen vage

15.10.2014 - Wachstum und Beschäftigung, Zugang und Technik, Vertrauen und Sicherheit - diese drei Kernziele nennt die Bundesregierung in der Digitalen Agenda 2014-17. Den Vorteil der Digitalisierung und des digitalen Wandels hat sie offenbar erkannt, nun wolle man diesen "in der Mitte der Gesellschaft verankern".

So sollen beispielsweise bis 2018 flächendeckende Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s genutzt werden können. Allerdings fehlen konkrete Maßnahmen, wie das genau vonstatten gehen soll. Einzig von einem "effizienten Technologiemix" mit dem man das erreichen möchte, ist die Rede. Pläne gibt es viele: Ressourcen für den Ausbau der mobilen Netzversorgung sollen bereitgestellt, Infrastrukturen und intelligent vernetzte Verkehrssysteme weiter ausgebaut werden. Zusätzlich will man mit Open Data im Rahmen einer "Internet Gouvernance" für Transparenz sorgen und eine digitale Verwaltung bis 2020 möglich machen. Wie Open Data geht, hat Hamburg als erste Stadt Deutschlands bewiesen. Neben Umwelt- und Geodaten, Gutachten und Senatsbeschlüssen sind ab dem 1. Oktober auch Verwaltungsdokumente für die Bürger online. Für das Mammutprojekt der Hansestadt mussten 33 Millionen DINA4-Seiten gescannt und digitalisiert werden.

Überhaupt möchte die Bundesregierung Smart Cities, also Vernetzung und Digitalisierung in der Stadt, vorantreiben. Dafür soll ein Modernitätsfonds aus den Mitteln der Bundesregierung eingerichtet werden, mit dem "kreative Ideen der jungen Generation" gefördert werden. Außerdem solle Deutschland europäischer PRS-Pilot-Mitgliedstaat sein. PRS, Public Regulated Service, ist der verschlüsselte Dienst des Satellitennavigationssystems Galileo. Durch Galileo würde ein sicheres und unabhängiges System, mit dem digitale Anwendungen Standortbestimmungen vornehmen können, geschaffen, heißt es in der Agenda. PRS biete Vorteile beim automatischen Notruf "eCall" und ermögliche eine Infrastruktur für sicheres mobiles Bezahlen.

"Förderung des Gründergeistes"

Und auch Unternehmen wird in der Agenda Unterstützung zugesagt: bei der Anwendung und der Entwicklung neuer Ideen und der Optimierung der Geschäftsprozesse. Vermehrt soll auch in Start-ups investiert werden und überhaupt in die digitale Wirtschaft, die man "im Rahmen eines nachhaltigen Dialoges und mit innovationsfreundlichen Bedingungen sowie bei ihren Forschungstätigkeiten" unterstützen möchte. Die Zahl der Gründungen, mit besonderem Fokus auf IT-Start-ups, soll so von 10.000 auf 15.000 gesteigert werden. Alles, damit Deutschland "digitales Wachstumsland Nummer eins in Europa wird". Auch in diesem Punkt sind die Ziele engagiert, konkrete Pläne werden jedoch vermisst. Allein eine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen, mehr Beratungsmöglichkeiten, eine explizite Förderung von Gründerinnen und die Vernetzung deutscher Start-ups mit internationalen Hubs gibt die Regierung als Maßnahmen an. Natürlich hat sie auch erkannt, dass dringend etwas in Bezug auf den Fachkräftemangel getan werden muss. So will man nationale IT-Fachkräfte fördern und internationale ins Land holen.

Angst vor Cyberkriminalität wächst

Auch in puncto Datenschutz besteht dringend Handlungsbedarf. Hier trifft die Regierung den Nerv der Bevölkerung, denn die Angst vor Cyberkriminalität wächst immer weiter. Das zeigt der Sicherheitsreport 2014, den die Deutsche Telekom beim Institut für Demoskopie Allensbach in Auftrag gegeben hat. Demnach sieht fast jeder dritte Befragte Datenbetrug im Internet als persönliches Risiko. Beinahe 90 Prozent der Befragten denken, dass die meisten Unternehmen ihre Daten an Dritte weitergeben. Allerdings liest nur jeder Zweite Datenschutzbestimmungen von Online-Shops ab und zu oder in der Regel. Die Wissenschaftler machen die große technische Komplexität des Internets, die zu Überforderung führt, für den Widerspruch von Angst und Unvorsichtigkeit der Bürger verantwortlich. Zudem gehen 91 Prozent der Studienteilnehmer davon aus, dass die Risiken "Datenbetrug", "Datenmissbrauch durch Unternehmen", "Computerviren" sowie "Datenmissbrauch durch andere Nutzer in sozialen Netzwerken" zunehmen werden. Im Vorjahr lag der Wert bei rund 80 Prozent. Auch den Staaten vertrauen die Bürger hinsichtlich der Datensicherheit nicht mehr: 52 Prozent gehen davon aus, dass die Datenspionage anderer Staaten zunehmen wird.

Die Angst der Bürger ist nicht unberechtigt. Einer Studie von Bitkom zufolge steigt die Cyberkriminalität weiter. So seien rund 29 Millionen Nutzer allein in Deutschland in den letzten zwölf Monaten Opfer von Internet-Kriminellen geworden. Entweder wurden Daten illegal genutzt oder ausspioniert, beim Online-Shopping oder über das Online-Banking betrogen. Bei einem Drittel der Befragten wurden Zugangsdaten zu Internetdiensten gehackt. Auch das Cyber-mobbing steigt laut der Umfrage.

Doch leider finden sich hier keine konkreten Lösungsangebote der Bundesregierung. Man wolle mehr Schutz für die Bürger, wolle das Vertrauen stärken, wolle die EU-Datenschutzgrundverordnung endlich auf den Weg bringen. Nur die Überführung der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) in eine eigene Behörde ist bisher beschlossen. Aktuell ist die BfDI Andrea Voßhoff trotz der unabhängigen Ausübung ihres Amtes mit ihren Beschäftigten Teil des Innenministeriums. Ab dem 1. Januar 2016 soll sie eine eigene oberste Bundesbehörde in Bonn bekommen. Sie werde dann nur noch unter parlamentarischer und gerichtlicher Kontrolle unterstehen. Damit würde die rechtliche und politische Bedeutung des Datenschutzes weiter unterstrichen und die rechtliche Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht im Bund gesichert werden, so das Innenministerium.

"Nur programmatisch, nicht konkret"

Auch der Bundesverband der Digitalen Wirtschaft (BVDW) kritisiert die mangelnde Ausformulierung der Pläne für den Datenschutz. Die Aussagen zur digitalen Sicherheit seien "nur programmatisch und wenig konkret". Besonders kritisch hebt der Verband hervor, dass die Bundesregierung für sich eine starke Rolle bei der Entwicklung internationaler Datenschutzstandards reklamiert und dann in ihren Vorhaben so vage bleibt. Für den BVDW ist eine Verbindung mit dem Cyber-Dialog mit den USA nicht nur naheliegend, sondern zwingend, um das verlorene Vertrauen der Bürger in die Infrastruktur der Digitalisierung wieder aufzubauen. Überhaupt kritisiert der BVDW die mangelnde Maßnahmensubstantiierung der Agenda. Die Absicht sei da, und die Regierung habe erkannt, wie wichtig der digitale Wandel und die digitale Wirtschaft seien. Allerdings reichten die Maßnahmen nicht weit genug. "Die Digitale Agenda ist und bleibt ein wichtiges zukunftspolitisches Projekt. Aber was die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat, ist mehr als ernüchternd", sagt Matthias Ehrlich, Präsident des BVDW. "Was wir benötigen, sind konkrete Maßnahmenpakete."

IT-Gipfel als Plattform der Agenda

Auch andere Verbände zeigen sich wenig begeistert von der Agenda. So wirft der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) der Bundesregierung vor, die E-Commerce-Branche gänzlich zu vergessen. "Der E-Commerce ist so nah am Endverbraucher wie keine zweite Branche der Internetwirtschaft", sagt Christoph Wenk-Fischer. Und doch gebe es nicht mehr als eine diffuse Formulierung der "Fortentwicklung der Rahmenbedingungen des E-Commerce".

Am 21. Oktober soll in Hamburg der Nationale IT-Gipfel stattfinden. Geplant ist, ihn zu einer Plattform für die Handlungsfelder der digitalen Agenda umzugestalten. Zentrale Themen des IT-Gipfels 2014 sind Industrie 4.0, Young IT und Innovation, Arbeiten in der digitalen Welt, Sicherheit im Internet und Datenschutz. Ob es in der Hansestadt möglich wird, der Digitalen Agenda und ihren zahlreichen Vorhaben ein konkreteres Gesicht zu geben, bleibt abzuwarten. (ks)

Ihr Guide im New Marketing Management - ab 6,23 im Monat!

Hat Ihnen diese Beitrag weiter geholfen? Dann holen Sie sich die ONEtoONE-Premium-Mitgliedschaft. Sie unterstützen damit die Arbeit der ONEtoONE-Redaktion. Sie erhalten Zugang zu allen Premium-Leistungen von ONEtoONE, zum Archiv und sechs mal im Jahr schicken wir Ihnen die aktuelle Ausgabe.

Diskussion:

Vorträge zum Thema:

  • Bild: Prof. Dr. Claudia Bünte
    Prof. Dr. Claudia Bünte
    (KIRevolution: Institut für Marketing-Innvovation)

    Von Mad Man zu Math Man - diese Skills sind im Marketing zukünftig wichtig

    Was braucht es, um Marketing im digitalen Zeitalter erfolgreich zu gestalten? Diese Keynote richtet sich an Digitalunternehmen, E-Commerce-Betreiber:innen und Agenturleitungen, die wissen wollen, welche Denkweisen und Kompetenzen in Zukunft wirklich zählen.

    Prof. Dr. Claudia Bünte zeigt, wie sich Marketing durch den Einsatz von KI grundlegend verändert - weg vom kreativen Bauchgefühl ("Mad Man"), hin zu daten- und technologiegestütztem Arbeiten ("Math Man"). Dabei geht es nicht nur um Tools, sondern vor allem um das große Bild: Welche Rolle spielen Menschen künftig im Marketing?

    Die Keynote inspiriert zum Perspektivwechsel und motiviert, die eigene Rolle im Marketing neu zu denken - strategisch, mutig und zukunftsorientiert.

    Vortrag im Rahmen der Daten & KI 25. am 03.09.25, 09:00 Uhr

Anzeige
www.hightext.de

HighText Verlag

Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling

Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de

Kooperationspartner des

Folgen Sie uns:



Besuchen Sie auch:

www.press1.de

www.ibusiness.de

www.neuhandeln.de