"Jeder Fall muss individuell beurteilt werden"

05.09.2014 - Kundenbewertungen können zu vielen Problemen führen, das weiß jeder Online-Händler. Vor Kurzem sorgte ein Fall für Schlagzeilen, bei dem ein Händler den Kunden wegen negativer Bewertungen verklagte. Auf 38.000 Euro Schadenersatz. ONEtoONE sprach mit Andreas Arlt, Anwalt und Vorsitzender des Händlerbunds, über die rechtliche Einordnung von Kundenbewertungen im Internet.

Die Geschichte dahinter ist schnell erzählt: Ursache des Streits war ein Fliegengitter, das ein Kunde bei einem Händler über Amazon bestellte. Er hatte Schwierigkeiten mit der, seiner Meinung nach fehlerhaften, Installationsanleitung. Auch ein Anruf beim Verkäufer brachte keine Klärung - der Käufer fühlte sich nicht ernst genommen. Daraufhin gab er dem Händler eine schlechte Bewertung, die er auch nicht zurücknahm, als der ihn dazu aufforderte und mit Klage drohte. Der Verkäufer machte die Drohung wahr und verklagte den Kunden, unter anderem wegen entgangener Gewinne.

Das Landgericht Augsburg wies die Klage nun ab. "Die Klagepartei hat nicht den Nachweis erbracht, dass der Beklagte mit Sicherheit unwahre Tatsachen verbreitet hat." Daher habe man die Klage schon aus prozessualen Gründen abweisen müssen, ohne die Forderungen inhaltlich zu prüfen. Doch was darf der Kunde eigentlich schreiben? Welche Folgen können negative Bewertungen für den Händler haben und kann sich daraus ein Schadenersatzanspruch ergeben?

"Der erste Ansatzpunkt ist, dass die Bewertung objektiv wahr sein muss. Der Kunde darf nichts Falsches schreiben. Der zweite Ansatzpunkt ist, dass eine Bewertung keinen rechtswidrigen Inhalt haben darf. Sie darf also nicht beleidigend, verunglimpfend oder verleumderisch sein. Gegen falsche oder rechtswidrige Inhalte kann der Händler juristisch vorgehen", sagt Andreas Arlt gegenüber ONEtoONE. "Es gibt Dinge, die sind einfach feststellbar, und es gibt Dinge, die unterliegen Wertungen, die im Zweifel vom Gericht festgestellt und mit Hilfe eines Gutachters bewertet werden müssen. Ganz klar fehlerhafte Bewertungen oder welche, die Rechtsverstöße enthalten, sind relativ selten und einfach zu handhaben. Problematisch sind die wertenden Bewertungen, die ein Produkt in negativem Licht erscheinen lassen. Natürlich kann der Händler den Kunden auffordern, die Bewertung zu löschen, und wenn er das nicht tut, gerichtlich gegen ihn vorgehen."

Bewertungen schaffen Vertrauen

Denn unter negativen Bewertungen kann ein Händler leiden. Da sind zum einen die Bedingungen, die Plattformbetreiber wie eBay und Amazon für ihre Marktplätze aufgestellt haben. Vermehrt negative Kundenbewertungen führen dort schnell zu einem Verlust an Sichtbarkeit und Status. Und das kann mit Umsatzeinbrüchen einhergehen. "Die Bewertung des Kaufablaufs ist sehr wichtig heutzutage. Im Online-Geschäft geht alles um Vertrauen. Die Bewertungen sind ein vertrauensbildendes Instrument", so Arlt. "Selbstverständlich stellen negative Kundenbewertungen ein Problem für die Händler da. Bewertungen haben immanente Bedeutung und entscheiden über Konversion. Ganz klar leiden die Händler unter schlechten Bewertungen, die mit überzogenen Wertungen versehen sind."

Der Händlerbund unterstützte seine Mitglieder einige Zeit dabei, solche "Schnellschussbewertungen" zu streichen. Kunden wurden angeschrieben und gebeten, negative unwahre Bewertungen zurückzunehmen. Anfangs war die Erfolgsquote hoch. Ungefähr 50 Prozent der Kunden merkten, übers Ziel hinausgeschossen zu sein, und nahmen die Bewertung zurück. Nach einiger Zeit sanken aber nicht nur die Bewertungen allgemein, auch die Rücknahmequote nach einer Bitte des Händlerbundes sank auf 25 Prozent.

Jeder Fall ist anders

Auch wenn die Rechtslage theoretisch klar sei, müsse immer im Einzelfall entschieden werden. "Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil 2013 festgelegt, wie ein Bewertungssys-tem aufgebaut sein muss, und hat für diesen Fall mehr Klarheit gebracht. Aber bei der Rechtswidrigkeit von Bewertungen? Da kann es tausend Urteile geben, aber jeder Fall ist anders und muss individuell bewertet werden."

Interessant wäre eine Antwort der Rechtsprechung auf die Frage nach Schadenersatz, wenn der Anspruch substantiiert ist, also eine wirkliche Grundlage hat. Im Fliegengitterfall war die beklagte Summe jedoch nur behauptet. "Bei einem signifikanten Umsatzeinbruch ab dem Zeitpunkt einer negativen Bewertung kann man vielleicht schließen, dass dies auf die Bewertung zurückgeht. Das könnte vor Gericht zum Nachweis reichen", denkt Arlt.

Der Händler könne, so Arlt, aber Schadensbegrenzung betreiben. So seien unzufriedene Kunden mit guter Serviceleistung ein Stück weit einzufangen. "Problematisch wird es dort, wo Bewertungen ungerecht werden. Mit rechtlichen Mitteln ist das aber nur begrenzt regulierbar. Nicht alles kann per Klage gelöst werden." (ks)

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