28.03.2012 - Die Hypo Vereinsbank (HVB) und Coca-Cola setzen Crowdsourcing und "Schwarmintelligenz" ein, um Ideen von Profis zu erhalten. Das Prinzip wird 2012 auch in Deutschland endlich professioneller von den Unternehmen angefasst, meint ADC-Fachvorstand Jens Schmidt. ONEtoONE sprach mit ihm und den Verantwortlichen der HVB und Coca-Cola über Projekterfahrungen und Wirkungsweisen.
Wenn man es schafft, das Prinzip Crowdsourcing mit einer Social-Media-Strategie zu aktivieren, kann man eine sehr starke Bindung an die Marke erreichen", sagt Jens Schmidt. Er ist Fachvorstand Digitale Medien im Art Directors Club Deutschland und glaubt daran, dass das Thema in Deutschland 2012 endlich ankommt. "Die Zeit dafür ist reif", sagt er.
Beim Crowdsourcing lagern Unternehmen verschiedene Aufgaben wie die Verbesserung von Produkten, Entwicklung von Design oder das Vorschlagen neuer Geschmacksrichtungen an die "Crowd" aus. Die Crowd ist eine breite Masse an Menschen, die nicht notwendigerweise Stakeholder wie Kunden oder Mitarbeiter des Unternehmens sind. Beispiele gibt es schon viele: McDonalds lässt Kunden Burger kreieren, Griesson-de Beukelaer ließ die Markenfans eine neue Sorte "Prinzenrolle" entwickeln, und beim Versandhändler Otto wählten Nutzer über Facebook ein Titelmodell aus.
Crowdsourcing dient in diesen Fällen hauptsächlich der Kundenbindung. Schmidt ist aber der Meinung, dass Crowdsourcing mehr sein könne als eine "bessere Umfrage". Wenn Bedürfnisse und Fähigkeiten der Konsumenten ernst genommen würden, könne Crowdsourcing auch Innovationen hervorbringen: "Menschen haben einen Gestaltungswillen und wollen Verbesserungen einbringen. Und wenn sie durch ihre Mitarbeit am Ende selbst von den Verbesserungen profitieren, ist das eine geniale Motivation und steigert Ansehen und Glaubwürdigkeit des Unternehmens", sagt er. Bekannte Beispiele dafür, maximalen Input aus der "Crowd" einzuholen und über zeitlich befristete Projekte hinauszugehen, sind Dell (mit Ideastorm.com) und Tchibo hierzulande (mit Tchibo-ideas.de). Beide Unternehmen haben Web-Portale etabliert, auf denen Nutzer ohne große Einschränkungen neue Ideen einbringen können. Diese werden diskutiert, bewertet und im besten Fall umgesetzt. "Optimalerweise führt das zu einer wesentlich stärkeren Identifizierung mit den Produkten", so Schmidt.
Crowdsourcing muss aber nicht unbedingt die Einbindung von Verbrauchern meinen. Die Hypo Vereinsbank (HVB) entschied sich Ende 2010 zu einem internen Crowdsourcing-Projekt. Ziel dabei war es, die Kundenbetreuung qualitativ zu verbessern und einen entsprechenden Leitfaden für die Mitarbeiter zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit der Agentur Berger Baader Hermes und dem Web-Dienstleister Hyve startete die Bank die bundesweite Mitarbeiterkampagne "Wenn ich mein Kunde wäre".
"Die HVB hat im Privatkundengeschäft 614 Filialen und etwa 8.000 Mitarbeiter. Alle Mitarbeiter in Workshops zu stecken und einzeln fortzubilden wäre teuer. Ziel war es, die Kundenbetreuung und den Service zu vereinheitlichen", erklärt Waltraud Kaspar-Hieke. Sie betreute die Entwicklung der Crowdsourcing-Kampagne und sagt: "Wir kamen zu dem Schluss, dass wir mit einer deutschlandweiten internen Web-Plattform alle Mitarbeiter kostengünstig und effektiv erreichen, und diese uns ebenso."
[f1]Über die von Hyve entwickelte Software war es allen Mitarbeitern der Bank möglich, ihre Ideen und Gedanken zum Thema "Wenn ich mein Kunde wäre" einzubringen. Die HVB bewarb das Projekt mit einem Film und forderte die Angestellten auf, darüber nachzudenken, was am eigenen Standort mit der eigenen Kundenzielgruppe besser funktionieren könnte. Angesetzt war das Projekt auf acht Wochen, zwölf Mitarbeiter betreuten den Prozess. Doch schon nach sechs Wochen konnte die Kampagne beendet werden, da die Mitarbeiterbeteiligung bereits so fortgeschritten war, dass keine weiteren Einreichungen mehr nötig waren, so Kaspar-Hieke.
"Mir hat das Projekt viel Spaß gemacht, in der internen Vermarktung hat `Wenn ich mein Kunde wäre` sehr gut funktioniert. Die Kampagne war eine hervorragende Möglichkeit, Betroffene zu Beteiligten zu machen", sagt Waltraud Kaspar-Hieke. Laut HVB nahmen 37 Prozent aller Mitarbeiter an dem Projekt teil, 67 Prozent bezeichneten die Software als "übersichtlich". Aus den Einreichungen wurde ein Leitfaden für Kundenbetreuung entwickelt, der jedem Mitarbeiter mit persönlich adressiertem Mailing zuging. Einer Kundenzufriedenheitsmessung zufolge steigerte sich die Zufriedenheit durch das Crowdsourcing-Projekt nach einem Jahr um sechs Prozentpunkte auf 67 Prozent im Jahr 2011 (Tri-M-Index: Measure, Manage, Monitor). Die HVB hat die Kampagne nun umbenannt in "Du bist die Bank" und eine permanent aktive Web-2.0-Plattform aufgesetzt, über die Mitarbeiter weiter Verbesserungsvorschläge abgeben können.
[hl]Coca-Cola Design+ Award[/hl]Das Crowdsourcing-Projekt "Design+ Award" hat Coca-Cola Anfang 2012 auf den Weg gebracht. Über die Kreativplattform Jovoto.de wurden junge Designer dazu aufgerufen, sich neue Konzepte für die klassische rote Getränkekiste von Coca-Cola einfallen zu lassen. Bis zum Einsendeschluss am 8. März gab es 438 Einreichungen über Jovoto. Die Anforderungen: Die Kiste solle praktisch sein, umweltfreundlich und dabei nicht auf "Design-Raffinesse" verzichten. Die besten Konzepte belohnt der Konzern mit einem Preis von 25.000 Euro, und vier Finalisten erhalten die Chance, ihr Design weiterzuentwickeln.
"Der Wettbewerb ist zwar nicht Grundlage für eine Neuauflage der Getränkekiste im Markt, wir sind aber sicher, dass uns der Wettbewerb Impulse für alternative Konzeptideen und Designlösungen geben kann ", sagt Tanja Schüle, Leiterin Public Affairs Coca-Cola Deutschland, gegenüber ONEtoONE. "Crowdsourcing ist für uns und unseren Erfolg zukunftsweisend", meint auch David Butler, Vice President Global Design bei Coca-Cola. "Es fühlt sich noch neu an, aber ich glaube, dieser Inside-Out- und Outside-In-Prozess ist der Anfang dessen, wie wir in Zukunft Design erarbeiten." (db)
Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de