15.10.2009 - Ich bin kein unpolitischer Mensch, dennoch haben politische Aussagen in meinem beruflichen Umfeld nur dann Platz, wenn Sie mein Wirken in irgendeiner Weise betreffen oder beinflussen - so etwa die beabsichtigten Internetsperren. Andere Menschen sehen das anders und mischen ihre professionellen Tätigkeiten mitunter mit politischen Ansichten, gerade im Wahlkampf war das keine Seltenheit.
Da wir in einer Demokratie leben, lasse ich mir das bis zu einem gewissen Grad auch gefallen, selbst dann wenn ich mit der kolportierten Meinung überhaupt nicht einverstanden bin. Treffe ich in meinen (virtuellen) Netzwerken auf solche Meinungen, hilft mir das, mir ein besseres Bild von Personen zu machen, die ich bisher nur über das Web "kenne".
Wie gut kennen Sie Ihr Netzwerk?
Ein aktueller Vorfall hat an dieser Meinung zwar grundsätzlich nichts geändert, mir aber vor Augen geführt, wie sorglos ich selbst - stressbedingt - mit meinen Netzwerken (in Xing, Facebook, LinkedIn, Twitter, Posterous, Digg, Yigg und wie sie alle heißen) in den letzten Monaten verfahren bin. Als Entschuldigung erlaube ich mir an dieser Stelle die platte Frage: Kennen Sie Ihr virtuelles Netzwerk wirklich gut? Oder sind Sie auch auf dem besten Weg, hier vor allem auf (scheinbare) Reichweite zu setzen anstatt auf Relevanz, wie es in Social Media Zeiten allerorten (zu Recht) gepredigt wird?
Ich gebe zu, auch ich freue mich auf den 1.000 Follower, den ich in nicht allzu ferner Zukunft in Twitterland
haben dürfte (zögern Sie nicht, wenn Sie noch nicht dazuzählen). Dennoch betreibe ich ab und an Follower-Hygiene via Twitblock
, um den Spam aus der Microblogging-Sphäre herauszuhalten. Andere arbeiten mit TrueTwit
, um sicher zu stellen, dass sie es mit keinem sogenannten Bot (also einem maschinellen Account) zu tun haben. Ein Kampf gegen Windmühlen, den ich, Don Quijote, nur gewinnen kann, wenn der Großteil der Twitteratis sich daran beteiligt und nicht nur Sancho Pansa und ein Esel als Adjutanten mithelfen.
Virtuelle Visitenkarten-Sammlung oder Interessengruppen?
In Xing
und LinkedIn
hatte ich in grauer Vorzeit mal das Prinzip, nur Menschen in mein Netzwerk aufzunehmen, die ich aus dem realen Leben bereits kenne, die ich also persönlich schon mal getroffen hatte. Eine Art kontinuierliches Visitenkarten-Update mit Zusatzinformationen, wenn man so will. Irgendwann weichte dieser Vorsatz auf und ich ließ auch Leute in mein Netzwerk, die über Empfehlungen, per E-Mail oder Telefonat aufgeschlagen sind. Was jedoch immer noch okay war. Als Selbständiger lebt man jedoch auch von Neugeschäft, daher warf ich letztlich meine Prinizipien über Bord und ließ mehr oder weniger jeden rein. Insbesondere nach meinem Sommerurlaub, nach dem sich soviele Anfragen angesammelt hatten, dass ich pauschal den Daumen hob.
Mit fatalen Folgen, wie ich nun feststellen durfte. Dass das ausgerechnet in Facebook
passierte, ist wohl kaum Zufall. Ich stelle seit Wochen fest, dass die Bedeutung des Netzwerks, nicht zuletzt wegen seiner Offenheit, auch in meinem Wirkungskreis stetig steigt. Und so bekomme ich nahezu täglich neben Kontaktanfragen, im Facebook-Deutsch "Freundschaftsanfragen", auch die Aufforderung Fan von irgenwem oder irgendwas zu werden und unterschiedlichen Gruppen beizutreten. Aktuell bin ich hier in den Gruppen
Marsberg
, Hallo T-Mobile, liebe Telekom: es reicht!!!
, World Summit Award
, Für eine neue Anti-Atom-Bewegung! Atomkraft - nein danke!
, INTERNET WORLD Business
, sevenload
, Petition gegen Internetsperren - Freiheit statt Zensur
, ADC - Art Directors Club für Deutschland
, Die Bahnfahrer
, Social Media Webcast
, M.LOVE
, YIID
, DLD
, Twitter
, MIKI - Home of Publishing People
, Online Reputation
, Communipedia
mit dabei. Gar nicht mal so wenig. Manche auch mit politischer Nebenwirkung. Offen gestanden: Die Aktivitäten in diesen Gruppen habe ich auch nicht mehr so recht im Blick und empfinde sie im Wesentlichen als ein "Bekenntnis" zu meiner Geburtsstadt, gegen schlechten Kundenservice, für gute Produkte oder Dienstleistungen, was auch immer. Es fehlt hier sicher noch einiges, besonders offensichtlich etwa meine emotionale Bindung zum 1. FC Köln (was ich hier
oder hier
nachholen könnte) oder meiner Lieblingsmusik. Wie auch immer. Auf eine gruppe mehr oder weniger dürfte es kaum ankommen. Das dachte sich offenbar auch Max W. aus dem schönen Burgenland (geschätzt wegen seines Weines, weniger wegen der durch übermässigen Weinkonsum eingefärbten politischen Wahrnehmungen).
Statusmeldungen aus der Sauna
Eigentlich ist mir Max W. schon ein paar Tage früher (negativ) aufgefallen und ich hatte schon seinerzeit eigentlich vorgehabt, ihn wegen Irrelevanz (sinngemäße Facebook-Statusmeldung "Sitze nackt in der Sauna und grüße alle Frauen dieser Welt") einfach aus meinem "Freundeskreis" zu entfernen. Zwar sollte man es mit Social Media wie mit dem Autofahren halten (niemals im Suff oder Frust), dennoch hat auch hier jeder mal einen Freischuss. Ich ließ ihn also drin, ohne allerdings zu schauen, mit wem ich es da eigentlich zu tun habe. Da er nicht nur meinem Netzwerk, sondern auch dem einiger anderer mir bekannter Facebook-"Freunde" angehörte, sah ich dazu auch keinerlei Veranlassung. Hätte ich aber. Die Einladung zur Gruppe "Anti Mineretten Initiative
" schließlich öffnete mir die Augen, nicht nur rechtschreib-, sondern auch gesinnungstechnisch. Zugegeben: Auch ich möchte in meiner unmittelbaren Nachbarschaft nicht besonders gerne ein Minarett (so heißt es richtig
, liebe Volksdeppen!) stehen haben. Das gilt aber auch für Windräder (obwohl ich diese nicht nur toleriere, sondern toll finde), Fußballstadien (obwohl ich selbst gern rein gehe) oder Einkaufszentren (vorwiegend aus optischen und lärmtechnischen Gründen).
Als Gründer dieser Gruppe ist Max W. auch Mitglied des rechtspopulistischen BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich)
und damit nahezu zwangsläufig auch des Gründers Jörg Haider
. Wie eine Google-Suche ad hoc ergab (hätte ich es nur früher getan) zeigt er sich im "patriotischen Forum Süddeutschland" (diesen Link schenke ich mir mal) als glühender Verehrer - rein politisch gesehen. Soll er ruhig. Wer die "Linken" im politischen Spektrum duldet, muss zwangsläufig auch die "Rechten" dulden. Alles in den verfassungsmäßigen Grenzen versteht sich. Den besten Umgang mit dem rechten Spektrum habe ich übrigens von Serdar Somoncu gelernt - das erstaunliche Video hierzu ist ein echtes Lehrstück in Sachen Demokratieverständnis.
Online Reputation Management = Netzwerke pflegen
Nun aber zu den eigentlichen Lerneffekten. Relevanz sollte Ernst genommen werden. Ich habe ein sehr zwiespältiges Verhältnis zu Menschen, die mehr als 5.000 Follower in Twitter haben oder in Xing mehr als 2.000 Menschen zu ihrem (persönlichen?) Netzwerk zählen. Ich selbst werde in den nächsten Tagen die unangenehme Aufgabe nachholen, mir einen besseren Überblick über mein virtuelles Netzwerk zu verschaffen. Warum? Ganz einfach. Ich möchte nicht, dass jemand, der mich (noch) nicht kennt, falsche Schlüsse aus einer Kurzrecherche über meine Person zieht, nur weil er Personen in meinem virtuellen Netzwerk identifiziert, die schlicht nicht ganz sauber ticken. Dem möchte ich vorbeugen und darum möchte ich auch kein Freund von Max W. sein. Auch das ist Online Reputation Management.
Immer schön daran denken: Wir werden im Web danach beurteilt, was hier über uns gefunden wird. Das gilt nicht nur für Bilder und Statements, die uns ganz direkt zugeordnet werden können. Je unmittelbarer sich Personen, Meinungen, Einstellungen in unserem Umfeld zeigen, desto stärker werden wir auch hiermit identifiziert. Darum: Pflegen Sie Ihr Netzwerk und lassen Sie nur diejenigen hinein und das zu, was Sie für seriös und ihm wahrsten Sinne nachvollziehbar halten! Denn Vernetzung 2.0 (wie es Frank-Michael Preuss
nennt) heißt eben nicht, mit jedermann befreundet sein zu müssen. Gott, sei Dank! Oder wie es Muslime sagen würden: Alhamdulillah!
(Christoph Salzig)
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