"Hier bahnt sich ein Kuhhandel an"

12.02.2009 - Am Freitag, 13. Februar, will der Bundesrat über die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes befinden. Ein entscheidender Tag für das Dialogmarketing. Rechtsanwalt Ralf Rösler kommentiert exklusiv für ONEtoONE auch die Diskussionslage innerhalb der Branche.

In einem Brief an die Staatsminister der Bundesländer forderte jüngst derVerband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), den Gesetzentwurf zurÄnderung des BDSG fallenzulassen. Sollten sich die Parteien nicht davonabbringen lassen, so will der VDZ als Notlösung - für sich - wenigstens eineAusnahme für die "Bewerbung und Versendung von Presseprodukten" erwirken.Hier bahnt sich ein Kuhhandel an: die Presse erhält ihre Werbeausnahme,dafür stellt sie das Gesamtsystem "Einwilligungslösung für Briefwerbung"nicht in Frage.

Ausnahmen bestätigen zwar die Regel. Wenn es aber so viele Ausnahmen gibt -Eigenwerbung mit Vertragsdaten, B-to-B-Werbung an Geschäftsadressen,Spendenwerbung, Beipackwerbung und jetzt Pressewerbung - damit die Regelfunktioniert, fragt man sich doch, was die Regel eigentlich grundsätzlichtaugt.

Erstaunlicherweise fragt das kaum jemand. Warum nicht?

Womöglich wird die Presse noch ihre Ausnahme bekommen, damit die Politik imWahlkampfjahr Ruhe hat. Mit diesem Erfolg wird sich die Presse zufriedengeben - warum noch Geld und Aufwand für andere Marktteilnehmer, wie denVersand- oder Adresshandel, investieren. Der Versandhandel selbst wirdversuchen müssen, seine Ausnahme zur Eigenwerbung auf Adressen ausöffentlichen Quellen auszudehnen. Ist das erreicht, wird er sich vielleichtdamit bescheiden.

Ob generell nach 30 Jahren ein Systemwechsel zur Opt-in-Lösung fürBriefwerbung richtig und mit der sonstigen Rechtsordnung vereinbar ist,würde dann nicht mehr öffentlich diskutiert. Das ist schade, denn dieGrundlagen der politischen Willensbildung sind alles andere als klar.

Dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist eine Abwägung mit anderenkollidierenden Rechten, auch dem Allgemeininteresse, immanent. Über dieseAbwägung und die beteiligten Interessen muss ausführlich gesprochen werden,und zwar sachlich und differenziert. Wenn sich wirklich 90 Prozent der Bürger vonWerbung belästigt fühlen, wie die Politik meint - welche Werbung ist das?Cold-calling zur Abendstunde, Email-Spam im Postfach, papierverbrauchendeFaxwerbung oder wirklich die Brief- und Katalogwerbung? Arbeiten nicht einGroßteil dieser 90 % Werbeverweigerer in Unternehmen, die für den Vertriebihrer Produkte Werbung machen müssen - auch, um die Löhne zahlen zu können?Ist tatsächlich eine Informations- und Kommunikationsgesellschaft gewollt,in der sich der Einzelne einigeln und von der Sozialgemeinschaft ausgrenzenkönnen soll?

Es fehlt nach wie vor die grundsätzliche Diskussion. Stattdessen wird zähüber Bereichsausnahmen gefeilscht. Die Zeit drängt, man will noch vor demBundestagswahlkampf das Gesetzesvorhaben abschließen. EineGrundsatzdiskussion ist hier politisch nicht gewünscht. Sie ist aber nötigund wird daher den Wählern auch geschuldet. Gut Ding will eben Weile haben.

Ralf Rösler

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