25.02.2008 - Ein Kommentar von Martin Teschke
Der Schritt hätte radikaler nicht sein können. Der Brockhaus, seit 200 Jahren die Institution deutscher Nachschlagewerke, verabschiedet sich von der gedruckten Welt und wandert in wenigen Wochen ins Internet aus. In eine Welt, in der sich zumeist jugendliche Nutzer in Communities tummeln, in der das geschriebene Wort rasend schnell veraltet und in der heute kaum jemand weiß, was morgen angesagt sein wird. Das kann für den guten, alten Brockhaus doch eigentlich nicht gut gehen, oder?
Eine der Herausforderungen für den Brockhaus-Verlag liegt in der starken Konkurrenz. So hat zum Beispiel die Spiegel-Gruppe gemeinsam mit der Bertelsmann-Tochter Wissen Media Group und Wikipedia eine neue Rechercheplattform online gestellt. "Spiegel Wissen" verknüpft klassische lexikalische Einträge aus den Bertelsmann-Lexika und -Wörterbüchern mit denen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia sowie mit journalistischen Quellen aus den Medien der Spiegel-Gruppe.
Eine weitere Herausforderung ist die Vermarktung des Online-Angebots. Da der Verlag damit keine Erfahrung gesammelt hat, muss er diese Aufgabe extern vergeben. Die Macher von "Spiegel Wissen" zum Beispiel setzen auf die Spiegel-Net-Tochter Quality Channel. Dort kennt man die eigene Klientel in- und auswendig. Der Brockhaus hingegen muss seine User erst noch von der werbefinanzierten Idee überzeugen. Wömöglich wird sich der promovierte Philologe nun doch noch ins Internet bequemen müssen ...
All dies könnten Anfangsschwierigkeiten sein, die sich mit wachsender Erfahrung seitens des Verlags und Gewöhnung seitens der Nutzer von selbst erledigen. Schwerer wiegt die Radikalität des Schritts selbst. Der Brockhaus-Verlag wählt nicht etwa die crossmediale Ansprache seiner Kunden, mit einer starken Printmarke im Vordergrund, so wie es die Konkurrenten vorführen. Nein, er setzt alles auf eine Karte - in der Erkenntnis, dass auf absehbare Zeit nicht genügend Menschen bereit sind, 2.500 oder gar 5.000 Euro für eine Enzyklopädie auszugeben.
Vielleicht liegt darin aber auch gerade die Chance. Die Tradition, die Erfahrung im Umgang mit dem Wissen der Menschheit, übertragen auf das neue Medium Internet, könnte wirklich eine neue Qualität hervorbringen - und wird die Online-Werber sicher beflügeln.
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