28.02.2008 - Ein Rundruf aus der ONEtoONE 03/2008.
Das US-Beratungsunternehmen Deloitte hat Online-Werbetreibenden empfohlen, durch Selbstbeschränkung staatlicher Regulierung zuvorzukommen, etwa durch die Implementierung von Technologien, die Werbung mit bestimmten Inhalten (wie etwa Alkohol) eingrenzt. Nutzer wehrten sich nicht nur zunehmend gegen störende Werbebanner, sondern auch gegen die Abfrage und Speicherung von Nutzungsgewohnheiten, so Deloitte. ONEtoONE fragte Branchenvertreter nach ihrer Meinung.
Matthias Ehrlich,Vorstand des Online-Vermarkters United Internet Media in München
Die digitale Industrie erfordert eine neue Ethik. Unsere Branche lebt von der Freiwilligkeit und dem Vertrauen der Internetnutzer. Der Staat kann für uns das Problem nicht regeln - die Branche muss selbst für Transparenz sorgen. Deshalb ist eine Selbstverpflichtung in Kombination mit neutralen Kontrollen die einzige Möglichkeit, Nutzerinteressen wie Datenschutz und Vermeidung von störender, weil irrelevanter Werbung mit den Forderungen der werbetreibenden Industrie nach innovativen Werbetechnologien sauber zu harmonisieren.
Dirk Kedrowitsch, Geschäftsführer der Agentur Elephant Seven in Hamburg:
Die Ignoranz Einzelner zeigt sich heute nicht mehr ausschließlich thematisch, sondern eher technisch. So diskutieren wir generalis tisch über Selbstregulierung zum Datenschutz und ignorieren Targeting-Methoden, die uns unter Achtung des Datenschutzes eine Auslieferung von Werbemitteln ermöglicht, die gezielt Personen mit entsprechenden Kriterien, Bedürfnissen anspricht und so gezielt Inhalt transportieren oder ausschließen kann. Doch die gute "Ich-bin-gegen-alles-Mentalität" verbietet diese Weitsicht und verlangt nach tradierten Methoden: Einschränkungen. Wo wollen wir anfangen? Zigaretten, Alkohol, ja klar, sind ja Drogen. Wo hören wir auf? Bei Autos, Heizpilzen? Warum nicht auch diese Güter einschränken - sind doch CO2-Umweltkiller. Ich finde, Werte wie Moral und Ethik zu ignorieren, indiskutabel, aber ständige Reglementierung als Allheilmittel ebenso!
Stefan Längin, Managing Director der Agentur Neo@Ogilvy in Düsseldorf:
Natürlich ist die Selbstbeschränkung einer staatlichen Regulierung vorzuziehen, vorausgesetzt, der verbleibende Handlungsspielraum ist bei ersterer größer. Beides läuft jedoch immer auf eine Einschränkung der Aktivitäten hinaus. Gerade bei einer so jungen und dynamischen Disziplin wie dem Online-Marketing sollte man erst einmal mehr Erfahrungen sammeln. Neue Technologien und Medien wecken immer neue Begehrlichkeiten - dabei reichen die bisherigen Beschränkungen meiner Meinung nach auch für die Online-Werbung vollkommen aus. Letztlich entscheidet der Markt.
Jochen Gottwald, Sales Director des Online-Vermarkters Miva in Hamburg:
Das Web 2.0 lässt sich meiner Meinung nach nicht mehr in der Form gesetzlich regulieren, wie wir das von klassischen Medien kennen. Zumal nationale Insellösungen in den Zeiten der grenzüberschreitenden Internetkultur wenig Sinn ergeben. Doch das Mitmach-Web reguliert sich in Teilen selbst - durch die Macht der User. Die können, wie jüngste Beispiele beweisen, Werbung in gewissen Umfeldern einfach "verbieten", indem sie virtuell dagegen Sturm laufen. Oder Unternehmen und Produkte in Verbraucherforen gnadenlos abstrafen.
Volker Wiewer, Vorstandsvorsitzender des E-Mail-Marketing-Dienstleisters E-Circle in München:
Vor allem im E-Mail-Marketing kann die erwünschte Werbewirkung nur dann erzielt werden, wenn die Inhalte vom Empfänger wirklich gewollt sind. Die etablierten Anbieter haben zum Schutz der Konsumenten vor Spam daher von sich aus frühzeitig Regularien geschaffen, die den Markt transparenter und sicherer machen - zum Beispiel durch den DDV-Ehrenkodex oder die internationale Whitelist Certified Senders Alliance. Wir sind daher schon viel weiter als die Gesetzgebung, so dass weitere Einschränkungen nicht notwendig sind.
Andreas Schwend, Managing Partner des E-Business-Dienstleisters DMC in Stuttgart:
In der Tat eine reizvolle Idee. Mit vorauseilendem Gehorsam entziehen sich die Online-Werber ihr eigenes Geschäftsfeld, indem sie sich selbst regulieren. Wenn der Gesetzgeber staatliche Kontrollen und eine angepasste Gesetzgebung schafft, dann halte ich eine Einschränkung für notwendig. Bis dahin sollte sich jeder Online-Marketer an den moralischen Kodex - keine Gewalt und keine Diskriminierung - halten.
Harald Kratel, Chief Operating Officer der Online-Partneragentur Parship:
Das Internet ist ein unüberschaubarer Werbeplatz. Eine staatliche Überwachung ist nahezu unmöglich. Die User im Netz sind aber nun mal aktive Nutzer. Daher glaube ich, dass Verbraucher und -schützer mit den zur Verfügung stehenden Gesetzen ausreichend für den notwendigen Schutz sorgen können.
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