29.01.2007 - Unterschiedliche Messmethoden sorgen für Verwirrung / Bitkom- und ZAW-Angaben liegen deutlich unter denen des BVDW
Der IT- und Telekommunikationsverband Bitkom hat erstmals Zahlen für den deutschen Online-Werbemarkt vorgelegt und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Der Grund: Der angegebene Umsatz von 480 Millionen Euro liegt weit unter den 1,65 Milliarden Euro, die der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) im September 2006 prognostiziert hat. Zahlreiche Online-Vermarkter befürchten nun, gegenüber ihren Werbekunden in Erklärungsnot zu geraten. Und das, nachdem der BVDW nach jahrelanger Detailarbeit endlich einen Modus gefunden hatte, die verschiedenen Marktzahlen zu einer verlässlichen Gesamtstatistik zusammenzufügen. "Vor diesem Hintergrund ist es für die Entwicklung der gesamten Branche abträglich, wenn Zahlen in den Markt getragen werden, die nicht nur viel zu niedrig, sondern zudem überhaupt nicht belegbar sind", kritisiert BVDW-Präsident Arndt Groth.
Die große Diskrepanz erklärt sich hauptsächlich durch die Nichtberücksichtigung des Suchmaschinen- und Affiliate-Marketings in der Statistik, die Bitkom mit Hilfe des Marktforschers Thomson Media Control (TMC) erstellte. Der Bitkom wies in seiner ersten Veröffentlichung zwar deutlich darauf hin, dass die Zahlen nur für die klassische Online-Werbung, also alle grafischen Werbemittel sowie das Sponsoring von Websites, gelten.
Doch für die Online-Vermarkter war schon das Auslassen der beiden größten Wachstumsbranchen der Internetwerbung ein unverzeihlicher Fehler. "Ohne eine Berücksichtigung der zusätzlichen Umsatzbringer Suchmaschinenmarketing und Affiliate-Marketing kann grundsätzlich kein vollständiges Bild des Online-Werbemarktes gezeichnet werden", sagt Wolfhard Fröhlich, Country Manager des Suchtreffervermarkters Miva. Laut BVDW-Prognose wurden im vergangenen Jahr mit Suchwortvermarktung 710 Millionen Euro und mit Affiliate-Marketing 155 Millionen Euro umgesetzt. Damit schrumpft die Differenz zwischen den Werten von BVDW und Bitkom auf 305 Millionen Euro.
Der zweite Grund für die unterschiedlichen Zahlen war das Versäumnis von Bitkom und TMC, darauf hinzuweisen, dass es sich um Nettozahlen handelt. Nach Auskunft von Dr. Bernd Henning, Senior Consultant des Berliner Targeting-Spezialisten und lange Zeit Online-Forscher des BVDW, beträgt der Unterschied zwischen Brutto- und Nettoumsatz im Schnitt etwa 35 Prozent. Dies entspräche ungefähr der Differenz zwischen den 480 Millionen Euro von Bitkom und den 785 Millionen Euro des BVDW - und der viel gescholtene Bitkom wäre aus dem Schneider. Zu dumm, dass der BVDW flugs endgültige Zahlen für 2006 vorlegte. Demnach wurden 2006 rund 903 Millionen Euro für klassische Online-Werbung ausgegeben, was sich mit der Brutto-Netto-Schere nicht mehr erklären lässt.
Zudem kritisiert Frank Bachér, stellvertretender Vorsitzender des Online-Vermarkterkreises des BVDW, die Methodik von TMC. Der Marktforscher, ein Joint Venture der Media-Control-Gruppe und der englischen Firma Thomson Intermedia, ermittelt mit Hilfe eines Such-Tools mehrere hundert Mal pro Tag, welche Werbeanzeigen auf etwa 300 ausgewählten Websites geschaltet sind. Die ermittelten Anzeigen werden dann mittels eines Codes nach Größe und Inhalt identifiziert. Gleichzeitig errechnet TMC anhand ausgewiesener Page Impressions und selbst standardisierter Tausender-Kontakt-Preise (TKP) die Nettoerlöse. "Wir versuchen, einen realitischen TKP anzusetzen", erklärt Norman J. Wagner, Director Marketing & Sales von TMC.
"Die Spider-Technik kann nur den Brutto-TKP errechnen. Nach welchen Kriterien sie die Nettoaufrechnungen machen, geben sie nicht preis", bemängelt Bachér. "Die geschätzten Ad Impressions auch noch monetär zu bewerten ist schon sehr wackelig", ergänzt Henning. "Wir betrachten nur das Geld, das wirklich geflossen ist. Luftbuchungen sind herausgerechnet", hält Bitkom-Sprecher Stephan Kahl dagegen.
Zum Vergleich: Beim BVDW basieren die Zahlen für das Segment klassische Online-Werbung auf der Online-Werbestatistik von Nielsen Media Research. Hierzu melden 25 führende Online-Vermarkter, die dem OVK angehören, aus ihren Buchungssystemen die konkreten Bruttoumsätze bis auf Produktebene an Nielsen. Das Buchungsvolumen deckt etwa 75 Prozent des gesamten Online-Werbemarktes in Deutschland ab. Der Marktforscher Nielsen prüft die Angaben, nimmt eine Detailauswertung vor und bindet die Zahlen in seine Gesamtwerbestatistik ein. Der BVDW rechnet die Zahlen anschließend auf 100 Prozent hoch, wobei kleinere Provisionsanteile aus der Suchwortvermarktung abgezogen werden, um Doppelbuchungen auszuschließen. Danach ermittelt der BVDW in Absprache mit führenden Anbietern die Umsatzzahlen für die Segmente Affiliate- und Suchmaschinenmarketing. Laut Salzig soll dies in den kommenden Wochen geschehen, sodass die gesamte Online-Werbestatistik bis zur Computermesse Cebit im März fertig ist.
In der Zwischenzeit wird der BVDW das Gespräch mit Bitkom suchen, um künftig einheitliche Zahlen vorlegen zu können. Das ist auch im Sinne des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), der mit 500 Millionen Euro einen ähnlich niedrigen Wert wie der Bitkom ermittelte. "Ich halte es für erforderlich, dass wir uns nicht in der Öffentlichkeit gegenseitig Zahlen um die Ohren hauen, sondern dass wir den Versuch unternehmen, Klarheit zu schaffen", sagt ZAW-Sprecher Volker Nickel. brö
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