UWG: Direktmarketing eine unzumutbare Belästigung?

27.07.2004 - Medienanwalt Dr. Stefan Engels kommentiert das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerbs (UWG) aus Direktmarketingsicht

Dr. Stefan Engels, Rechtsanwalt und Partner des auf Medienrecht spezialisierten Hamburger Büros von Lovells, gilt als Experte in Sachen UWG. Für ONEtoONE fasst er die Folgen des neuen Wettbewerbsgesetzes für das Direktmarketing zusammen.

Grundsatz
Das Gesetz übernimmt in Paragraf 7 den allgemein anerkannten Grundsatz, dass eine Werbung immer dann unzumutbar ist, wenn sie gegen den erkennbaren Willen des Empfängers erfolgt, z.B. Werbewurfsendung trotz Aufkleber am Briefkasten. Wo ein entgegenstehender Wille nicht erkennbar ist, etwa ein Ansprechen auf öffentlicher Straße, wird es also auf den Einzelfall ankommen. Telefonwerbung
Für die an den Verbraucher gerichtete Telefonwerbung wird ein zuvor eingeholtes Einverständnis vorausgesetzt. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung zur Telefonwerbung. Gerechtfertigt wird dieses Verbot mit dem unzulässigen Eingriff in die Individualsphäre, den ein Anruf angeblich darstellt. Grundsätzlich müssen die erforderlichen Einwilligungen nun also schriftlich oder mündlich bei den Verbrauchern eingeholt werden.
Anders fällt - wie früher auch - die wettbewerbsrechtliche Bewertung der Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden aus: Die Werbung ist nur dann unlauter, wenn ein Einverständnis nicht zu vermuten ist. Von einem Einverständnis kann ausgegangen werden, wenn ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund vorliegt. Allerdings: Da unternehmerisches Handeln naturgemäß auf Kommunikation mit Dritten ausgerichtet ist, müssen die Unternehmen eher eine "Belästigung" durch Telefonwerbung hinnehmen.

Fax und E-Mail-Werbung
Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung sieht das UWG weiterhin die Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten und insbesondere elektronischer Post für Werbezwecke ohne Einverständnis des Adressaten als wettbewerbswidrig an. Eine Differenzierung zwischen Verbrauchern und Marktteilnehmern wird nicht vorgenommen.

Anonyme Nachrichten
Die Versendung von Nachrichten ohne Angabe des Absenders wird verboten. Dieses Transparenzgebot soll die Durchsetzung der Ansprüche gegen den Werbenden erleichtern und insbesondere dem Adressaten die Möglichkeit geben, die Einstellung der Nachrichten zu verlangen, ohne hierfür mehr als "die Übermittlungskosten nach den Basistarifen" zu zahlen. Die Voraussetzung des Basistarifs ist bei einer Mehrwertdienstnummer nicht erfüllt.

Ausnahme für elektronische Post
Der Unternehmer kann, wenn er von einem Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung dessen elektronische Kontaktinformation für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Angebote verwenden. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass der Kunde bei Erhebung und bei jeder Nutzung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er diese Nutzung jederzeit untersagen kann, ohne dass dafür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.

Fazit
Der Gesetzgeber hat zugunsten des Verbraucherschutzes jeweils die weitest- mögliche Beschränkung gewählt. Er hat sogar die bei der Umsetzung der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation vorgesehenen Spielräume nicht genutzt. Nur eine scheinbare Lücke eröffnet sich für elektronische Werbepost über die Ausnahme des Paragrafen 7 Absatz. 3, wenn der Kunde seine elektronische Kontaktinformation im Zusammenhang mit dem Kauf einer Ware zur Verfügung gestellt hat. Da der Kunde zuvor darüber aufgeklärt wurde, was mit seinen Daten geschieht, entspricht die Situation - so jedenfalls die Vorstellung des Gesetzgebers - einem "stillschweigenden Einverständnis".
Am Ende bleibt ein trauriges Fazit: Innovative Vertriebsformen werden ihre Heimat nicht (mehr) in Deutschland suchen. Dabei hätte ein von den Verkehrskreisen getragenes Opt-out-Modell die Möglichkeit geboten, die grundrechtlich geschützten Interessen des Werbenden und des Umworbenen zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen. Mit Blick auf die Grundrechte der Werbenden ist es darüber hinaus verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, das Telefonmarketing rechtlich anders zu behandeln als den - zulässigen - Vertreterbesuch an der Haustür. Es ist daher durchaus fraglich, ob das Verbot einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Auch eröffnet das europäische Verbraucherschutzrecht den Mitgliedstaaten ganz bewusst die Möglichkeit, sich hinsichtlich des Telefonmarketings für ein sachgerechtes Opt- out-Modell zu entscheiden, was die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für das Telefonmarketing getan hat. So bleibt nur die Hoffnung auf eine europäische Liberalisierung mit Harmonisierung im Binnenmarkt, die zuletzt im E-Commerce dem deutschen Gesetzgeber Beine gemacht hat.

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