26.07.2004 - Corporate-Publishing-Trends aus der Dialogperspektive
Kundenzeitschriften und One-to-one-Marketing: Zwei, die sich nicht ohne weiteres gut verstehen, rücken zögerlich zusammen. Immerhin wurde im Rahmen des renommierten Branchenwettbewerbs Best of Corporate Publishing (BCP) erstmals ein Preis in der Kategorie CR-Kommunication für Integration und Vernetzung vergeben. Doch die Bedeutung des Dialogs für Kundenmedien ist nach wie vor gering.
Schon vor zwei Jahren hieß es im Forum Corporate Publishing (FCP): "Wenn die drei wichtigsten Koordinaten moderner Kundenkommunikation wie journalistische Kompetenz, Nutzwert und Dialogfähigkeit stimmen, wird eine Kundenzeitschrift zu einem zentralen Werkzeug der One-to-one-Kommunikation und zur Speerspitze im Wettbewerb um den Kunden", dessen war sich Petra Tewes, bis Ende Juli FCP-Geschäftsführerin, sicher. Doch was für den Wettbewerb um Kunden gilt, gilt noch lange nicht für den Branchenoscar Best of Corporate Publishing. Das aktuelle Fazit aus den Wettbewerbsgremien: Es gibt immer mehr ambitionierte Corporate-Publisher, und die liefern immer bessere Qualität beim Leser ab - das gilt mittlerweile selbst für die B-to-B-Sparte. Dennoch: Der Dialog wird im Vielseitigkeitstalent Kundenmagazin nach wie vor klein geschrieben.
Im deutschsprachigen Raum erschienen 2003 rund 3.500 CP-Titel. Mit ihrer Auflage von mehr als 450 Millionen Exemplaren pro Herausgabe stellen sie den Markt der Publikumszeitschriften mit rund 125 Millionen längst in den Schatten. Seit 1987 hat sich die Auflage mehr als verdreifacht. Und ständig kommen neue dazu. Erst kürzlich sind etwa der Uhren- und Juwelenhändler Wempe und der IT-Dienstleister Siemens Business Services ins Corporate Publishing eingestiegen.Die Holsten-Brauerei profiliert sich künftig mit einem eigenen Gastronomie-Magazin.
Viele arbeiten nach Auskunft der Dienstleister derzeit an der qualitativen Verbesserung ihrer Objekte. "Um Kunden binden zu können, reicht es heute nicht mehr aus, nur über Produkte, Preise etc. zu kommunizieren. Die Kunden erwarten echten Mehrwert, glaubwürdige, für sie interessante Informationen und individuelle Betreuung", sagt Beatrice Eisenmann, Mitglied der Verlagsleitung bei wdv und gleich zweifache BCP-Preisträgerin in der Kategorie Consumer-related-Communication: "Kundenkommunikation und Kundenbindung funktionieren nur über engen Dialog."
Tatsächlich hält sich jedoch die Neigung der Unternehmen, diese Erwartungen zu erfüllen, in Grenzen. In einer aktuellen Studie über den Stellenwert von Kundenzeitschriften gaben nur 34 der befragten Herausgeber an, ihren Kunden den geforderten Mehrwert auch bieten zu wollen. Den Dialog mit den Kunden suchen nur 11,6 Prozent, und magere zwei Prozent wollen ihre Leser unterhalten. Mehr als jeder Zweite nannte dagegen die Vermittlung von Produktinformationen und die Betonung der eigenen Kompetenzen als Kommunikationsziele. Fast zwei Drittel (59,9 Prozent) sehen im Kundenmagazin ein Mittel zur Image-Pflege und Steigerung der Bekanntheit.
Lieber in Schönheit sterben, als dem Kunden begegnen? "Häufig gibt erst die Etablierung eines Kundenmagazins die Initialzündung für CRM", sagt Dr. Kai Laakmann, Geschäftsführer der CP-Tochter von Hoffmann & Campe: "Viele Unternehmen verfügen noch über keine präzise und einheitliche Kundendatenbank. Diese wird oft zur Versendung der ersten Ausgabe eines Magazins erstellt. "
Zum Dialogmedium wird die Kundenzeitschrift deshalb noch lange nicht. Das Übel nimmt einen Anfang, wo Herausgeber, die ihre Magazine immer noch zu zwei Dritteln in Eigenregie produzieren, ihre Kundenmedien ausschließlich als Instrument der Unternehmenskommunikation betrachten. Immerhin "relativiert sich die Egozentrik der Unternehmen", beobachtet Stephan Kappen, Geschäftsführer der Gruppe für Gestaltung in Bremen: "Unternehmen stellen fest, dass sie in großen, gesellschaftlichen Zusammenhängen vernetzt sind und vom Kunden nicht isoliert betrachtet werden." Dennoch steht der theoretischen Vielfalt von Aufgaben und Funktionen in der Praxis ein Mainstream gegenüber, der im klassischen Denken wurzelt. Schließlich wollen Unternehmen mehrheitlich gar nichts anderes als bekannter werden, kompetenter wirken und informieren.
Für Umsatz und Kundendialog interessieren sich laut Kundezeitschriftenstudie explizit nur rund zwölf Prozent. Mehr Kundennähe durch personalisierte Inhalte spielt - von wenigen Ausnahmen abgesehen - fast keine Rolle. "Grundsätzlich übernimmt jedes Magazin alle möglichen Funktionen, nur sind die Magazine je nach Zielsetzung unterschiedlich "abgemischt", sagt Thomas Schmitz, Geschäftsführer des siebenfachen BCP-Gewinners Schmitz-komm.de. Konsens herrscht in der Branche über die Ziele ihrer Medien: "Kundenbindung ist Hauptaufgabe des Kundenmagazins. Dazu gehört Vertrauensbildung und eine erfolgreiche Markenkommunikation", sagt Armin J. Noll, Chefberater von Publikom Z. Erst in zweiter Linie könne das Medium als Marketing-Instrument betrachtet werden. So dient etwa das vielfach ausgezeichnete BMW Magazin von Hoffmann & Campe primär der Markenkommunikation und der Kundenbindung. Bei keynotes steht eher die Produkt- bzw. Leistungserklärung im Vordergrund.
Das A und O sind Glaubwürdigkeit und Authentizität. "Ein Zusatznutzen entsteht, wenn das Unternehmen als authentischer Absender erlebbar wird - als Persönlichkeit." Mit Persönlichkeiten könne man reden, mit Broschüren oder Flyern nicht. "Ein gutes Kundenmagazin ist keine Schweinebauchanzeige," meint auch Schmitz. "Die Dialog-Angebote sind für die Tonne, wenn das thematische Umfeld nicht anspricht." Erst wenn das Vertrauen der Kunden gewonnen ist, sollte man seiner Ansicht nach Dialoge anzetteln, etwa, um Profile zu generieren - ein Unterfangen, das Stephan Kappen ohnedies für vergebens hält. Die Ausbeute von Kundenmedien für die Qualifizierung der Daten sei relativ gering. Der Grund: "Zu geringe Response-Quote."
Dass es auch anders geht, zeigt der Energieversorger E.ON Hanse - ein Produkt der Fusion der Vorgänger Schleswag und Hein Gas - mit seinem neuen Kundenmedium Saison. Seit Juni bekommen rund 700.000 E.ON-Hanse-Kunden viermal jährlich das magazin ins Haus. Der Titel verbindet das Konzept des Schleswag-Magazins mit den regelmäßigen Mailing-Aktionen, die Hein Gas im Rahmen der Regelkommunikation durchführte.
Im Editorial begrüßt zunächst Redaktionsleiterin Christiane Frilling ihre Leser. "Wir wollen die persönliche Ansprache ohne Streuverluste, und wir wollen Kundennähe demonstrieren." Dafür zieht Saison beim Dialog alle strategischen Register: angefangen mit persönlicher Ansprache im Editorial und Kontaktadressen zu Gesprächspartnern für spezifische Themen über Gewinnspiele, Coupons und Kreuzworträtsel bis hin zur Leserbefragung mit personalisierter Antwortkarte. Der redaktionelle Schwerpunkt liegt auf Nutzwert und Service. "Doch Saison ist für uns auch Image-Träger", sagt Christiane Frilling. "Das vermitteln wir mit Geschichten über Land und Leute oder über unsere Kernkompetenz Energie."
So unterhält die Sommer-Saison ihre Leser mit der Geschichte über Vorurteile gegen Norddeutsche ("Uns bläst so schnell nichts um!") und mit einem Artikel über Sommergewitter ("Die Power der Götter"). "Mit Service und Veranstaltungstipps profilieren wir uns zudem als regionaler Anbieter", so die Redaktionschefin.
Das Konzept scheint aufzugehen. Zwar liegen abschließende Response-Quoten noch nicht vor, doch die Kooperationspartner der Gutschein-Aktionen erhöhen Frilling zufolge bereits ihr Angebotskontingent. Künftig fließen Reaktionen auf Gewinnspiele und Couponing-Aktionen in die Bewertung des Magazins ein. Zudem führt E.ON Hanse einmal jährlich eine Studie zur Kundenloyalität durch.
Verlagseigene Marktforschung gehört zwar mittlerweile zum Standardprogramm der etablierten Corporate Publisher, doch das Problem der Erfolgskontrolle bleibt damit im Grunde ungelöst. Die Aufnahme der CP-Gattung in die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA) scheiterte im Herbst 2003 an Finanzierungsfragen, und das TNS-Tool "CP-Standard" liefert nicht notwendig ergiebigere Benchmarks, als die verlagsintern meist schon vorhandenen Methoden. "Die Erfolgs- und Effizienzmessung ist eines der wichtigsten Themen der nächsten Zeit - das gilt für alle Kommunikationsprojekte", sagt Beatrice Eisenmann. Das AOK-Programm "Abnehmen mit Genuss" wird beispielsweise im Kundenmagazin promotet und im Internet fortgesetzt. Die Teilnehmer werden unter anderem mit SMS-Services begleitet. Messbarer Erfolg: 97.112 Diätwillige haben sich der Community seit 2001 angeschlossen. Unter anderem hierfür gab´s zwei Platzierungen in der Vernetzungskategorie des BCB. Eisenmann: "Die Sales- bzw. Bindungseffekte dieser Maßnahmen rücken immer stärker in den Vordergrund - zu Recht."
Doch bisher kann von Vordergrund keine Rede sein. "Wenn Sie die Werbewirkung von CP auf dem aktuellen Stand ganz isoliert abfragen, dann ist das Ergebnis wahrscheinlich ernüchternd", räumt Stephan Kappen ein. Ein Chemieunternehmen aus dem Raum Köln hat kürzlich in seinem Kundenmagazin einen Artikel über einen Trinkwasserfilter veröffentlicht. "Wo das Medium verteilt wurde, begann ein richtiger Run auf diesen Filter", erzählt Dietmar Suchalla von der Magazine Factory in Hamburg. "Das war ein Erfolgsnachweis, wie er besser nicht sein konnte. Doch der ist die Ausnahme."
Öffentlich forderte deshalb vor kurzem FCP-Präsident Manfred Hasenbeck erneut: "CP muss rechenbar werden." Härteste Währung sei der Umsatz, Value Communications sollte sich daher mit dem Customer-Relationship-Management verbinden. Die Branche ist gespannt. asc
Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de