18.02.2003 - Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten sind Controlling-Systeme für Agenturen überlebenswichtig
"Was unterscheidet Controller von der RAF? Nun, die RAF hat Sympathisanten!" Derlei dumme Witze zeigen eines: Controller haben keinen leichten Stand. Gerade in den Agenturen kämpfen sie oft mit den unschönen Vorurteilen, sie seien Pfennigfuchser, Erbsenzähler, Kreativitätskiller. Dabei müsste jeder Agenturmitarbeiter dem - guten - Controller zutiefst dankbar sein, denn schließlich sichert er ihm letztlich den Job. Nicht umsonst verfügen alle großen Networks über ausgeklügelte Reporting- und Controlling-Systeme. Anders aber sieht es bei kleineren und mittleren Agenturen aus. Dort wird das Thema oft unterschätzt.
"Manche Agenturen muss man zum Thema Controlling prügeln", seufzt Sascha Reichow, der sich mit seiner Firma braintronic auf die Entwicklung von Agentur-Software spezialisiert hat. "Wenn´s gut läuft, braucht man es vermeintlich nicht. Wenn das Geschäft stagniert, konzentriert man sich auf die Akquise und wenn´s schlecht läuft, ist kein Geld mehr da."
Dabei sind die Argumente für ein professionelles Controlling unschlagbar: Dank der systematischen Erfassung und Analyse der Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie sämtlicher Arbeitsprozesse hat der Agenturchef jederzeit Zugriff auf aktuelle und zu erwartende Rentabilitätskennzahlen. Als Grundlage einer professionellen Kosten- und Leistungskontrolle bedarf es der Definition aller Agenturprozesse - ein mühsames Unterfangen. So sind bei der 25-köpfigen SkaDialog in Frankfurt rund 24 Monate verstrichen, bis die neue Agentur-Software die internen Abläufe so abbildete, wie sie sollte. Der Aufwand hat sich gelohnt. "Ich kann jetzt in jede Pore dieser Agentur gucken", sagt Ska-Chefin Stefani Spangenberg.
Aber eine Agentur-Software kann nur so gut sein wie ihre Anwender. Die Stundenerfassung zum Beispiel erfordert die Disziplin aller. Bei Ska hat man die Mitarbeiter mit sanfter Gewalt dazu gebracht, ihre Stunden zu dokumentieren: Wer am Vorabend seine Arbeit nicht eingetragen hat, kann am nachfolgenden Morgen erst dann arbeiten, wenn er das ordnungsgemäß nachholt. Jeder Auftrag erhält eine Projektnummer und wird vom ersten Kontakt bis zur Rechnungstellung dokumentiert. Anhand der geleisteten Stunden pro Projekt sowie der Aufstellung der dazugehörigen Fremdkosten kann die Agentur jetzt beurteilen, ob der Auftrag profitabel bearbeitet wird.
Die Rentabilitätskiller in Agenturen sind meist zu viele aufgewendete Stunden pro Projekt, oder der Lapsus, dass Stunden, die an den Kunden weiterberechnet werden könnten, schlankweg unter den Tisch fallen. Außerdem wird oft wenig sorgsam mit der Weiterberechnung von Fremdkosten umgegangen. Wer je allein die Monatsabrechnungen der Kurierfahrten für eine Agentur gesehen hat, weiß, dass der Spruch vom Kleinvieh, das auch Mist macht, nur zu wahr ist. Wer hier schludert, riskiert unprofitable Projekte.
"Controlling zeigt die Wahrheit, und das ist nicht immer gewollt", sagt Sascha Reichow. So ist zum Beispiel anhand der Stundenerfassung ersichtlich, wie effizient tatsächlich gearbeitet wird. Ergibt sich in diesem Punkt eine Schieflage, muss das nicht unbedingt am mangelnden Engagement der Mitarbeiter liegen, sondern daran, dass falsch kalkuliert wurde. "In vielen Agenturen wird der Stundenaufwand für einen Job geschätzt oder gewürfelt - und nicht kalkuliert", so Reichow.
Auch hier helfen Analyse-Tools, die die Kalkulation erleichtern. Derlei Auswertungen schaffen eine Transparenz, die auch bei Verhandlungen mit Kunden helfen kann. Denn viele Werbungtreibende glauben a priori, dass ihre Agentur zu teuer ist. Wer solchen Ansichten mit einer sauberen Projektdokumentation entgegentreten kann, schafft Vertrauen beim Kunden.
Nun gehört zum Thema Controlling natürlich noch ein bisschen mehr als bloßes Listenführen. Martin Wider von der Hamburger DetterbeckWiderJuric sagt: "Controlling heißt, dass mir Informationen zur Verfügung gestellt werden, anhand derer ich unternehmerische Entscheidungen treffen kann. Das Einsetzen einer Agentur-Software ist also noch lange kein Controlling."
Gerade weil Agenturen zumeist auf das höchst schwankungsanfällige Projektgeschäft angewiesen sind, hält Martin Wider Forecasts für wichtig. Agenturen sollten seiner Empfehlung nach immer ein Best- und ein Worst-Case-Szenario entwerfen und je nach Geschäftsverlauf ein Konzept in der Schublade haben.
Die Hamburger rufen 14-täglich die Prognosen für das Quartal, das Halbjahr und das Gesamtjahr ab. Ohne knallhartes Kostenbewusstsein wird keiner überleben, früher nicht und heute schon gar nicht", ist der Agenturchef überzeugt.
DetterbeckWiderJuric leistet sich den externen Controlling-Fachmann Jost Syring, Geschäftsführer der auf Agenturen und Verlage spezialisierten Unternehmensberatung A & M. Syring stellt fest: "Die Einsicht in die Notwendigkeit, sich um die kaufmännischen Belange einer Agentur zu kümmern, ist gewachsen." Zugleich steige die Bereitschaft, harte Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen - und das in einer "hohen Umsetzungsgeschwindigkeit".
Nun kann und will sich nicht jeder einen professionellen Agenturberater leisten - so betreiben neu gegründete Agenturen das Controlling meist im eigenen Hause. Dazu gehört Disziplin, wie Dr. Mirko Koschyk von der 2002 gegründeten Hamburger Agentur Communicators feststellen musste. Einen Tag in der Woche sollte man für das Controlling schon einplanen, so Koschyk. Auch er ist überzeugt: "Der Erfolg einer Agentur hängt maßgeblich vom Controlling ab."
Letztlich gilt für alle Agenturen: Die fundierte, permanente und aussagefähige Kontrolle der Wirtschaftlichkeit ist überlebenswichtig. Es gilt, so Wider, sich eine kaufmännische Binsenweisheit auf die Fahnen zu schreiben: "Der Gewinn liegt in der Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben! Und daran sollte man sich halten." vh
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