23.10.2001 - Eine vollständige Liberalisierung der EU-Postmärkte ist unter Vorbehalt für das Jahr 2009 vorgesehen.
"Während die südeuropäischen Mitgliedstaaten die Postdienste weiterhin unter staatlicher Obhut sehen wollen, vertreten die mittel- und nordeuropäischen Staaten die Auffassung, dass ein wettbewerbsorientiertes Umfeld machbar und auch notwendig ist", so Gerold Reichle, Referatsleiter für deutsche und europäische Postpolitik und Postwirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium.
Weil sich der EU-Ministerrat im Tauziehen um die Liberalisierung nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen konnte - dazu bedarf es 62 von 87 Stimmen -, war man zu einem Kompromiss gezwungen, einem Stufenplan, der eine vollständige Liberalisierung der EU-Postmärkte unter Vorbehalt für das Jahr 2009 vorsieht.
Eine europäische Deregulierung wie in der Telekommunikation - wie es Rainer Funke, postpolitischer Sprecher der FDP, vorschlägt - sei nicht auf die Liberalisierung des Postmarktes anwendbar, sagt Reichle. In der Telekommunikation würden mehr Stellen aufgebaut als abgebaut, "deshalb wusste man bei der Öffnung der Telekommunikationsmärkte, dass seitens der Gewerkschaften kein großer Druck zu erwarten ist", so der Referatsleiter, "das ist im Postsektor anders". Zudem sei beispielsweise in Großbritannien die Deregulierungs-Euphorie aufgrund bisheriger Erfahrungen einer Reserviertheit gewichen.
Für die Liberalisierungsbestrebungen der Bundesrepublik zählt das Argument des europäischen "Gleichklangs", der Marktverzerrungen vorbeugen soll. "Wir ziehen die anderen Länder mit", so Reichle, "wollen aber keinen deutschen Sonderweg, sondern dass der Zug gleichförmig rollt."
Gegen Verfassungsklagen von nicht zum Zuge gekommenen alternativen Postdienstleistern fühle man sich gewappnet. Reichle: "In der gegenwärtigen Situation stehen wir verfassungsrechtlich auf sicherem Boden."
Die Exklusivlizenz der Deutschen Post bleibt hierzulande bis 2007 bestehen, so viel ist klar. Nicht klar ist, wie sich eine weitere Terminverschiebung auf das Geschäft der alternativen Postdienstleister auswirken würde. Der Termin für den vollständigen Fall der Postmonopole, sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene, steht weiterhin in den Sternen. Ob in Europa im Jahr 2009 die vollständige Deregulierung der Postmärkte erreicht sein wird oder ob "andere Schritte" erwogen werden, ist fraglich. ks
Liberalisierungsplan
des EU-Ministerrats: ab 2003: grenzüberschreitende Post- sendungen und Briefsendungen über 100 Gramm
ab 2006: Briefsendungen über 50 Gramm
2009: vollständig geöffnete Postmärkte?
Wie sich die vollständige Verwirklichung des Binnenmarktes für Postdienste auf die Universaldienste der einzelnen Mitgliedstaaten auswirkt, soll mit einer für 2006 geplanten Studie geprüft werden. Das Ergebnis wird die Entscheidung der Kommission beeinflussen, ob die Postmärkte bis 2009 vollständig dereguliert sein sollen. Diesem Stufenplan muss das Europäische Parlament in zweiter Lesung zustimmen.
Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de