Recht

Regionale TV-Werbung: Ein zu kurzes Abenteuer?

24.06.2015 - Regionale TV-Werbung in nationalen Programmen soll ab dem nächsten Jahr wieder verboten werden. Prosieben-Sat1 will aber vor Gericht weiter dafür kämpfen. Wir haben die Landesregierungen und die Vermarkter nach ihren Argumenten befragt.

Die Regierung des Freistaats Bayern hat in Bezug auf ihr Veto zum Verbot von regionaler TV-Werbung in nationalen Programmen einen Rückzieher gemacht. Das hat die werbetreibenden Unternehmen irritiert beziehungsweise enttäuscht. Die 15 anderen Bundesländer sowie die Verbünde von Regionalmedien wie Hörfunk und lokalen Tageszeitungen fühlen sich hingegen in ihrer Argumentation bestätigt und haben erleichtert reagiert. Nicht zuletzt spielte in den Argumentationen der Bundesländer auch die potenziell niedrige Finanzkraft der lokalen Medien eine Rolle.

Es war zunächst das Bundesverwaltungsgericht, das Ende vergangenen Jahres den Weg für die regionale Aussteuerung von TV-Kampagnen im linearen TV geebnet hatte. Daraufhin haben die privaten Sendergruppen Prosieben-Sat1 sowie RTL damit begonnen, Werbekunden für neue Lokalformate zu akquirieren. Vor allem Prosieben-Sat1 macht sich für das neue Angebot stark und präsentierte dafür unter anderem Opel als Kunden. Via Geotargeting wurden deutschlandweit alle für Opel relevanten Städte und Ballungsräume angesteuert, so der Prosieben-Sat1-Vermarkter Sevenone. Mit Hilfe einer Red-Button-Microsite sei eine automatische Auflistung der Händler für die jeweiligen Regionen erstellt worden. Den einzelnen Händlern sei jeweils ein QR-Code zugewiesen, der Konsumenten direkt auf die lokale Händlerwebsite weiterleitet. Auch RTL präsentierte mit der Marke "Kleiner Feigling" einen ersten Kunden, der verstärkt zur Karnevalsaison werben wollte.

Die Ministerpräsidentenkonferenz im Frühjahr hat die TV-Gruppen in ihrem Bestreben gestärkt, denn: Der Freistaat Bayern legte ein Veto gegen ein Verbot von regionaler Werbung durch bundesweit sendende TV-Unternehmen ein. Das hat für einen Aufschrei bei den Zeitungsverlegern gesorgt, die um Werbeeinnahmen von lokalen Firmen bangen. Dazu haben sich die werbetreibenden Unternehmen positiv geäußert. Die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) begrüßte entsprechend die Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz, regionale TV-Werbung auf nationalen privaten Fernsehsendern nicht zu verbieten. "Dies ist ganz im Sinne der werbungtreibenden Unternehmen", sagte Joachim Schütz, Geschäftsführer der OWM. "Unsere Mitglieder wollen selbst entscheiden können, welche Kanäle für ihre Werbestrategie am besten geeignet sind." Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hatte sich schockiert über das Veto Bayerns gezeigt. Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff sagte: "Was nicht heute geregelt wird, kommt zu spät. Damit legt die Politik einmal mehr völlig unnötigerweise die Axt an die wirtschaftlichen Grundlagen der Verlage."

Bayerns Rückzieher

Doch Bayern hat einen Rückzieher gemacht und revidierte nun im Juni das Veto. Das Verbot der neuen Werbeformate wird offenbar kommen, und zwar ab dem 1. Januar 2016. Bayern folgte damit der Argumentation der anderen Länder. Die Argumentation aus Nordrhein-Westfalen lautet zum Beispiel wie folgt: "Lokale, regionale und landesweite Rundfunkprogramme leisten einen Beitrag zur Vielfalt und Meinungsbildung in Nordrhein-Westfalen. Anders als bundesweit lizenzierte Programme, deren Verbreitung von vornherein großräumiger angelegt ist und die sich damit potenziell an einen größeren Zuschauerkreis richten, sind Rundfunkprogramme, deren Sendegebiet lokal, regional oder landesweit begrenzt ist, diesem Adressatenkreis verpflichtet. Im Gesetz ist die inhaltliche Bezugnahme des Programms auf das Sendegebiet als Zulassungskriterium definiert. Durch das Aufgreifen sendegebietsbezogener Themen soll die Vielfalt in lokalen, regionalen, landesweiten Räumen unterstützt und abgesichert werden. Insbesondere sollen lokale, regionale oder landesweite Werbemärkte als potenzielle Einnahmequelle denen dienen, die einen Beitrag zur Vielfalt in diesem Raum leisten." Also sollen die Werbegelder von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die hauptsächlich in ihrer eigenen Region werben, bevorzugt an die Unternehmen gehen, die auch zur Meinungsvielfalt vor Ort beitragen. Das sei bei nationalen TV-Programmen nicht der Fall.

Offenbar spielt auch der wirtschaftliche Aspekt beziehungsweise die finanzielle Sicherheit lokaler Medien für die Landesregierungen eine Rolle. "Die wirtschaftliche Situation der bundesweit zugelassen privaten Rundfunkveranstalter ist zudem - ganz im Gegensatz zu dem privaten Lokal- und Regionalfunk - ausgesprochen gut, sodass diese auf Einnahmen aus regionaler Werbung keinesfalls angewiesen sind", sagte Arne Braun, stellvertretender Sprecher der Landesregierung Baden-Württemberg, gegenüber ONEtoONE (drei exemplarische ausführliche Statements von Hamburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen finden Sie auf Seite 2, s.u.).

OWM erhoffte sich "mehr Rückgrat"

"Wir hätten uns in dieser Sache von der bayerischen Staatskanzlei mehr Rückgrat erwartet. Insbesondere für mittelständische und regional aktive Unternehmen hat ein Verbot regionalisierter Werbung im privaten Fernsehen fatale Auswirkungen und führt dazu, dass sie bestimmte Kundengruppen nicht mehr erreichen können", sagte OWM-Geschäftsführer Joachim Schütz. Aber auch für internationale Konzerne, wie es das Beispiel Opel zeigt, seien die regionalen Werbemöglichkeiten attraktiv. Ein Verbot regionalisierter Werbung im TV schränkt in den Augen der OWM auch die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Kommunikation und damit der Werbung ein.

Prosieben-Sat1 will vor Gericht

Die Sendergruppe Prosieben-Sat1 hat offenbar bereits viel Mühe in die neuen Werbeformate investiert und will nicht so schnell aufgeben. Marcus Prosch, Leiter Konzernkommunikation Diversifikation & Sales, sagte gegenüber dieser Zeitschrift: "Ja, wir machen weiter mit regionaler TV-Werbung, und wir würden dies auch gern nach dem 1. Januar 2016 anbieten. Wir glauben fest, dass es die Nachfrage gibt." Der Konzern will gegen ein Verbot im Rundfunkstaatsvertrag gerichtlich vorgehen. RTL hatte insgesamt leisere Töne angeschlagen als Prosieben-Sat1. Aber auch Matthias Dang von Vermartker IP Deutschland äußerte sich zum Thema: "In Zeiten der Konvergenz Werbeverbote zu erlassen statt für Chancengleichheit zwischen deutschen Fernsehunternehmen und internationalen Onlinekonzernen zu sorgen, ist - ich sage es gern nochmal - wie den Ball auf den Elfmeterpunkt zu legen und dann auszurutschen." (db)

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