02.06.2015 - Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) investiert 30 Millionen Euro in eine Smart-Data-Initiative. Die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries will im Interview mit ONEtoONE auch den Mittelstand ermuntern, sich zu engagieren.
Im vergangenen Monat hat Brigitte Zypries, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, die Konferenz "Smart Data - Deutschland und Europa auf dem Weg zu einer digitalen Datenökonomie" eröffnet. Sie sprach von einem "enormen wirtschaftlichen Potenzial", das Big-Data-Technologien für Deutschland und Europa bergen würden. Mit dem Technologieprogramm "Smart Data - Innovationen aus Daten" investiert das BMWi bis 2018 rund 30 Millionen Euro in insgesamt 13 "Leuchtturmprojekte", die den zukünftigen Markt von Big-Data-Technologien für die deutsche Wirtschaft erschließen sollen.
[f1]Davon sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen profitieren, da die digitale Entwicklung an einem Teil dieser Firmen bislang vorbeigehe, sagt Brigitte Zypries im Interview. Weniger als ein Viertel der Unternehmen schätzen den Grad ihrer Digitalisierung laut Zypries als hoch ein. Das betrifft offenbar vor allem auch den stationären Einzelhandel, der durch demografischen Wandel und Digitalisierung vor "tiefgreifenden Veränderungen" stehe. Daher hat das Bundesministerium die neue "Dialogplattform Einzelhandel" (siehe auch hier) installiert, die aus fünf Workshop-Reihen besteht.
[b]ONEtoONE: Das BMWi will Smart-Data-Technologien fördern. Warum bedarf es einer Förderung?
Brigitte Zypries:[/b] Die rasant wachsenden Datenmengen bieten für die Wirtschaft vielfältige Chancen - zur Verbesserung der Kundenbeziehungen und für neue Services und Geschäftsmodelle. Der richtige Umgang mit diesen Daten stellt Wirtschaft und Gesellschaft allerdings auch vor große Herausforderungen. Mit dem Smart-Data-Programm wollen wir den zukünftigen Markt für Smart-Data-Technologien am Standort Deutschland erschließen. Der weltweite Umsatz mit Big-Data-Lösungen wird bis 2017 auf 50 Milliarden Euro geschätzt. Unsere Arbeit setzt einerseits dort an, wo die deutsche Wirtschaft traditionell Stärken hat, wie im Bereich Industrie oder Mobilität. Andererseits liegt ein Fokus auf den Themen, bei denen die Politik die entscheidenden Rahmenbedingungen für einen sicheren und rechtskonformen Einsatz von Big Data setzen sollte, wie in den Bereichen Gesundheit oder Energie.
[b]Es sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) profitieren. Warum?[/b]An einem Teil der kleinen und mittleren Unternehmen geht die digitale Entwicklung bisher weitgehend vorbei. So schätzen nur 24 Prozent der KMU den Grad ihrer Digitalisierung als hoch oder sehr hoch ein. Um hier gegenzusteuern, entwickeln Forschung und KMU in unseren Programmen rasch umsetzbare Lösungen für Big-Data-Anwendungen, die KMU-Zugang zu diesem bedeutenden Zukunftsmarkt erleichtern. So wollen wir mit konkreten Praxisbeispielen vorangehen und KMU Mut machen, sich in diesem Kernbereich der Digitalisierung zu engagieren.
[b]Vor einigen Jahren wurde mit "Theseus" in ähnliche, zumindest ähnlich erscheinende, Projekte investiert. Wo verläuft die Abgrenzung, warum wurde dies beendet?[/b]Das Leuchtturmvorhaben "Theseus" wurde nach einer Laufzeit von fünf Jahren 2012 planmäßig beendet. Es wurden dort prototypische Lösungen für den Zugang zu Wissen und die automatisierte Verarbeitung von Diensten und Informationen im Web erarbeitet. Die dort erzielten Ergebnisse bilden eine wichtige Grundlage für die Big-Data-Anwendungen im Rahmen des Smart-Data-Programms. Das Smart Data-Programm entwickelt diese Ergebnisse für die Kernfelder Industrie, Energie, Mobilität und Gesundheit weiter.
[b]Nach 200 Millionen Euro für Theseus investieren Sie jetzt 30 Millionen Euro in "Smart Data - Innovationen aus Daten". Ist das nicht viel zu wenig, um wirklich etwas zu bewegen?[/b]Neben den 30 Millionen Euro, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beisteuert, bringen die am Programm beteiligten Unternehmen und Organisationen weitere 25 Millionen Euro auf. Damit verfügt das Programm über ein Volumen von etwa 55 Millionen Euro, die in Smart-Data-Lösungen für die Kernfelder Industrie, Energie, Mobilität und Gesundheit investiert werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit gerade auch den Mittelstand ermuntern können, sich in diesem Feld mehr zu engagieren. Dies gilt umso mehr, weil das Smart-Data-Programm sich in eine Reihe von Initiativen des Bundeswirtschaftsministeriums zur Sensibilisierung von KMU für die Chancen der Digitalisierung einreiht. Bis zum 27. Mai lief beispielsweise eine Ausschreibung für ein "Forum Smart Data", welche Big-Data-Anwendungen mit Praxisbeispielen und Roadshows dem Mittelstand näherbringen soll. Mit unseren Programmen machen wir auf die Bedeutung des Themas aufmerksam und sensibilisieren gerade auch KMU für mögliche Anwendungen. Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu investieren ist und bleibt aber Sache der Unternehmen.
[b]Ihr Ministerium spricht von den Chancen und Möglichkeiten von Big Data und dem Internet der Dinge. Kritiker befürchten vermehrte Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger. Fürchten Sie auch darum?[/b]Ziel des Förderprogramms ist es, den zukünftigen Markt für Smart-Data-Technologien am Standort Deutschland zu erschließen. Von diesen Technologien sollen aufgrund der einfachen Handhabbarkeit - insbesondere bei Datensicherheit und Datenqualität - vor allem KMU profitieren. Dabei widmen wir uns dem Thema "Big Data" mit Verantwortung, Umsicht und mit Blick auf die Chancen. Alle für "Smart Data" ausgewählten Projekte wurden bereits im Vorfeld auf ihre juristische Eignung geprüft. Auch die zum Programm eingerichtete Begleitforschung wird sich des Themas "Recht", hier vor allem Datenschutz und Urheberrecht, annehmen. Ich bin zuversichtlich, dass genau wie im Vorgängerprogramm "Trusted Cloud" gute und praktikable Lösungen entstehen werden, die auf die hohen Datenschutzerwartungen und das hohe, rechtliche Niveau in Deutschland ausgerichtet sind. Dies böte Unternehmen und Nutzern Alternativen zu Anwendungen, die beispielsweise im US-amerikanischen Raum mit Blick auf dortige Datenschutzstandards entwickelt wurden.
[b]Wie bewerten Sie persönlich den Fortschritt der Digitalisierung in Deutschland, und was erhoffen Sie sich noch von den Unternehmen und Ihrer Regierung?[/b]Die Entwicklung im Bereich Digitalisierung verläuft insgesamt positiv. Mit einem Wertschöpfungsanteil von 4,7 Prozent liegt die Informations- und Kommunikationsbranche inzwischen gleichauf mit dem Automobilbau und sogar noch vor dem Maschinenbau. Knapp 40 Prozent der deutschen Industrieunternehmen haben seit Anfang 2013 IKT-basierte Innovationen eingeführt. Allerdings gibt es noch einiges zu tun. Wir wollen beispielsweise bei der Digitalisierung Wachstumsland Nr. eins in Europa werden. Daher dürfen wir mit den Anstrengungen in der Wirtschaft nicht nachlassen. Wichtig ist, dass in der gesamten Wirtschaft das Thema ankommt, in allen Unternehmensgrößen und -branchen. Daran arbeiten wir.
[b]Das BMWi hat kürzlich die "Dialogplattform Einzelhandel" gestartet, um Wirtschaft, Kommunen, Wissenschaft und Gewerkschaft zusammenzubringen. Was verspricht sich das Ministerium davon?[/b]Demografischer Wandel, Digitalisierung und geändertes Verbraucherverhalten sorgen für tiefgreifende Veränderungen im Einzelhandel. Dies bleibt nicht ohne sichtbare Auswirkungen auf unsere Städte und Gemeinden sowie die Versorgung der Menschen in ländlichen Regionen. Durch die Dialogplattform Einzelhandel werden die wesentlichen Themen des Strukturwandels im Einzelhandel systematisch und gemeinsam mit möglichst vielen Interessengruppen bearbeitet, also zum Beispiel den Handelsunternehmen und ihren Verbänden, Dienstleistern, Wissenschaft, Gewerkschaft, Ländern, Kommunen und Kammern. Unser Ziel ist es, in diesem Kreis Lösungsansätze, Handlungsempfehlungen und Schlüsselstrategien zu erarbeiten.
[b]Gehen Sie tatsächlich von einer "Verödung" der Innenstädte aus, wie es im Ministerium heißt, wenn die Politik keine Hilfestellung leistet?[/b]Der Einfluss des Online-Handels auf die Städte ist schon heute messbar. Die Verbraucher fahren nach eigener Auskunft weniger häufig in die Innenstädte oder in die Versorgungszentren am Rande der Stadt. Und nur noch jeder dritte Bewohner ländlicher Regionen in Deutschland kann einen Supermarkt in fußläufiger Entfernung bis zu einem Kilometer erreichen. Dadurch ist oftmals eine große Verunsicherung bei den stationären Händlern entstanden. Daher ist es richtig, wenn die Politik sich mit den Betroffenen zusammensetzt, um Perspektiven aufzuzeigen, die einer Abwärtsspirale entgegenwirken.
[k]Das Interview führte Daniel Borchers[/k]
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