15.12.2014 - Günther Oettinger ist seit dem 1. November der neue EU-Kommissar für's Digitale - für viele eine überraschende Wahl. Oettinger soll eines der erklärten Lieblingsprojekte von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker voranbringen: die Digitale Agenda der EU. Doch wie ist es um die IT-Kenntnisse des ehemaligen Energie-Kommissars bestellt? Ist er der richtige Mann für den Job?
"This is a digital age" schreibt Günther Oettinger als Einleitung in seinem Blog. Doch wie findet sich der neue EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft darin zurecht? Seit dem 1. November ist die Juncker-Kommission nun im Amt. Das Mediengelächter hierzulande war groß, als Oettingers neuer Posten bekannt wurde, hatte der doch in der Vergangenheit eher nicht mit IT-Kenntnissen geglänzt.
Einen ersten Aufreger produzierte der ehemalige Ministerpräsident Baden-Württembergs, als Nacktfotos von Prominenten nach einem Hack-Angriff auf Cloud-Dienste öffentlich wurden. Oettinger bezeichnete die Betroffenen als blöd und erklärte: "Vor Dummheit kann man die Menschen nur eingeschränkt beschützen." Viele reagierten empört auf die Worte des designierten Kommissars. "Wer so daherredet, beweist nur, wie wenig die angestrebte digitale Revolution in Europa mit ihm zu machen ist", sagte etwa Grünen-Web-Experte Jan-Philipp Albrecht.
Doch hier kann sich Oettinger an seinen Chef Jean-Claude Juncker halten: "Man muss kein Techie sein, um an Technologie zu glauben", hatte der während des Wahlkampfes auf seiner Homepage stehen. Juncker erwartet viel von Oettinger, der das erklärte Lieblingsprojekt des Präsidenten, die Digitale Agenda, voranbringen soll. Juncker erhofft sich bis zu 250 Milliarden Euro an Wachstum, hunderttausende neue Arbeitsplätze und eine lebhafte Wissensgesellschaft. Dafür sei es wichtig, die Verhandlungen über die EU-Datenschutzverordnung schnell voranzubringen, das Urheberrecht den neuen Technologien anzupassen, eine Reform der Telekommunikationsregularien zu beschließen, die Verbraucherrechte bezüglich Online-Shopping zu vereinfachen, innovative Gründungen zu erleichtern, die digitale Infrastruktur zu verbessern und digitale Fähigkeiten der Bürger zu fördern. Ein volles Programm für den 61-jährigen Oettinger.
Oettinger selbst hingegen ist überzeugt, dass er durch seine Erfahrungen im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg und seine Tätigkeit als Energiekommissar bestens für die Aufgaben gesattelt ist. Er habe während seiner politischen Karriere häufig gesehen, welche Rolle die Digitalisierung in der Wirtschaft spielt. "Ich bin überzeugt, dass wir nur Erfolg haben werden, wenn wir nationale Silos aufbrechen und einen wirklichen europäischen Markt schaffen", proklamiert er.
Einen ersten Vorstoß in puncto Urheberrecht hat er schon gewagt. Bekannt ist, dass Oettinger kein Freund von Google ist. Auch als Digitalkommissar sei er daran beteiligt, "die Marktmacht von Google zu begrenzen". Eine Reform des EU-Urheberrechts und eine Anpassung an die Voraussetzungen durch die Digitalisierung ist überfällig, wurde das aktuell geltende Gesetz doch Ende der 90er Jahre verhandelt. Doch Oettingers Vorschlag besteht darin, eine ans Leistungsschutzrecht anmutende Abgabe von Google an die Verlage zu fordern, um "intellektuelle Werte aus der EU" vor dem Riesen aus Mountain View zu schützen. Bereits der riesige Springer-Konzern mit Wortführer Matthias Döpfner hat sich daran bekanntlich die Zähne ausgebissen.
Ein weiterer Plan Oettingers ist es, den Breitbandausbau voranzutreiben. Vier von fünf Haushalten in der EU hätten keinen Zugang zu schnellem Internet, was aber entscheidend für Wohlstand, Wirtschaft und Arbeitsmarkt sei. So will Oettinger ab 2020 jeden EU-Bürger mit Geschwindigkeiten von mindestens 30 Mbit/s ausstatten. Einzig die Finanzierung ist noch nicht so recht geklärt. Hierfür müssen Telekommunikationsanbieter und die EU zusammenlegen, so Oettinger. Außerdem sei es eine Überlegung, ob man Investments in den Breitbandausbau ländlicher Gegenden nicht dadurch attraktiver macht, dass die Telekommunikationsgesellschaften bestimmte Benefits erhalten, denn "wäre es in einem Dorf nicht besser, eine Breitbandoption mit einer langen Vertragsbindung zu haben als gar kein Breitband?"
Trotz anfänglichem Gelächter hat sich Oettinger als Energiekommissar Respekt erarbeitet. Ob ihm das auch in seiner neuen Funktion als Digitalkommissar gelingt, bleibt abzuwarten. Immerhin: Gegenüber der "Passauer Neuen Presse" bekräftigte er, jeden Tag online zu sein. Seit einigen Wochen twittert er außerdem emsig. Eine neue Homepage hat der frisch gebackene Digitalkommissar allerdings noch nicht. (ks)
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