06.03.2012 - Gastautor Ian Lowe (CEO von Facilitate Digital) hat sich mit der Zukunft der Mediaagenturen auseinandergesetzt. Mit zunehmender technischer und prozessualer Komplexität von Mediabuchungen, Mediahandel, Kampagnenmanagement und Reporting im digitalen Marketingbusiness stehen diese vor neuen Herausforderungen. Lowe zeigt in seinem Beitrag die Schwierigkeiten, aber auch Chancen für die Mediaagenturen auf.
Wie ernst die Lage ist, zeigen die heftigen Diskussionen über die zukünftige Ausrichtung des Mediaagentur-Geschäftsmodells. Als mit Hilfe der digitalen Medien endlich die lang versprochene Echtzeit-Bewertung und Akquise von Werbeflächen und Zielgruppen - Realtime Bidding über Börsen für auktionierbares Werbeflächeninventar - möglich wurde, folgte sofort der Aufschrei über den Verlust der Vermittlungsposition der Agenturen.
Die digitalen Medien treiben den Wandel auf allen Ebenen der Branche an und werden zwangsläufig auch weiterhin neue Fragen aufwerfen - zur Rolle der Agenturen, zu deren letztlichem Wert und dazu, wie dieser quantifiziert werden kann, um eine angemessene Entlohnung der Agenturen zu ermitteln. Auf fünf Kontinenten und in mehr als zwanzig Ländern verfolgt Facilitate Digital die Diskussion und stellt Folgendes fest: Erstens, digitale Medien sind und bleiben der treibende Faktor hinter der Debatte. Zweitens, die Debatte als solche und ihre Tiefe ist weitgehend auf die Agenturen selbst zurückzuführen.
Die heutigen Mediaagenturen sind mit einer nie dagewesenen Aufgabenkomplexität konfrontiert, wobei die komplexesten Medien die digitalen sind. In der digitalen Welt gilt es, Kombinationen aus beinahe grenzenlosen Möglichkeiten zu verstehen und Beurteilungen zu treffen, in die Medienverkäufer, Zielgruppensegmente, Beschaffungsmodelle, Anzeigenformate, Targeting-Fähigkeiten, Technologien usw. einbezogen werden müssen. Hinzu kommt, dass viele dieser Kriterien voneinander abhängen. Dann muss die Kampagne aufgesetzt werden (Trafficking). Das erzeugt wiederum noch mehr Komplexität, weil das Trafficking per Definition eine Zusammenarbeit zwischen der Mediaagentur, der Kreativagentur, dem Publisher und dem Werbekunden erfordert, und der Ablauf dieser weitgehend undankbaren Arbeit ist fließbandartig und hochgradig wiederholend.
All diese Komplexität fällt an, noch bevor überhaupt die erste Botschaft veröffentlicht wird, gefolgt von weiteren Komplexitätsebenen in den Bereichen Reporting, Datenmodellierung, Optimierung, Re-Trafficking und Datenmanagement. Und natürlich fallen die Daten in Echtzeit an, so dass auch die diesbezüglichen Fähigkeiten der Agentur sichergestellt sein müssen. Die Auswirkungen dieser Prozesskomplexität sind aus geschäftlicher Sicht fast ausschließlich negativ. Oder, wie Yoda es ausdrücken würde: "Komplexität führt zu Kosten, Kosten führen zu Gewinnreduzierung, reduzierter Gewinn führt zu unsäglichem Leid."
Wie sieht es also mit dem Vermittler-Geschäftsmodell aus? Ist es in der heutigen Medienlandschaft noch relevant, und wie zukunftsfähig ist es? Um die Antwort einzugrenzen, lassen Sie uns zunächst festhalten, dass Medienagenturen durch die folgenden Aspekte Werte schaffen und liefern: Erstens ist da die Expertise und Strategiekenntnis, erarbeitet durch Datenanalysen und oft über Jahre aggregiertes Wissen. Zweitens ist da die Investitionskraft von Mediaagenturen zu nennen, die sich aus Ihrer Verhandlungsposition und ihrem Händlergeschick ergeben. Drittens setzen Mediaagenturen Werkzeuge und zweckoptimierte Technologien und Methoden ein, um die Effizienz der Kampagnen zu erhöhen. In welchem Maße das bisher geschieht muss weiter hinterfragt werden. Schlussendlich verfügen Mediaagenturen viertens über ein ganzes Set an Best Practices und können Prozesse basierend auf langjähriger Erfahrung optimieren. Betrachten wir die digitale Situation vor dem Hintergrund dieser Wertfaktoren wird deutlich, dass die Summe von Teilfaktoren sich nicht immer zu einem strukturierten Ganzen fügt.
Erkenntnisse und Strategie - diese beziehen sich auf Daten, und mit den digitalen Medien kommen Daten in rauen Mengen. Hier gibt es also genügend Munition für die Medienagentur, Innovationen zu begründen. Die Investitionskraft von Mediaagenturen - hier ist vielleicht eher Finesse als "Kraft" gefragt, aber angesichts der Vielzahl verfügbarer Beschaffungsmethoden war die Gelegenheit, sein Kaufgeschick unter Beweis zu stellen, niemals besser. Werkzeuge und Prozesse - Werkzeuge gibt es jede Menge. Jedes wird für einen anderen Teil des Kampagnenprozesses eingesetzt, und einige wurden von den Agenturen selbst entwickelt. Inwieweit tatsächlich eine Prozessoptimierung erreicht wird, bleibt auch hier zu erörtern. Best Practice - als Branche beginnen die Medienagenturen, gesammeltes Wissen in Form von Methodiken und Daten auf koordinierte Weise innerhalb ihrer Organisationen einzusetzen. Dennoch ist die Kluft zwischen dem, was wahrscheinlich ist, der Minimalstandard, der angesichts der Komplexitätshürden erreichbar ist, und dem, was möglich ist, die Wertschöpfungschance, nie tiefer gewesen - und die Belohnung für das Schließen dieser Kluft nie größer. Einfach ausgedrückt stellt das Schließen der Kluft zwischen dem, was wahrscheinlich ist, und dem, was möglich ist, die einzigartige und größte Wachstumschance für Mediaagenturen dar.
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