03.02.2012 - Die Business-to-Business-Kommunikation befindet sich im Wandel und nähert sich hinsichtlich ihrer Werbestrategien immer mehr dem Business-to-Consumer-Marketing an. ONEtoONE hat sich bei Agenturen aus der B-to-B-Branche umgehört, wie sie mit den Herausforderungen umgehen.
Das Bewusstsein für Markenkommunikation in Deutschland wächst, sagt Frank Merkel, Vorstand der Wob AG und Vizepräsident des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen (GWA). "Seit rund fünf bis sieben Jahren beobachten wir, dass auch bei Unternehmen im Business-to-Business-Bereich (B-to-B) gute Marketingkommunikation, und hier insbesondere das Thema Marke, mehr und mehr in den Fokus rückt", sagt er. B-to-B-Unternehmen würden in zunehmendem Maße deren Bedeutung als Werttreiber erkennen. "Sie realisieren, dass eine starke Marke und eine gute Markenkommunikation heute essentiell sind, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Und dass sie durch passende Dialogmaßnahmen, die darüber hinaus in allen Kanälen stattfinden, den Vertrieb unterstützen können."
Laut Jörg Dambacher, Geschäftsführer der Agentur RTS Rieger Team, hat sich die B-to-B-Kommunikation hingegen weit weniger stark gewandelt. "Aus meiner Sicht hat sich die Mentalität der Unternehmen bis heute wenig verändert. Marketing wird im B-to-B-Bereich viel zu oft immer noch nur als Kostenfaktor betrachtet." Das bedeutet, dass Unternehmen nur dann werben, wenn sie nicht anders könnten, so Dambacher. Eine stärkere Nachfrage beim Thema Marke spüre die Agentur derzeit aber trotzdem.
Noch viel radikaler sieht es Holger Kalvelage, General Manager von Gyro Germany. "B-to-B ist tot! Kaputt! Viele wollen diese Tatsache immer noch nicht wahrhaben, aber wirklich: Es ist vorbei!", sagt er. Die neue Arena für Business-Kommunikation sei heute wesentlich größer als nur der Arbeitsplatz. Und die Vernetzung des modernen Lebens kennt laut Kalvelage keine Grenzen zwischen Arbeit und Zuhause. Alles werde Teil eines so genannten Work-Life-Kontinuums. "Der Kunde ist nicht länger die Unternehmenseinheit, er ist ein unabhängiges denkendes, stark vernetztes, emotionales menschliches Wesen."
"B-to-B-Entscheider bekennen sich aber nicht offen dazu, dass sie sich bei ihren Entscheidungen auch durch Emotionen leiten lassen", ist Dambacher von RTS Rieger Team überzeugt. Probleme sieht er außerdem bei der Profilbildung von Marken. "Da herrscht aus meiner Sicht bei vielen auch heute noch Nachholbedarf."
Nach Einschätzung von Wob-Vorstand Merkel hat die B-to-B-Werbung mittlerweile aber eine weitaus höhere Professionalisierung erreicht als noch vor ein paar Jahren. Dabei nähere sie sich immer mehr den qualitativen Standards der B-to-C-Kommunikation an. "Es muss deshalb stets ein klares, zentrales Nutzenversprechen in den Maßnahmen herausgearbeitet werden", sagt er. Im Prinzip würden dabei auch die gleichen Regeln gelten wie im B-to-C-Bereich. Allerdings müsse mit dem Begriff der Emotionalisierung in diesem Kontext anders umgegangen werden. "Im B-to-B-Bereich ist die wichtigste Emotion, die es zu wecken gilt, Vertrauen."
Roland Zöbelein, Managing Director von Publicis Pro, kritisiert hingegen, dass der Begriff "Emotionalisierung" das wohl am häufigsten gebrauchte Wort der vergangenen zwei Jahre gewesen sei. "Auch Sicherheit und Vertrauen werden oft einfach als Oberbegriffe verwendet, ohne darauf zu achten, für wen aus der Zielgruppe diese eigentlich was genau bedeuten." Wie Entscheider Informationen im B-to-B-Bereich einholen, habe sich, so Zöbelein, seit 2008 nicht sonderlich verändert. "An erster Stelle stehen da die persönlichen Kontakte, gefolgt von Messen an zweiter und Online- sowie Social-Media-Maßnahmen an dritter Stelle." Der Kostendruck von Seiten der Unternehmen bewirke zudem, dass Agenturen heute weniger Maßnahmen für ein adäquates Budget erstellen könnten. "Es geht immer darum, den richtigen Content zu generieren. Das heißt aber auch, dass man Botschaften nicht immer über 360-Grad verbreiten muss." Eine Broschüre zu erstellen könne manchmal relevanter sein, als sofort Web-Maßnahmen umzusetzen.
Für Kalvelage von Gyro Germany gibt es wiederum nur ein klares Stichwort, das beschreibt, wie Kommunikation konzipiert sein muss, um Business-Entscheider in diesen Tagen als Menschen zu erreichen. Es lautet emotionale Relevanz. "Welche Form diese Emotionalität annimmt, ist dabei nicht entscheidend. Storytelling, surprise - die vielfältigen Formen und die zu verwendenden Medien können erst beantwortet werden, wenn eine emotional-relevante Idee gefunden ist, die alle Kommunikationsanstrengungen wie ein unsichtbares Band verbindet." Ohne diese Verbindung ist jede Kommunikationslösung laut Kalvelage auch und gerade im Business-Umfeld immer nur eine "nice to have"-Alternative, nie aber die angestrebte "must have"-Lösung.
Großes Potenzial im B-to-B-Bereich sieht Dambacher von RTS Rieger Team künftig für das Medium "Film". "Heute lassen sich Produktdemonstrationen, Bedienungsanleitungen und Verkaufsfilme leicht auf der eigenen Homepage unterbringen." Unternehmen sollten sich hier schnellstmöglich orientieren und sich Wissen verschaffen, so der Agenturchef.
Viele B-to-B-Unternehmen kann man laut Merkel von Wob heute noch als "hidden champions" bezeichnen. "Hinzu kommt, dass die wenigsten in Ballungszentren angesiedelt sind." Entsprechend groß sei deshalb künftig die Herausforderung, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und als Unternehmen daran zu arbeiten, sich selbst als Marke zu verstehen.
Weitere Potenziale erkennt Zöbelein von Publicis Pro im Bereich der Unternehmenskommunikation und hinsichtlich der Internationalisierung der B-to-B-Kommunikation.
"Authentische Konversation ist die Währung der Zukunft", sagt wiederum Kalvelage von Gyro Germany. Jede Marke sei entweder Teil dieses "flows", indem sie Einsichten, Perspektiven oder auch gegensätzliche Meinungen ermögliche. "Wer sich dieser Veränderung verschließen will, wird langfristig zum Schweigen verurteilt, zu einer Marke ohne relevante Stimme", ist Kalvelage überzeugt. "Wer heute noch glaubt, dass Kontrolle der Debatte, Diskussion und Meinungsbildung zentrales Ziel der Kommunikationsmaßnahmen ist, sollte schnell umdenken." Kontrolle sei Bestandteil einer rational bestimmten, linearen Welt der B-to-B Kommunikation von gestern gewesen. "Das Konzept des "first read" wird ersetzt durch die Bevorzugung des "most shared". (sl)
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