Online-Werbung

Targeting: Schickt die EU Deutschland einen blauen Brief?

Flaggen vor dem Sitz der Europäischen Kommission im Berlaymont-Gebäude in Brüssel, Belgien (Foto: Bilderdienst der Europäischen Kommission) (Bild: eu)
Flaggen vor dem Sitz der Europäischen Kommission im Berlaymont-Gebäude in Brüssel, Belgien (Foto: Bilderdienst der Europäischen Kommission)

30.01.2012 - Der digitalen Wirtschaft in Deutschland steht möglichweise eine datenschutzrechtliche Verordnung durch die EU bevor. Diese könnte die Möglichkeiten der Personalisierung von Online-Werbung erheblich einschränken. "Die Bundesregierung hat es bisher versäumt, die E-Privacy-Direktive der EU umzusetzen. Wir erwarten deswegen für Februar einen blauen Brief der EU-Kommission mit einer Verordnung, in der genau festgehalten ist, was zu tun ist", sagte Matthias Wahl, Geschäftsführer des Online-Vermarkters OMS und stellvertretender Vorsitzender des Online-Vermarkterkreises (OVK).

Sollte die Kommission die bisherige Regelung verschärfen, könnte dies für das so genannte Targeting verhängnisvoll sein, so Wahl. Auf europäischer Ebene versuchen Online-Branchenverbände weiterhin, mit verstärkter Selbstregulierung politischen Eingriffen zuvorzukommen. Die Artikel-29-Datenschutzgruppe, der Zusammenschluss der nationalen Datenschutzbeauftragten, hatte zuvor die bisherigen Maßnahmen als unzureichend bewertet. Unterdessen hat EU-Justizkommissarin Viviane Reding bereits öffentlich Überlegungen zu einer neuen EU-Datenschutzverordnung angestellt, die den Bürgern "die Verfügungsgewalt über ihre Daten im Internet zurückgeben" soll.

[f2]Die Frist zur Umsetzung der E-Privacy-Direktive der EU, die unter anderem die Bedingungen der Speicherung von Browser-Cookies festlegt, ist am 25. Mai des vergangenen Jahres abgelaufen. Wie wird die Richtlinie in der deutschen Umsetzung ausgelegt? Die Antwort auf diese Frage ist offenbar immer noch nicht entschieden. Im Juni 2011 legte der Bundesrat einen Entwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) vor. Im Juli gab die Bundesregierung bekannt, prüfen zu wollen, wie durch eine Regelung im TMG die E-Privacy-Richtlinie umgesetzt werden könne. Im Zuge der bereits im parlamentarischen Verfahren befindlichen Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) wollte die Regierung eigene Vorschläge unterbreiten.

Seitdem sind dazu keine Neuigkeiten mehr an die Öffentlichkeit gedrungen. Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem die "Cookie-Richtlinie" noch nicht umgesetzt ist. Elf der 27 Mitgliedsstaaten hingen dem Zeitplan hinterher, so Robert Madelin, leitender Mitarbeiter der verantwortlichen EU-Kommission im Januar.

[hl]Was sind personenbezogene Daten?[/hl]OMS-Geschäftsführer Matthias Wahl befürchtet nun, dass die EU Deutschland eine gesetzliche Auslegung der Richtlinie vordiktieren könne. Entscheidend werde dabei sein, was die EU als personenbezogene Daten definiert. "Gehört die IP-Adresse dazu? Und wie genau müssen Cookies bewertet werden?" Er hofft, dass die Lobbyisten die Politik von einer sinnvollen Trennung in puncto Personenbezug überzeugen können. Gelingt dies nicht, könnte das verhängisvoll für das "Online Behavioral Advertising" (OBA) sein, meint Wahl. Der Terminus OBA hat sich mittlerweile in der Branche für Werbung etabliert, die auf Basis von Cookies ausgeliefert wird, mit denen das Surf-Verhalten des Nutzers protokolliert wird.

[f1]Das Internet Advertising Bureau (IAB) Europe hofft indes weiterhin, durch Selbstregulierungsmaßnahmen gesetzliche Eingriffe abwenden zu
können. Auf der Website "Your Online Choices" können die User die verhaltensbasierte Auslieferung von Werbung deaktivieren. Als Erstes in einer britischen Version gestartet, ist sie mittlerweile für 21 Länder verfügbar, darunter auch Deutschland. Zudem wollen die Branchenvertreter künftig mittels eines Symbols und des Begriffs "Ad-Choices" kenntlich machen, wenn Nutzerdaten aufgezeichnet und Werbung auf Basis dieser Daten ausgeliefert werden.

[hl]Deutliche Kritik der Datenschützer[/hl]In Januar bezeichnete die Artikel-29-Datenschutzgruppe, die die EU-Kommission berät, diese Maßnahmen als nicht ausreichend. Die Datenschützen mahnten, dass die Nutzer von sich aus und nach dem sie informiert wurden, ihre ausdrückliche Einwilligung zum Speichern von Cookies geben müssten. Auch die Bezeichnung "Ad-Choices" sei unzureichend; es müsse zumindest von personalisierter Werbung die Rede sein. Zudem könnten über den "Opt-out-Cookie", der für den OBA-Ausstieg auf dem Rechner des Nutzers gespeichert werden muss, weiter Daten ausgelesen werden.

Das IAB wies die Kritik teilweise zurück: Die Maßnahmen gingen weiter als jedes bisherige Gesetz, der Opt-out-Cookie ermögliche keinen weiteren Datenzugriff, und das OBA-Symbol werde schnell eine der am häufigsten angezeigten Grafiken im Web sein, so der Verband. Bei einzelnen Kritikpunkten versprachen die Branchenvertreter jedoch auch Nachbesserungen. Zudem kündigten sie eine Aufklärungskampagne gegenüber den Verbrauchern an.

[f3]Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat unterdes bekannt gegeben, über eine komplett neue EU-Datenschutzverordnung beraten zu wollen. Sie wolle den Bürgern die Verfügungsgewalt über ihre Daten im Internet zurückgeben, so Reding gegenüber dem "Focus". Die Selbstregulierung der Unternehmen sei zwar ein gutes Konzept, funktioniere aber in einem so grundrechtsrelevantem Bereich wie dem Datenschutz nicht immer, sagte sie gegenüber der "NOZ". (re)

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