Freiraum - Michael Hagemann

Vorsicht, verletzlich: die digitale Intimdistanz

01.09.2011 - Machen wir uns nichts vor: Der gemeine Verbraucher weiß nicht, was er im Netz tut. Dafür muss man auch nicht die Partyfotos angeschickerter BWL-Studenten im Kontext des Bewerbungsgespräches bei einer führenden Unternehmensberatung bemühen. Schon ein kleiner unschuldiger Click hat Folgen, deren sich niemand bewusst ist, der sich nicht professionell mit diesen Themen auseinandersetzt.

Das Blöde ist nur: Wenn Industrie und Agenturen anfangen, mit diesen Folgen unschuldiger Clicks zu arbeiten, stößt das dem umworbenen Verbraucher schnell mal sauer auf. Unwissentlich spricht der Verbraucher eine Einladung aus, und wehe, wir Werber nehmen sie an! Wir sprechen von der Verletzung der digitalen Intimdistanz.

Aua!

Am Flughafen wird Herr Meyer von seiner Fluggesellschaft mit einem kleinen persönlichen Geschenk verblüfft. Eine Auswertung seiner Social-Media Profile ergab, dass Herr Meyer* sich gelegentlich auch in Strapsen und Pumps Größe 43 wohlfühlt. Überraschend. Auch für seine Arbeitskolleginnen, die ihn auf seiner Geschäftsreise begleiten und dies eigentlich lieber nicht hätten wissen sollen. Jetzt ist Herr Meyer in seiner Firma Tagesgespräch.

Zu Hause am heimischen Rechner wird Herr Meyer im Internet seit Tagen von Bannern mit Reitstiefel-Angeboten verfolgt. Er hatte sich kürzlich dafür interessiert. Als Geschenk für seine Frau, die bald Geburtstag hat. Auch sie nutzt den Rechner regelmäßig.

Feingefühl im Umgang mit absoluter Transparenz

Tracking kann heute jeder. Die Methoden zur Analyse von Kundenverhalten sind vielfältig, Marketingmaßnahmen lassen sich auf der Basis dieses Wissens optimal aussteuern. Menschen geben im Web so viel über sich preis, oft unwissentlich, dass es keiner Fragebogen mehr bedarf. Aktuelle Diskussionen, wie beispielsweise über die Speicherung von Bewegungsdaten von Apple - die Diskussion ging als "Locationgate" durch die Medien - oder über die Tracking-Technologien von KISSmetrics, zeigen dabei vor allem eines: Die Grenze zwischen dem, was technologisch machbar ist, und dem, was vom Kunden akzeptiert wird, ist schnell überschritten. Herr Meyer kann ein Lied davon singen.

Hier sind wir dann bei den Themen Privatsphäre und Datenschutz. Aus der Perspektive der professionellen Werber stellt sich jedoch noch eine ganz andere Frage: Wie weit kann ich meine Conversion-Maximierung treiben, ohne dabei der Marke zu schaden? Ab wann überschreiten wir die digitale Intimdistanz des Konsumenten, der dann zu Recht mit Ablehnung, Konfrontation oder Misstrauen reagiert?

Fest steht: Nahezu alles im Internet ist messbar. Erfolgskennzahlen diktieren das Handeln und fördern die Bereitschaft, Grenzen um kurzfristiger Response-Ziele willen zu überschreiten. Oft unwissentlich. Bei all dem sollten wir jedoch berücksichtigen, welche mittel- bis langfristigen Auswirkungen unser Verhalten auf die Wahrnehmung der Marke hat!

Herr Meyer fährt jetzt öfter mit der Bahn

Man stelle sich vor: Konsumenten werden sich im Rahmen der digitalen Mediennutzung zukünftig mehr und mehr abschotten. Kein so abwegiges Szenario. Zweifellos werden auch dafür die richtigen Software-Tools bereitgestellt. In solch einem Szenario werden zukünftig nur noch diejenigen Marken ihre Zielgruppen erreichen, die sich im Laufe der digitalen Kundenbeziehung das Vertrauen des Verbrauchers ehrlich verdient haben. Marken, die die digitale Intimdistanz ihrer Konsumenten respektieren. Die transparent sind in dem, was sie tun, und im Dialog nichts ohne explizites Einverständnis ihrer Zielgruppen machen. Verantwortlich geführte Marken eben.
[k]* Willkürlich gewählter Name ohne realen Bezug zur Veranschaulichung des Beispiels[/k]

Über den Autor

Michael Hagemann ist Geschäftsführender Gesellschafter der DNSi, der auf digitale und interaktive Kommunikation spezialisierten Tochtergesellschaft der Hamburger DNS Agentur für direkte Markenkommunikation.

Ihr Guide im New Marketing Management - ab 6,23 im Monat!

Hat Ihnen diese Beitrag weiter geholfen? Dann holen Sie sich die ONEtoONE-Premium-Mitgliedschaft. Sie unterstützen damit die Arbeit der ONEtoONE-Redaktion. Sie erhalten Zugang zu allen Premium-Leistungen von ONEtoONE, zum Archiv und sechs mal im Jahr schicken wir Ihnen die aktuelle Ausgabe.

Diskussion:

Vorträge zum Thema:

  • Bild: Dominique Korschinek
    Dominique Korschinek
    (The Digitale)
    Bild: Peter Bilz-Wohlgemuth
    Peter Bilz-Wohlgemuth
    (The Digitale)

    Von Daten zu Deals - wie AI die B2B-Customer Journey revolutioniert

    Personalisierung ist der Schlüssel zum Erfolg im B2B-Marketing - doch sinkende Interaktionsraten und Datenschutzrichtlinien erschweren die gezielte Ansprache. Wie können Unternehmen dennoch relevante Kunden erreichen und ihre Conversion steigern?

    In diesem Vortrag zeigen wir, wie AI-gestützte Strategien das Account-Based Marketing (ABM) auf ein neues Level heben. Erleben Sie, wie moderne Technologien neue Potenziale heben, Leads qualifizieren und automatisierte, personalisierte Kampagnen ermöglichen. Anhand einer Live-Demo erhalten Sie Einblicke, wie Sie mit AI Ihre digitale Customer Journey optimieren und Ihre Conversionrates nachhaltig erhöhen.

    Erfahren Sie, wie Sie Account Based Marketing gezielt einsetzen, um Ihre Marketingstrategie effizienter, präziser und erfolgreicher zu gestalten.

    Vortrag im Rahmen der KI in der Kundenkommunikation 25. am 27.05.25, 09:30 Uhr

Anzeige
www.hightext.de

HighText Verlag

Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling

Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de

Kooperationspartner des

Folgen Sie uns:



Besuchen Sie auch:

www.press1.de

www.ibusiness.de

www.neuhandeln.de