01.09.2011 - Machen wir uns nichts vor: Der gemeine Verbraucher weiß nicht, was er im Netz tut. Dafür muss man auch nicht die Partyfotos angeschickerter BWL-Studenten im Kontext des Bewerbungsgespräches bei einer führenden Unternehmensberatung bemühen. Schon ein kleiner unschuldiger Click hat Folgen, deren sich niemand bewusst ist, der sich nicht professionell mit diesen Themen auseinandersetzt.
Das Blöde ist nur: Wenn Industrie und Agenturen anfangen, mit diesen Folgen unschuldiger Clicks zu arbeiten, stößt das dem umworbenen Verbraucher schnell mal sauer auf. Unwissentlich spricht der Verbraucher eine Einladung aus, und wehe, wir Werber nehmen sie an! Wir sprechen von der Verletzung der digitalen Intimdistanz.
Am Flughafen wird Herr Meyer von seiner Fluggesellschaft mit einem kleinen persönlichen Geschenk verblüfft. Eine Auswertung seiner Social-Media Profile ergab, dass Herr Meyer* sich gelegentlich auch in Strapsen und Pumps Größe 43 wohlfühlt. Überraschend. Auch für seine Arbeitskolleginnen, die ihn auf seiner Geschäftsreise begleiten und dies eigentlich lieber nicht hätten wissen sollen. Jetzt ist Herr Meyer in seiner Firma Tagesgespräch.
Zu Hause am heimischen Rechner wird Herr Meyer im Internet seit Tagen von Bannern mit Reitstiefel-Angeboten verfolgt. Er hatte sich kürzlich dafür interessiert. Als Geschenk für seine Frau, die bald Geburtstag hat. Auch sie nutzt den Rechner regelmäßig.
Tracking kann heute jeder. Die Methoden zur Analyse von Kundenverhalten sind vielfältig, Marketingmaßnahmen lassen sich auf der Basis dieses Wissens optimal aussteuern. Menschen geben im Web so viel über sich preis, oft unwissentlich, dass es keiner Fragebogen mehr bedarf. Aktuelle Diskussionen, wie beispielsweise über die Speicherung von Bewegungsdaten von Apple - die Diskussion ging als "Locationgate" durch die Medien - oder über die Tracking-Technologien von KISSmetrics, zeigen dabei vor allem eines: Die Grenze zwischen dem, was technologisch machbar ist, und dem, was vom Kunden akzeptiert wird, ist schnell überschritten. Herr Meyer kann ein Lied davon singen.
Hier sind wir dann bei den Themen Privatsphäre und Datenschutz. Aus der Perspektive der professionellen Werber stellt sich jedoch noch eine ganz andere Frage: Wie weit kann ich meine Conversion-Maximierung treiben, ohne dabei der Marke zu schaden? Ab wann überschreiten wir die digitale Intimdistanz des Konsumenten, der dann zu Recht mit Ablehnung, Konfrontation oder Misstrauen reagiert?
Fest steht: Nahezu alles im Internet ist messbar. Erfolgskennzahlen diktieren das Handeln und fördern die Bereitschaft, Grenzen um kurzfristiger Response-Ziele willen zu überschreiten. Oft unwissentlich. Bei all dem sollten wir jedoch berücksichtigen, welche mittel- bis langfristigen Auswirkungen unser Verhalten auf die Wahrnehmung der Marke hat!
Man stelle sich vor: Konsumenten werden sich im Rahmen der digitalen Mediennutzung zukünftig mehr und mehr abschotten. Kein so abwegiges Szenario. Zweifellos werden auch dafür die richtigen Software-Tools bereitgestellt. In solch einem Szenario werden zukünftig nur noch diejenigen Marken ihre Zielgruppen erreichen, die sich im Laufe der digitalen Kundenbeziehung das Vertrauen des Verbrauchers ehrlich verdient haben. Marken, die die digitale Intimdistanz ihrer Konsumenten respektieren. Die transparent sind in dem, was sie tun, und im Dialog nichts ohne explizites Einverständnis ihrer Zielgruppen machen. Verantwortlich geführte Marken eben.
[k]* Willkürlich gewählter Name ohne realen Bezug zur Veranschaulichung des Beispiels[/k]
Michael Hagemann ist Geschäftsführender Gesellschafter der DNSi, der auf digitale und interaktive Kommunikation spezialisierten Tochtergesellschaft der Hamburger DNS Agentur für direkte Markenkommunikation.
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