31.08.2011 - Gibt es noch Chancen für eine europäische Suchmaschine? Seit vier Jahren fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) das deutsche Suchmaschinenprojekt Theseus. Aber ob die Förderung ab 2012 fortgesetzt wird, ist derzeit unsicher.
Dabei hadert die Online-Wirtschaft schon lange damit, dass Google die unangefochtene Nummer eins der Suchmaschinen ist. Für Suchmaschinenmarketing fließt netto mehr Geld als für klassische Online-Werbung. Damit geht ein Großteil der Online-Umsätze an ein einzelnes US-Unternehmen.
"Wir brauchen eine europäische Suchmaschine", schrieb Frank Schirrmacher, Herausgeber der "FAZ", Ende Juli in einem Essay. Er sprach eigentlich von der "Auslagerung des Gedächtnisses" ins Web, die dafür sorge, dass wir unseren eigenen Kopf nicht mehr nutzten. Das "wirkliche Wissen" der Menschheit liege in der Hand von "maximal drei Mega-Konzernen". Mit seinem Beitrag löste er eine erneute Debatte um die Notwendigkeit einer (möglicherweise staatlich geförderten) europäischen Suchmaschine als Konkurrent zu Google aus, zugunsten der deutschen digitalen Wirtschaft. Auf Schirrmachers Beitrag antwortete Wolfgang Sander-Beuermann vom Verein SuMa im "Spiegel": "Es wäre wenig sinnvoll, Google nur nachzubauen. Wir brauchen eine Suchmaschinen-Landschaft, die den Pluralismus unserer Gesellschaft abbildet."
[f1]Daran versucht sich Theseus schon aus volkswirtschaftlichem Interesse: "Die von Google erwirtschafteten Gewinne wandern direkt in die USA, der Standort Deutschland sieht davon praktisch nichts", sagt Professor Hendrik Speck. Er ist einer von sechs vom BMWi beauftragten Gutachter des Theseus-Programms. Zum Vergleich: Sowohl China als auch Russland verfügen mit Baidu und Yandex bereits über eigene Anbieter, die in ihrer Heimat mehr Marktanteile besitzen als Google.
[hl]Deutsch-europäische Versuche[/hl]Bisherige Versuche, nationale Suchmaschinen in Europa aufzubauen, scheiterten. 2005 beschlossen Deutschland und Frankreich den Aufbau von "Quaero". 2007 stieg Deutschland aus, weil Frankreichs Konzept zu sehr an Google orientiert gewesen sei. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet seitdem mit verschiedenen deutschen Groß- und mittelständischen Firmen sowie Freelancern an Theseus. "Ein Anti-Google ist eine Sisyphos -Aufgabe", sagt Speck. Theseus verfolge daher auch eine andere Strategie. Man müsse sich anschauen, wie die nächste Generation der Such-und Find-Algorithmen aussieht und etwas Neues bauen, meint er. Daher setzt das Programm auf semantische Suchtechnologien. Herausgekommen sind Dienste wie Processus oder Texo. Mit Processus soll Wissen in Unternehmen schneller und intelligenter sortiert und abgerufen werden können. Texo schafft eine Infrastruktur für internetbasierte Dienste, die Dienstleistungen wie Güter handelt. Andere Funktionen heißen Alexandria (Wissensplattform) oder Medico (semantische Bildsuche in medizinischen Datenbanken). Von den insgesamt sechs Theseus-Diensten mit altsprachlichen Namen dürfte der Durchschnitts-User aber noch nichts gehört haben.
[hl]Ist der Zug abgefahren oder einholbar?[/hl][f2]Für Philipp von Stülpnagel, Unitleiter Search beim BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) und Geschäftsführer von Sumo, ist der Zug abgefahren: "Jetzt nach einer europäischen Suchmaschine zu rufen ist, wie zehn Jahre nach Einführung des Handys daran zu denken, dass diese ja gefährlich für den Straßenverkehr sein könnten. Google wird immer besser und allumfassender, und wir sind gewohnt, es zu nutzen, und machen damit weiter. Das ist ein sich selbst verstärkender Mechanismus." (db)
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